Die Schweiz feiert dieses Jahr 60 Jahre Werbung. Am 1. Februar 1965 flimmerte auf den Sendern DRS, TSR und TSI der allererste Werbeblock über die Bildschirme. Die erste TV-Werbung gab es aber schon viel früher. 1941 wurde in den USA die erste legale Werbung ausgestrahlt – beworben wurde eine Uhr vom ehemals amerikanisch-schweizerischen Uhrenhersteller Bulova Watch. Der Spot kostete das Unternehmen laut der Website Quartz nur neun US-Dollar.
Doch schon davor experimentierten die TV-Sender mit Werbung, indem die Moderatoren beispielsweise einfach Werbebotschaften von Sponsoren vorlasen.
Werbung begleitet uns durchs ganze Leben. Auch wenn sich die Form und der Inhalt ändern, bleibt doch eines gleich: Sie spiegelt den Zeitgeist wider und nimmt gleichermassen Einfluss auf die Gesellschaft. Anhand der Werbung ist beispielsweise gut zu sehen, wie sich das Frauen- und Männerbild verändert hat und wie die Diversität immer wichtiger wurde.
Einige der alten Werbespots wirken aus heutiger Sicht eher befremdlich, andere sind auch heute noch Kult und machen einen nostalgisch. Hier sind einige Perlen aus der Geschichte der Werbung zusammengestellt:
Die 1950er Jahre waren nicht für Gleichstellung und die Selbstverwirklichung der Frau bekannt. Ihr grösstes Glück war demnach, sich um Mann und Familie zu kümmern. Die Nachwirkungen des Nationalsozialismus waren noch spürbar. Konsum befriedigte nach dem Krieg das Bedürfnis nach Heile-Welt-Fantasien, und für Frauen galt das Motto «Zurück an den Herd». Die Frau wurde dabei über ihre Kleidung und den Haushalt definiert.
Dies war auch in der Werbung zu sehen. Die perfekte Hausfrau wäscht, backt und putzt oder lässt sich von ihrem Mann belehren. Der Mann dagegen war eher für Handwerkliches zuständig.
Zuerst wurde Werbung nur im Kino gezeigt. Der erste deutsche Werbespot flimmerte 1956 im deutschen Fernsehen über den Bildschirm. Die ARD zeigte einen 55 Sekunden langen Werbespot für das Waschmittel Persil:
«Der gebildete Mensch sagt nur Persil», meint der Mann im Spot. Doch der Spot spiegelt das zu der Zeit gängige Rollenbild wider. Bei den Protagonisten handelt es sich übrigens um Liesl Karlstadt und Beppo Brem, zwei damals bekannte Schauspieler.
Eine andere berühmte Werbung von 1954 stammt von Dr. Oetker. Darin heisst es: «Eine Frau hat zwei Lebensfragen: Was soll ich anziehen und was soll ich kochen?»
Der Spot gibt in wenigen Sekunden das damalige Gesellschaftsbild wider, wonach die Frau nach der Ehe dem Mann jeden Wunsch von den Augen ablesen soll – und das bitte lächelnd.
Sollte die Frau doch einmal aufmucken, gab es Frauengold.
Das Arzneimittel hatte einen Alkoholgehalt von 16,5 Prozent und wurde später wegen krebsfördernder und nierenschädigender Inhaltsstoffe verboten.
In der Werbung der 60er waren die Geschlechterklischees ebenfalls allgegenwärtig. In der Mars-Werbung von 1962 wird ein Mann bei der körperlichen Arbeit gezeigt.
Im ersten Werbeblock der Schweiz wurden 1965 acht Produkte beworben: Waschmittel der Marke Via/Radion, Lindt-Schokolade, der Opel Kadett, Maggi Golderbs-Suppe, die Schweizerische Bankgesellschaft, Pepsi Cola und Coop-Kaffee. Viele der Unternehmen sind auch heute noch in der Werbung präsent.
Auch in diesen Spots zeigt sich das damalige Rollenbild. Fürs Technische und fürs Fahren seien vor allem die Männer zuständig, der Frau muss dagegen in erster Linie das Aussehen des Autos gefallen.
Eine Suppe mit Würstchen darf dann beim Maggi-Spot eine Frau bewerben. Bei der Vorgängerin der UBS, der Schweizerischen Bankgesellschaft, reden hingegen wieder die Männer über das Geschäft.
Die 60er Jahre waren geprägt von politischen Umbrüchen wie dem Mauerbau in Deutschland, dem Vietnamkrieg oder den Jugendprotesten. Auch die sexuelle Revolution war ein wichtiger Meilenstein. Themen in der Werbung waren ökologisches Bewusstsein oder die Hippiekultur. Im Spot des deutschen Limonadenherstellers Afri-Cola sind einige dieser Themen aufgegriffen worden:
Der psychedelische Spot zeigt lasziv blickende Nonnen im «Cola-Rausch». Im Slogan heisst es: «Super-sexy-mini-flower-pop-op-cola – alles ist in Afri-Cola.» Die Provokation war gewollt. Und der Spot schlug ein: Der Umsatz stieg um 30 Prozent und wurde zum Kult-Getränk.
