Es gibt Dinge, in die fällt man hinein. Ins Wasser. Und in die Liebe – weshalb «sich verlieben» auf Englisch ja auch heisst «to fall in love». Man fällt und fällt und im Fallen liegt ein Staunen und eine sanfte Wehrlosigkeit. Und so fällt man auch in «Dune: Part Two» – die zweieinhalb Jahre, die seit dem ersten Teil vergangen sind, gehen schon in den ersten Worten und Bildern vergessen, da sind wir wieder, in einer Welt ganz aus Sand, zwischen den Dünen von Arrakis, dem heissen, goldenen Planeten, auf dem sich erstaunlich viele zu Grossem berufene junge Menschen bekriegen und verlieben.
Da ist Paul Atreides (Timothée Chalamet), möglicherweise der Retter von Arrakis, möglicherweise der Erleuchtete, der das Wüstenvolk der Fremen (von «Free Men», befreiten Sklaven) in ein möglichst grünes «Paradies» führen soll. Da ist Chani (Zendaya), eine Anführerin der Fremen, eine prototypische Amazone, zudem Angehörige eines Todeskommandos.
Paul und Chani fallen in love, das ist eine ihrer vielen Bestimmungen. Es ist rührend, wenn sie abends in ihren jegliche Feuchtigkeit und Körperflüssigkeit rezyklierenden «Destill»-Anzügen auf einer Düne sitzen, davon schwärmen, wie schön so eine Welt aus Sand ist, und gemeinsam passiv «Spice» schnüffeln. Denn Spice ist der einzige Rohstoff von Arrakis, eine Art halluzinogener Gewürzmischung, die aus den obersten Sandschichten gewonnen wird. In den unteren leben Sandwürmer, riesige Wesen mit einem Schlund ganz aus Stacheln, doch wer so schlau ist wie die Fremen, kann auf ihnen durch die Wüste surfen.
Und da ist die Gegenseite: Prinzessin Irulan (Florence Pugh), Tochter des Kaisers, der die Entmachtung und Ermordung von Pauls Vater an die monströsen Harkonnen delegiert hat. Und Feyd-Rautha Harkonnen (Austin Butler), ein bleicher, kahlköpfiger Psychopath mit grossen Ähnlichkeiten zu Stephen Kings Clown aus «It», der künftig die Herrschaft über Arrakis innehaben soll. Und wie Irulan und Pauls Mutter Jessica gehört auch die schöne Lady Margot Fenring (Léa Seydoux) zur allmächtigen und hellsehenden Schwesternschaft der Bene Gesserit, die vor allem eines im Sinn hat: Manipulation und Samenraub. Lady Margot weiss genau, wie einem wie Feyd-Rautha beizukommen ist, mit «Begehren und Erniedrigung».
Macht steht gegen List, Totalitarismus gegen Anarchismus, Fundamentalismus gegen Rationalität, Frieden gibt es nirgendwo, nicht unter den einzelnen Parteien, aber auch nicht innerhalb der Familien, kein Kind traut Vater oder Mutter, doch wenigstens gibt es eine heimliche Verständigung zwischen Paul und seiner ungeborenen Schwester, gleich zu Beginn redet er mit dem Fötus im Mutterbauch, mit einem Wesen so fremd, so schwebend und so hell wie ein einsam leuchtender Stern im Weltall.
Und dieser winzige Fötus setzt denn auch gleich wieder den typischen Denis-Villeneuve-Effekt, diese einzigartige Visualität, dass man sich auch in der grössten Unwirtlichkeit von Arrakis seltsam wohlig geborgen fühlt. Denn im Grunde geht es dem Visionär Villeneuve in «Dune» vor allem um jenes eine Element, das auf Arrakis fehlt und nur in unterirdischen Reservoirs vorhanden ist: das Wasser.
Der Fötus ist das einzige Lebewesen, das ganz im Wasser leben darf und dem wir uns in der sicheren Nacht des Kinosaals verwandt fühlen dürfen. Für die anderen bedeutet Wasser eine ungeheure Mühsal, seine Beschaffung nicht selten Mord (erstaunlich, was sich aus so einer Leiche noch alles abzapfen lässt), zu weinen, heisst, Wasser zu verschwenden. Und es beeinflusst selbst die Fantasie der nüchternsten Ingenieure: Das Spice-Erntegerät der Harkonnen gleicht einem Oktopus, ihre Helikopter, pardon, Ornithopter, schwirrenden Libellen. Vielleuve hat schon immer das Hochtechnologische mit dem Organischen verschmolzen, hat den Maschinen eine Unschuld gegeben, die ihnen ja eigentlich auch zu eigen ist. Böse sind immer nur die, die sie befehligen.
Im Gegensatz zum ersten Teil von «Dune», der oft einer sandigen Meditationssitzung gleichkam, passiert im zweiten Teil weit mehr Action. Menschen gegen Sand, Menschen gegen Maschinen, Willy Wonka gegen Elvis. Pardon, Chalamet gegen Butler beziehungsweise Paul gegen Feyd-Rautha, derart viel kriegerischen Ernst und elegante Fitness hat man den beiden nicht zugetraut. Und die «Blutlinien», die immer irgendwie dynastisch dazwischenfunken, offenbaren Grauenhaftes.
Die Welt der Harkonnen ist jetzt noch klarer als im ersten Teil eine faschistische, die schwarz-weiss gedrehte Manegen-Szene sieht aus wie bei Leni Riefenstahl abgeschaut, das ist eine deutliche Setzung, allerdings im SciFi-Genre auch keine ganz fremde. Und auch der heilige Krieg des Südens, dem sich ein zunehmend von der eigenen Macht trunkener Paul anschliesst, hat seine realpolitische Komponente.
Macht ist der falsche Weg zum Frieden, egal, wer sie innehat, sagt Villeneuve, sagt Frank Herbert, dessen erster «Dune»-Roman mit Villeneuves zweitem «Dune»-Film jetzt endlich zu Ende erzählt ist. Kurz vor dem Start des zweiten Teils hat Villeneuve einen dritten mehr oder weniger versprochen. Zendaya und Chalamet wären dabei, die beiden reden gerne davon, wie sehr sie Villeneuve vertrauen können und dass er sich jede Frage, die sie ihm stellen, selbst schon hundertmal gestellt habe und sich seiner Antwort ungemein sicher sei. Noch nie hätten sie sich bei einem Dreh derart aufgehoben gefühlt. Geborgen wie der Fötus im Fruchtwasser.
Man spürts, man siehts, es gibt in Villeneuves Ensemble keinerlei Unsicherheit, egal, wie viel Spice oder Artverwandtes Frank Herbert selbst beim Schreiben einst konsumiert haben mag. Chalamet und die anderen spielen die Bösen, die Auserwählten, die Widerständigen und all das Pathos im Epos mit einer Selbstverständlichkeit und Hingabe, die fast schon ein bisschen Sorge machen.
Wenn es also einmal in zwei oder drei Jahren vielleicht einen dritten Teil gibt, muss es noch etwas Anderes geben als den Krieg der Fremen gegen die Harkonnen, etwas Nächstes, man ahnt bereits, was das sein könnte, einen winzigen Teaser gibt es, und ja, man will das natürlich wieder unbedingt sehen, will sich diesem Film, der mit gigantischen Mitteln verkündet, dass Gigantomie ein Verbrechen sei (aber auch das ist nichts Neues im SciFi), ergeben und ausliefern, bis man den Sand zwischen den Fingern spürt und im Takt von Hans Zimmers Soundkulisse atmet.
«Dune: Part Two» dauert 166 Minuten und läuft ab dem 29. Februar im Kino.