SheraSeven hat einen Ausdruck in Umlauf gebracht: «Sprinkle, Sprinkle!» Was das übersetzt genau bedeutet, ist schwierig zu sagen. Was darunter zu verstehen ist, kann man sich hingegen gut zusammenreimen.
Die selbsternannte «Finanz-Beraterin» ist auf ihrem YouTube-Kanal seit gut zehn Jahren aktiv. Zu Beginn erhielten ihre Videos noch kaum Klicks. Man sieht dort eine Frau, die sich einfach gerne aufnimmt, während sie spricht – über Freundschaften, den Vollmond, Ernährung oder Kanye West und Kim Kardashian. Anzahl Klicks: zwischen 4000 und 20'000.
Doch SheraSeven, mit richtigem Namen Leticia Padua, hat nicht aufgegeben. Videos, die sie ein paar Jahre später aufnahm, erhielten zehntausende, danach teils mehrere hunderttausend Klicks. So richtig berühmt hat die US-Amerikanerin allerdings erst TikTok gemacht – obwohl sie selbst keinen Account hat. Ausschnitte aus ihren Videos werden dort massenhaft weiterverbreitet und geklickt. Alle Clips, die von SheraSevens YouTube-Kanal stammen, haben zusammen fast 20 Milliarden Aufrufe erreicht, und es werden täglich mehr.
Ihre Videos seien nicht für alle, sagt SheraSeven einmal, und wenn man sich unwohl fühle, solle man doch etwas schauen, das einem ein wohliges Gefühl gibt. Sie selbst rät Frauen über 25, sich ältere, wohlhabende Männer zu suchen, mit ihnen auszugehen und psychologische Spiele zu spielen, um sie am Ende um den Finger zu wickeln. Der Grundstein: Männer seien von Natur aus dazu da, zu geben und für Frauen zu sorgen. Frauen seien von Natur aus dazu da, zu nehmen und umworben zu werden. Das Ziel: als Frau nicht selber zu arbeiten, sondern einen Mann an sich zu binden und ihn arbeiten zu lassen.
Wie das geht? Die Frauen sollen zum Beispiel ihre Unsicherheiten vor potenziellen Partnern verstecken und überspielen. Sie sollen den Männern sagen, was sie hören wollen, sich aufschreiben, was sie über sich erzählen, und die Dinge beim hoffentlich nächsten Date «subtil erwähnen».
Frauen sollten des Weiteren auch nicht mehr als fünf bis zehn Wörter in ihren Sätzen benutzen, damit der Mann weiterhin zuhört und auch zu Wort kommt. Und, wichtiger Punkt: Als Frau sollte man niemals den Mann um Geld fragen, sondern ihn dazu bringen, dieses selbst anzubieten. Sobald sie einen Mann an sich gebunden haben, sollten Frauen darauf drängen, dass er für alle Rechnungen und Ausgaben im Haushalt aufkommt. Männer ohne Geld sind hingegen nichts wert, ihnen sollte keine Aufmerksamkeit geschenkt werden. Dafür gibt es von SheraSeven zahlreiche Tipps, wo und um welche Uhrzeit frau die reichsten Männer finden kann.
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Um zu ihrem Ziel zu kommen, sollen Frauen Männer mit umgekehrter Psychologie (auf Englisch: reverse psychology) manipulieren. Damit ist eine Art psychologischer Manipulation gemeint, bei der man jemanden dazu bringt, das zu tun, was man will, indem man die Person auffordert, das Gegenteil zu tun. Weil der Begriff der umgekehrten Psychologie unter anderem durch den misogynen Hate-Influencer bekannt wurde, wird SheraSeven gerne auch als die «weibliche Andrew Tate» bezeichnet.
Auch wenn diese Ideologie stark an das stereotypische Bild der Hausfrau aus den 50er Jahren erinnert, so stimmt das nicht ganz: SheraSeven behauptet nicht, dass Frauen im Gegenzug für finanzielle Unterstützung häusliche Pflichten wie Kochen, Putzen und Kindererziehung übernehmen müssen. Ein wohlhabender Mann kann Leute einstellen, die seiner Frau dabei helfen. Sie selbst hingegen ist dazu da, schön auszusehen und angebetet zu werden. «Vermutlich ist es das, was ihr Evangelium so attraktiv macht», schreibt Kimberly McIntosh vom britischen «Guardian».
Klar, viele mögen sich nun denken: Wenn eine Frau weit weg in den USA solche Dinge erzählt, die für viele Menschen diametral dem widerspricht, was sie glauben oder wofür sie lange gekämpft haben, wäre es doch eigentlich das Beste, gar nicht über sie zu berichten und ihr damit auch keine Plattform zu geben.
Doch das «Evangelium», wie es McIntosh bezeichnet, zieht immer mehr junge Frauen an. Es ist offenbar so erfolgreich, dass viele begonnen haben, ihre eigene Suche nach einem Mann zu dokumentieren und ihr Publikum auf dem Laufenden zu halten, während sie dem Rat der amerikanischen YouTuberin folgen.
Warum ist das so? Die wachsende Popularität solcher Influencerinnen hänge «sicherlich mit der wirtschaftlichen Stagnation, hohen Rechnungen und prekären Arbeitsverhältnissen zusammen», erklärt sich McIntosh das Phänomen. Das gilt derzeit natürlich vorwiegend in den USA und Grossbritannien: Statistiken zeigten, dass immer mehr Erwachsene in England und Wales aus Geldgründen bei ihren Eltern leben, so die «Guardian»-Journalistin. «Der reale Wert des Nettoeinkommens ist seit Mai 2022 gesunken, wobei die jüngsten Arbeitnehmenden die grössten Reallohnverluste hinnehmen mussten.»
Dazu passt, dass sich die Influencerin selbst als Anbieterin von finanziellen – und nicht romantischen – Ratschlägen bezeichnet. Sie würde niemals einen YouTube-Kanal eröffnen, um anderen Menschen Tipps über «reale Beziehungen», die sich nicht um Geld drehen, zu geben – schliesslich gründeten am Ende alle Beziehungen auf Macht, sagt SheraSeven in einem Video.
Einer Userin antwortet sie einmal auf deren Kommentar, wonach sie keine Lust habe, einen älteren Mann zu daten: Sie selbst hätte auch keine Lust, acht Stunden am Tag bis zum Umfallen zu arbeiten. «Entscheide dich für einen Kampf!»
Ihre Gefolgschaft scheint sich offenbar mehrheitlich entschieden zu haben.
Könnten sich ja gegenseitig den Garaus machen und den Rest, für die es auch andere Dinge wie Geld und fame gibt, in Ruhe lassen.