Vergangene Woche diskutierte Deutschland heiss über das Verbot der «One Love»-Binde bei der Fussballweltmeisterschaft in Katar – doch wie offen sind wir hierzulande eigentlich, was die freie Entfaltung von Persönlichkeit, Sexualität und Geschlecht angeht?
Jan Böhmermann machte am Freitagabend die zunehmende Transfeindlichkeit in Politik und Medien zum Thema und stellte fest: «Wir sind immer noch in Deutschland, dem Katar Mitteleuropas».
In seiner halbstündigen Sendung erklärte er, was hinter dem Vergleich steckt und widerlegte zumeist krude Argumente von angeblichen Feministinnen wie Alice Schwarzer oder der AfD-Politikerin Beatrix von Storch.
Für alle, die es nicht wissen: Transfeindlichkeit, darunter versteht man Hass und Hetze gegen Menschen, die sich über ein anderes als ihnen bei der Geburt zugeschriebenes Geschlecht oder ohne festes Geschlecht definieren.
Was Moderator Jan Böhmermann samt Redaktion von der ganzen Sache hält, das zeigte bereits die Veröffentlichung des «Hashtags der Woche» auf Twitter: #turds. Allen, die nicht gleich wussten, was der englische Ausdruck bedeutet, half das beigefügte Emoticon: Turd heisst auf Deutsch «Scheisshaufen».
Der Hashtag der Woche ist #turds 💩
— ZDF Magazin Royale (@zdfmagazin) December 1, 2022
In seiner Sendung am Freitagabend veranschaulichte Böhmermann, dass das Symbol gleich mehrdeutig auf das Thema der Transfeindlichkeit anzuwenden ist: Erstens, weil Transfeindlichkeit sich gegen das Grundgesetz der freien Entfaltung der Persönlichkeit richtet und weil das noch immer geltende Transsexuellen-Gesetz aus dem Jahr 1981 absolut von gestern ist, aber auch, weil hinter Transfeindlichkeit braunes Gedankengut steckt.
Zunächst zum Transsexuellengesetz: Die freie Entfaltung der Persönlichkeit ist in unserem Grundgesetz geregelt, gilt jedoch nicht für Transmenschen.
So zwingt das sogenannte Transsexuellengesetz Transmenschen seit 1981 nicht nur zu einer absurden Rechtfertigungspflicht über ihre privaten sexuellen Vorlieben, sondern zwang sie bis vor wenigen Jahren auch noch zu Scheidung oder einer Zwangssterilisierung.
Laut Jan Böhmermann handelt es sich bei dem Gesetz um «das peinlichste Überbleibsel aus den 80ern seit Modern Talking». Das hat, wie die ZDF-Sendung zeigt, auch die Ampelregierung erkannt und will das Gesetz bald durch ein neues «Selbstbestimmungsgesetz» ersetzen.
Ähnlich stigmatisierend und diskriminierend wirken jedoch auch Hass und Hetze gegen Transmenschen, die diesen aus verschiedenen Richtungen entgegenschlagen.
So erklärt AfD-Politikerin Beatrix von Storch Transidentitäten regelmässig im Bundestag für nicht existent. Forscher:innen wie die Biologin Marie-Luise Vollbrecht beharren trotz vielfacher, widersprechender Meinungen aus der Wissenschaft auf die binäre Teilung der Geschlechter. Und die Vorzeige-Feministin der vorletzten Generation, Alice Schwarzer, erklärt trans zur Mode.
Jan Böhmermann nutzte in seiner Sendung das Privileg der öffentlich-rechtlichen Sendezeit und widerlegte die kruden Argumente dieser Sprecherinnen, wie beispielsweise die Behauptung, Transmänner könnten für Frauen in öffentlichen Umkleidekabinen zur Gefahr werden oder sich über die Frauenquote der Grünen einen Platz im Bundestag erschleichen.
«Gewalt gegen Frauen findet meistens nicht in der Damen-Umkleide vom Aqualand statt, sondern zuhause», konterte Böhmermann witzelnd. Der Moderator fragte sarkastisch: «Wieso? Es gibt ja auch Leute, die im Bundestag als Politikerinnen geführt werden, obwohl die biologisch und juristisch eigentlich Nazis sind.»
Bei Transgeschlechtlichkeit geht es nicht darum, auf was man steht, sondern wer man ist. Mehr dazu gibt es in der ZDF-Mediathek. #turds https://t.co/sBEM60qgFM
— ZDF Magazin Royale (@zdfmagazin) December 2, 2022
Über die Sendung hinweg wiederholt der Moderator der ZDF-Late-Night-Show immer wieder das eigentlich Selbstverständliche:
Und der Moderator lieferte eine recht einfache Erklärung, warum «Alice Schwarzer, Terfs, Rechtskonservative Seite an Seite mit Faschos und Nazis stehen», wenn es gegen Transmenschen geht: «Nur wenn Transmenschen falsch sind, können die von Storchs und Schwarzers richtig sein. Nicht trans sein ist Mode, sondern Transfeindlichkeit.»
Lassen wir die Leute doch Leben. Solange sich das nicht negativ auf das Leben anderer einwirkt, hat es uns nichts anzugehen, wie die anderen Leben wollen.
Die Watson-Kommentarspalte war sich des öftern einig, dass man Böhmermanns Paroli gut findet, abfeiert und teilt.
Auf die heutigen Kommentare bin ich hochgradig gespannt.