Bei Politologen ist es längst eine Binsenwahrheit, dass es einer gut organisierten Minderheit meist gelingt, ihre Interessen auch gegen eine deutliche Mehrheit durchzusetzen. Der Grund liegt darin, dass die Minderheit fokussiert, die Mehrheit zersplittert ist. Dazu kommt, dass der Rechtsstaat sehr viele Möglichkeiten bietet, ein Verfahren bis zum St. Nimmerleinstag zu verzögern.
In der Schweiz werden gerne die Bauern als Beispiel für diese These herangezogen. Tatsächlich machen sie heute nicht einmal mehr zwei Prozent der Bevölkerung aus. Trotzdem ist die Bauernlobby im Parlament nach wie vor eine mächtige Stimme.
Man muss sich jedoch weder in die soziologische Theorie vertiefen, noch ans Parlament wenden, um diese These bestätigt zu finden. Ich erlebe sie derzeit am eigenen Leib. Und zwar so:
Zusammen mit meiner Frau wohne ich in einer Eigentumswohnung in Zürich Enge, einem gutbürgerlichen Quartier. Gutbürgerlich durchmischt sind auch die zwölf Eigentümer, welche die zwei Häuser bewohnen. Wir sprechen von keiner Öko-Hochburg, sondern von einer Gemeinschaft, welche das Glück hatte, vor rund 25 Jahren eine Wohnung zu kaufen, zu einer Zeit, als dies auch noch der Mittelschicht möglich war.
An einer Stockwerkeigentümerversammlung haben die Bewohner im vergangenen März beschlossen, ihre Gasheizung durch eine Wärmepumpe zu ersetzen. Dies, obwohl die bestehende Heizung noch Jahre ihren Dienst erledigen würde. Zuvor waren die Pro- und Contra-Argumente ausführlich diskutiert worden. Soll man nicht warten, bis ein entstehendes Fernwärmenetz der Stadt auch unser Quartier erreicht hat? Sind die Kosten in Proportion zum Nutzen nicht zu hoch?
Legitime Fragen, welche debattiert werden mussten, zumal jeder Eigentümer eine beträchtliche Summe aufwenden muss. Trotzdem hat die Eigentümerversammlung mit 10 zu 0 beschlossen, die Investition zu genehmigen. Zwei Eigentümer enthielten sich der Stimme. Der eindeutige Entscheid kam auch deswegen zustande, weil zwei Pensionäre sich bereit erklärt hatten, die umfangreichen Abklärungen ohne Bezahlung zu übernehmen. Bei beiden handelt es sich um ausgewiesene Fachleute.
Alles schien in Butter: Ein Dutzend verantwortungsbewusste Bürgerinnen und Bürger hatte sich durchgerungen, gegen ihre kurzfristigen finanziellen Interessen etwas Konkretes gegen die Klimaerwärmung zu unternehmen. Sie handeln dabei demokratisch und haben das Glück, dass sich zwei erfahrene Männer freiwillig und ohne Entgelt darum kümmern. Schweizer Basisdemokratie und Bürgersinn vom Feinsten also.
Nicht ganz. Wie die Detailabklärung ergeben sollte, ist wegen der Baulinie ein weiterer Eintrag in das Grundbuch nötig. Alle Eigentümer müssen dazu ihre Unterschrift leisten. Die beiden, welche sich der Stimme enthielten, sehen darin nun ihre Chance. Sie verweigern ihre Unterschrift und legen damit das ganze Unterfangen auf Eis. Mit anderen Worten: Sie können ihre egoistischen Interessen durchsetzen und den Einbau der Wärmepumpe nicht nur verzögern, sondern möglicherweise ganz verhindern.
Ja, wir sprechen hier von einem Einzelfall, und ja, er ist anekdotisch. Doch Fälle wie diese dürfte es zuhauf geben. Wir sind im Begriff, unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat zu pervertieren. Wir sind ein Land, in dem Mini-Trumps die Möglichkeit haben, demokratische Entscheide mithilfe der Gerichte so lange zu verschieben, bis sie hinfällig werden. Das Trauerspiel um das Zürcher Fussballstadion ist das herausragendste Beispiel dafür.
Die Schweiz ist kein Einzelfall. So berichtet der «Economist» in seiner jüngsten Ausgabe über das Beispiel Schweden. In diesem traditionell grünen Land sind bloss noch vier Prozent der Bevölkerung der Meinung, dass die Klimaerwärmung «keine Bedrohung» sei. Doch die rechtskonservative Regierung ist auf die Unterstützung der Schwedendemokraten angewiesen, einer rechtspopulistischen Partei. Daher war sie gezwungen, die Benzinsteuer mehrmals zu senken.
Wir erleben derzeit einen weltweiten Backlash gegen den Umbau zu einer nachhaltigen Gesellschaft und Wirtschaft, und dies, obwohl ausser ein paar Unbelehrbaren niemand mehr die Gefahr der Klimaerwärmung infrage stellt. Nach Jahren von Rekordhitze, Rekordwaldbränden, Rekordüberschwemmungen und abschmelzenden Gletschern und Eisbergen ist dies rational gesehen auch schlicht nicht mehr möglich.
Trotzdem stellt die NZZ kürzlich fest: «Fast überall in der Europäischen Union reagieren Bürgerinnen und Bürger in zunehmenden Masse abweisend auf die ständig neuen Vorschriften und Verbote, die dazu beitragen sollen, den Ausstoss von Treibhausgasen zu senken.»
Was von zuständigen Wissenschaftlern längst als existenzbedrohende Gefahr für unseren Planeten erkannt wurde, wird von Rechtspopulisten in einen neuen Klassenkampf umgedeutet. Dabei wird jeder noch so schmutzige Trick, jede Verleumdung und jede Verschwörungstheorie angewandt. «Eine linksgrüne Elite will euch ihren Willen und ihren Lebensstil aufzwingen», heulen die Populisten. Sie faseln davon, dass der Konsum von Fleisch verboten oder zumindest mit einer Steuer belegt werden soll.
Bereits beschlossene Massnahmen werden entweder ganz rückgängig gemacht oder zumindest stark verwässert. So hat der britische Premierminister Rishi Sunak bereits beschlossene Gesetze zum Erreichen einer nachhaltigen Gesellschaft wieder abgeschwächt. In Deutschland musste die Ampel-Koalition ein Gesetz, welches den Einbau von Wärmepumpen bei einer Ersetzung der alten Heizung obligatorisch machen wollte, auf populistischen Druck wieder zurücknehmen.
Wir leben in einer schizophrenen Welt. Auf der einen Seite werden wir von Nachhaltigkeits-Versprechungen geradezu bombardiert. Jede Bank will grün investieren, jedes Unternehmen zumindest Bäume pflanzen, und sei es in Afrika. Auch bürgerliche Politiker wollen klimaneutral werden und stellen dazu Fristen in Aussicht im Wissen, dass sie nicht eingehalten werden. Alle wollen eine CO₂-freie Welt, und viele fliegen trotzdem, als gebe es kein Morgen. Und bei den Wahlen am kommenden Sonntag werden gemäss allen Umfragen ausgerechnet die Grünen abgestraft werden.
Als in den Achtzigerjahren das Waldsterben für Emotionen sorgte, kursierte der dämliche Spruch: «Mein Auto fährt auch ohne Wald.» Viel dazugelernt haben wir seither nicht.
Bsp. ich wohne zur Miete, hab ein riesen grosses Dach um meine Terasse herum. Ich hätte Kapazität für locker 10 KW Peak, jedoch kann ich als Mieter keine Einspeisungsfähige Anlage anmelden. 600 W Balkonsolar ist ein Tropfen auf den heissen Stein.
In einem 4 Parteien haus hat sonst keiner Balkonsolar, ich darf aber nicht die "fehlenden 1800W" bei mir Montieren
Der Eigentümer will nicht investieren und die Gemeinde will nicht mitspielen. Ich bin sicher das ich damit nicht alleine bin.