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Schweiz

«Schattenkinder»: Die Reaktionen auf den dritten Tatort aus Zürich

«Überinszeniert» – Das sind die Kritiken des gestrigen Schweizer «Tatorts»

Nachdem der letzte «Tatort» aus Zürich («Schoggiläbe») bei Kritikerinnen und Zuschauern völlig durchgefallen ist, lagen die Erwartungen an «Schattenkinder» so ziemlich bei Null. Der dritte Fall des Frauen-Duos kam zwar etwas besser an, die Reaktionen sind trotzdem durchzogen.
14.03.2022, 12:02
Lara Knuchel
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Die Kurzzusammenfassung

Der gestrige «Tatort» entführte die Zuschauerinnen und Zuschauer in die Zürcher Kunstszene. Eine Künstlerin mit dem Namen «Kyomi» nutzt die Vulnerabilität von missbrauchten oder psychisch labilen jungen Menschen aus, um aus ihnen lebende Kunstwerke zu machen. Am Ende stellt sich heraus, dass die ganze «Tatort»-Geschichte, inklusive Mord und dessen Aufklärung, eine Inszenierung sein soll, von der – wie könnte es im Schweizer «Tatort» anders sein – letztlich ein lukrativer Gewinn erhofft wird.

Kritik aus der deutschen Presse

Während der «Tatort» aus Zürich in den Schweizer Medien vor allem im Vorfeld gelobt wurde (so titelte die NZZ: «Schweizer Tatort: Es geht ja doch»), zeigt sich die deutsche Presse nicht überzeugt:

Tatort Schattenkinder
Das Ermittlerinnenduo Isabelle Grandjean (Anna Pieri) und Tessa Ott (Carol Schuler).Bild: SRF/Sava Hlavacek

Südwestpresse

Die Idee einer exzentrischen Künstlerin, die fanatische Anhängerinnen und hingebungsvolle Bewunderer um sich schart, um aus ihnen lebende Kunstobjekte zu machen, findet man eine «originelle Grundidee». Trotzdem gibt die «Südwestpresse» dem Schweizer «Tatort» nur zwei von vier «Pistolen».

«Schade, dass Regisseurin Christine Repond und die beiden Drehbuchautorinnen von ‹Schattenkinder› aus diesem für einen ‹Tatort› ungewöhnlichen Milieu nicht mehr gemacht haben – statt ganz tief in die merkwürdige Kunstsekte einzutauchen, verlässt sich dieser Sonntagskrimi schon bald auf die übliche Routine aus Vernehmungen, Befragungen und Diskussionen, in denen viel besprochen und wenig gezeigt wird. (...)»

Das Fazit: Auch der dritte Fall des «gar nicht mal unsympathischen Frauenduos aus Zürich» könne nicht überzeugen und sei lediglich etwas für «echte Fans» des sonntäglichen Krimiabends.

Frankfurter Allgemeine

Die «FAZ» findet den Film «überinszeniert». Die Figur der Kyomi hätte zwar Potenzial gehabt. In «Schattenkinder» sei aber alles «verwurstet» worden, was zum «Porträt der charismatischen Künstlerin als Schockrebellin taugt».

«Ein ‹Tatort› für die Kunst, das könnte interessant sein. Die Voraussetzung wäre, dass sich das Drehbuch ein paar originelle Gedanken um seine Motive gemacht hat. Das ist im neuen Schweizer Tatort: ‹Schattenkinder› allerdings nicht der Fall.»
Tatort Schattenkinder
Die Figur der Künstlerin «Kyomi», gespielt von Sarah Hostettler.Bild: SRF/Sava Hlavacek

Süddeutsche Zeitung

Die Süddeutsche bemängelt die emotionale Distanz, sieht aber grosses Potential im weiblichen Ermittlerteam:

«Der dritte Fall des Zürich-Teams von Christine Repond, Regie, und den Autorinnen Stefanie Veith und Nina Vukovic ist bildstark erzählt und auf der abstrakten Ebene schlüssig. Emotional nahe kommt man den Figuren dieses modernen Schauermärchens aber nicht. Grandjean und Ott aber bleiben das derzeit vielversprechendste ‹Tatort›-Team. Sie sind empathisch, reden nicht wahnsinnig viel, sehen gelegentlich ihre Männer, leben normal melancholische Leben; inzwischen deutet sich an, was ihre große Erzählung sein könnte: das Sittengemälde der kalten, reichen Stadt, deren Kinder Befreiung suchen.»

Spiegel

Der «Spiegel» gibt «Schattenkinder» immerhin fünf von zehn Punkten. Trotzdem findet man:

«Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Kaputteste im ganzen Land? Ein Tatort über inneren Schmerz und äussere Wunden, der es sich am Ende viel zu einfach macht.»

Die Welt

«Die Welt» outet sich als Fan der «allmählichen Entstehung einer wunderbar prekären Kolleginnenfreundschaft»:

«Sie reiben sich, sie belauern sich, sie finden zueinander. Das ist auch bitter nötig. Weil der ehemals am Vierwaldstätter-See beheimatete Schweizer ‹Tatort› bitte nie wieder wegziehen soll aus Zürich. Weil es noch soviel Morast zu entdecken gibt unter der Goldküste. Vielleicht bricht ja dann irgendwann mal tatsächlich die Sonne durch.»

In Anspielung an die «morbide Kälte» dieser «Tatort»-Ausgabe schreibt die Zeitung:

«Kann man mit Schmerzen Kunst machen? Und kann man mit Schmerzenskunst Geld machen? Der neue Zürcher ‹Tatort› ist eine der geradlinigsten Folgen der vergangenen Wochen. Dem Heizenergieverbrauch tut er aber gar nicht gut.»

Stern

Auch der «Stern» findet, die Kolleginnen harmonierten noch nicht perfekt, zu unterschiedlich seien die beiden Frauen. Das Fazit:

«In einer Zeit, wo grauenvolle Bilder des Ukraine-Krieges den Alltag bestimmen, taugt dieser Krimi nicht zur Ablenkung. Wer einschaltet, braucht ein dickes Fell.»

Filmrezensionen.de

Das Online-Portal lobt zwar die das interessante Thema und die fesselnden Bilder, bilanziert aber trotzdem:

«Wer also angesichts der Beschreibung eine wirkliche Auseinandersetzung mit dem Kunstbetrieb und den moralischen Implikationen erwartet, der sollte lieber seine Ansprüche zurückschrauben. Richtig viel zu sagen hat der Film nicht.»

Die Zeit

Die grosse «Zeit» ist weniger begeistert, das Duo Ott/Grandjean vermag nicht zu überzeugen – was vielleicht auch an der Synchronisation liege:

«Leider hat der ‹Tatort› darüber hinaus auch nicht so viel zu bieten, was Begeisterung entfachen könnte. Das Zusammenspiel der beiden Kommissarinnen ist jedenfalls belastet von einem mühsamen Konflikt, der noch aus der letzten Folge resultiert. Ott steckt, weil sie nicht geschossen hatte, in einem internen Verfahren, für das es noch die Einschätzung der Kollegin braucht. Wie die ausfallen wird, damit kokettiert Isa den ganzen Film über. Um am Ende natürlich nicht mehr sauer zu sein, was nur allerdings so absehbar ist in der Lauheit, mit der ‹Konflikt› zwischen den beiden erzählt wird – dass Spannung einfach kein Wort ist, das man zur Beschreibung dieser Nebenhandlung rausholen könnte. Vielleicht liegt es auch an der deutschen Synchronisation, die alles an Zwischentönen und Atmosphäre übertönt, was sich in der Originalsprache mitteilen könnte, selbst wenn man zum Verständnis Untertitel lesen müsste.»

Das sagen die Zuschauer

Die offenbar schlechte Synchronisation war denn auch das Hauptthema auf Twitter:

Dieser User auf Twitter war nicht der einzige, den die exzentrische Künstlerin an eine AfD-Politikerin erinnerte:

Die Twitter-Community scheint sich zumindest beim letzten Punkt ziemlich einig zu sein:

In Anspielung an den Showdown, bei der Kyomi versucht, sich und drei weitere Menschen zu verbrennen, meint dieser User:

Tatort Schattenkinder
Ein Abschiedsritual für den toten Max Gessner (Vincent Furrer).Bild: SRF/Sava Hlavacek

Dieser Zuschauer bilanziert gnadenlos:

Kein Verständnis für die lobenden Worte der Schweizer Presse zeigt dieser User:

Hier scheint man eine Erklärung gefunden zu haben:

Natürlich wird auch auf Klischees zurückgegriffen:

Dem überwiegenden Spott zum Trotz gab es vereinzelt aber auch positive Stimmen:

Für die Kritiker der Schweizer Ausgabe des «Tatorts» gibt es übrigens schlechte Nachrichten: Es bleibt nicht der einzige in diesem Jahr. Der nächste «Tatort» mit dem Zürcher Ermittlerduo Ott/Grandjean kommt bereits im Herbst. Wie schon bei «Schattenkinder» wird die Schweizerin Christine Repond Regie führen. Der Titel lautet «Risiken mit Nebenwirkungen». Es liegt im subjektiven Befinden jedes «Tatort»-Fans, ob man sich darauf freuen kann oder nicht.

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So reagiert das Publikum auf den neuen Schweizer «Tatort»
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27 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Hessmex
14.03.2022 15:05registriert Januar 2014
Auch wenn der schweizer Tatort nicht das gelbe vom Ei war, aber wenn ich ihn mit dem letzten vom Team Münster (Propheteus) vergleiche, so war er richtig gut!
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FromB
14.03.2022 13:45registriert Oktober 2020
"...das Sittengemälde der kalten, reichen Stadt, deren Kinder Befreiung suchen."

- eine treffende Beschreibung für Zürich
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Spassthis
14.03.2022 12:50registriert Juni 2021
Tatort ist ein Krimi, der jeden Sonntag versucht die Ansprüche des Feuilletons zu erfüllen und dabei aus Sicht der Kritiker jedesmal grandios scheitert. Als Zuschauer sind es einfach nur anstrengende und an den Haaren herbeigezogene Geschichten ohne Unterhaltungswert.
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