Obwohl in den Werbespots der 60er oftmals wirklichkeitsnahe Szenen gezeigt wurden, waren auch Zeichentrickfiguren beliebt. Typische Figuren waren beispielsweise Klementine (mit K) für Ariel oder das HB-Männchen mit dem guten Rat: «Halt, halt, mein Freund! Wer wird denn gleich an die Decke gehen? Greife lieber zur HB!».
Freizeit wurde immer wichtiger und Aktiv-Kultur, Ferien- und Abenteuerwelten wurden geschaffen. Die Fitness-Aerobic-Welle begann und mit ihr der Wunsch nach einem sportlichen Körper. Auch bei der Werbung der Fa-Seife stand eine sportliche Frau im Fokus:
McDonalds als Inbegriff der Konsumgesellschaft stand dem zunehmenden Umweltbewusstsein entgegen. Die Werbung der 70er war geprägt von Farbe, Selbstentfaltung, Emotionalität und Sexualität. Für einen der kultigsten Werbespots der 70er war Coca-Cola verantwortlich:
Die 80er waren ein politisch geprägtes Jahrzehnt: Neben der Ökobewegung gab es die Punk- oder Yuppie-Mentalität. Themen waren unter anderem Atomkraft oder Naturschutz.
Die Werbung nahm die Themen auf. Daneben entstand das Privatfernsehen, welches die TV-Spots zum Leit-Werbemittel machte. Auch Musik in den Werbespots wurde zunehmend wichtig. Weltbekannt ist auch heute noch der Bacardi-Song:
Und auch einige Kultfiguren wie Meister Proper waren fester Bestandteil der Werbespots. Erfunden wurde er aber bereits Ende der 50er Jahre. Unvergessen bleibt der Slogan «Meister Proper putzt so sauber, dass man sich drin spiegeln kann».
Was heute George Clooney mit seinem Nespresso ist, war Ende der 80er bis Ende der 90er der Melitta-Mann. Ein Jahrzehnt fungierte er als Gesicht für den Melitta Café.
Nicht jede Werbung wurde vom Publikum gut aufgenommen. Beispielsweise bei der von Levis gab es aufgrund von Nacktheit Kritik.
Auch eine andere Jeans-Marke sorgte für Empörung. 1980 warb die damals 15-jährige Schauspielerin Brooke Shields mit halb aufgeknöpfter Bluse und dem Slogan «Nothing comes between me and my Calvins» für die Marke Calvin Klein. Der Spot wurde von vielen Fernsehsendern nicht ausgestrahlt und auch Feministinnen meldeten sich wütend zu Wort. Trotzdem erlangten die Jeans grosse Beliebtheit. Später warben unter anderem Mark Wahlberg und Kate Moss für die Marke – dies spärlich bekleidet.
In den 90ern wurde Individualisierung und Spass immer wichtiger und die Geschlechterrollen wurden mehr und mehr aufgebrochen. Wo Anfang der 80er in nur vier Prozent der Spots berufstätige Frauen vorkamen, änderte sich das in den 90er zunehmend. In folgender Werbung beobachten Büroangestellte einen Mann, der lasziv ein Getränk geniesst. Anders als früher wird der Mann jetzt auch mal zum Sexobjekt:
Eine Strategie in der Werbung ist «Sex sells», eine andere ist die Schockwerbung. Eine solche aggressive Werbestrategie verfolgte der italienische Textilhersteller Benetton. Die Werbung zeigte HIV-Infizierte, Hinrichtungskandidaten oder blutdurchnässte Soldatenhemden. Das Publikum war schockiert. Durch die anschliessende Berichterstattung generierte das Unternehmen kostenfreie Anschlusskommunikation.
In den 90ern war übrigens auch schon der aktuelle US-Präsident Donald Trump in einer Werbung für Pizza Hut zu sehen. Seine Liebe für Fastfood besteht demnach schon länger.
Die 2000er-Jahre waren beeinflusst von der Entdeckung des Internets und der zunehmenden Digitalisierung. Mit dem Web 2.0 etablierte sich die Online-Werbung und öffnete neue Kommunikationswege.
Auch der eine oder andere lustige Spot war in dieser Zeit dabei. Kult wurde diese Snickers-Werbung mit dem Spruch: «Du bist nicht du, wenn du hungrig bist.»
Zu beobachten war, dass die Werbung zunehmend diverser wurde. Ein gutes Beispiel ist Zalando. Im Spot werden verschiedene Körperformen, Sexualitäten und Hautfarben gezeigt. Auch das Smartphone als wichtigstes Gadget nimmt dabei eine wichtige Rolle ein.
Und last but not least: ein Schmankerl aus der Schweiz. Natürlich darf dieser legendäre TV-Spot aus dem Jahr 2002 nicht fehlen: