Der Ton wird rauer, angriffiger. «Bundesrat Jans, bitte aufwachen!», titelte die FDP kürzlich eine Medienmitteilung. Der SP-Asylminister müsse mehr gegen die illegale Migration tun. Die Schweiz müsse viel härter durchgreifen gegen die «ganz grosse Mehrheit, die ohne Asylgrund illegal in die Schweiz einreist», forderte FDP-Präsident Thierry Burkart in der «NZZ».
Deutschland verschärft derweil nach der Attacke in Solingen und den AfD-Wahlerfolgen die Grenzkontrollen. Italien nimmt seit Monaten keine Dublin-Fälle zurück, Dänemark und Schweden fahren schon länger einen harten Kurs.
Und die Schweiz? Sie mache zu wenig, heisst es längst nicht mehr nur aus der SVP. Die FDP will vier Vorstössen der SVP zustimmen, die in der ausserordentlichen Session zum Thema Asyl nächste Woche behandelt werden. Alle vier seien in der Fraktionssitzung «sehr eindeutig» angenommen, sagt eine FDP-Sprecherin.
Ob es zu einer Mehrheit reicht, entscheidet sich in der Mitte. Die Fraktion berät am Dienstag über die vier SVP-Vorstösse. Nicolò Paganini, Mitglied der zuständigen Kommission, will dieser Diskussion nicht vorgreifen. Allgemein hält er fest: «Wir wollen keinen Populismus betreiben. Gleichzeitig braucht es einen gewissen Druck auf den Bund, denn Kantone und Gemeinden sind zum Teil stark belastet und die Akzeptanz in der Bevölkerung für die hohen Zahlen im Asylbereich nimmt ab.» Wichtig sei, den Vollzug zu verbessern.
In der laufenden Herbstsession stehen verschiedene Vorschläge zur Debatte. Das sind fünf davon:
Ein erstes Zeichen hat der Nationalrat in dieser Session schon gesetzt – ein Schrittchen Richtung Bezahlkarte für Asylsuchende. Die Idee: Statt Bargeld sollen Asylsuchende eine Karte erhalten, mit der sie einkaufen können. Das soll verhindern, dass sie Geld in ihre Herkunftsländer schicken oder Schulden bei Schleppern begleichen. Deutschland setzt seit kurzem auf dieses System.
In der Schweiz können die Kantone eine Bezahlkarte bereits heute einführen. Der Bundesrat muss nun aufzeigen, wie er sie dabei unterstützen könnte. Der Nationalrat hat ein Postulat der Staatspolitischen Kommission deutlich angenommen.
Durchführbarkeit: Möglich ist das System. Bisher hielt sich das Interesse der Kantone jedoch in Grenzen. Der Vorstand der Sozialdirektorenkonferenz lehnte die Einführung einstimmig ab, weil aus seiner Sicht die Nachteile überwiegen. Die Kantone Bern und Schwyz wollen diesen Weg einschlagen. Der Kanton Zürich hat ein System mit Migros-Gutscheinen 2012 wieder aufgegeben. Die Gutscheine waren gegen Bargeld eingetauscht worden.
Abschreckungspotenzial: Die Befürworter wollen mit diesem Schritt die Attraktivität der Schweiz als Zielland für illegale Migration senken. Experten zweifeln allerdings daran. Der Bundesrat erklärte, ihm sei keine Studie bekannt, welche die Wirksamkeit eines solchen Systems belegt. Kommt hinzu: Aufgrund der tieferen Sozialhilfeansätze bleibt den Asylsuchenden ohnehin kaum Geld übrig.
Die SVP fordert, dass Asylsuchende, die ein sicheres Land durchqueren, nicht mehr als Flüchtlinge gelten. Dadurch kämen kaum mehr Asylsuchende ins Land, hoffen die Befürworter.
Der Bundesrat hält entgegen, dass damit die Flüchtlingskonvention gebrochen würde. Und die Schweizerische Flüchtlingshilfe hält fest, dies verstosse gegen die verfassungs- und völkerrechtlichen Verpflichtungen der Schweiz «und zielt darauf ab, das Asylrecht vollständig auszuhöhlen». Zudem sieht das Gesetz bereits vor, dass auf Asylgesuche nicht eingetreten wird, wenn Asylsuchende in einen sicheren Drittstaat zurückkehren können.
Durchführbarkeit: In Deutschland forderte die CDU kürzlich, Migranten an der Grenze zurückzuweisen – egal, ob sie ein Asylgesuch stellen oder nicht. Das wurde aber als Bruch des EU-Rechts taxiert und abgelehnt. Kommt hinzu: Die Nachbarstaaten müssten auch bereit sein, die zurückgewiesenen Migranten zurückzunehmen, oder die Abschiebung in die Herkunftsstaaten müsste perfekt klappen. Das scheint wenig plausibel.
Abschreckungspotenzial: Theoretisch gross. Doch die umliegenden Länder würden das kaum einfach hinnehmen. Der Schritt könnte daher ein Schuss ins eigene Bein sein. Experten verweisen unter anderem darauf, dass die Schweiz heute vom Dublin-Abkommen profitiert. Sie kann also mehr Menschen zurückweisen, als sie umgekehrt von anderen Ländern übernehmen muss.
Rund 45'000 vorläufig Aufgenommene leben in der Schweiz. Ihr Asylgesuch wurde abgelehnt, eine Rückkehr in ihren Herkunftsstaat wurde aber als unzulässig, unzumutbar oder unmöglich eingestuft, zum Beispiel, weil dort Bürgerkrieg herrscht.
Nun fordert die SVP: Vorläufig Aufgenommene sollen kein Recht auf Familiennachzug mehr haben. Auf dieser Schiene kämen «weitere unzählige Zuwanderer in die Schweiz», beklagt die SVP. Der Bundesrat lehnt den Vorstoss mit Verweis auf das Recht auf Achtung des Familienlebens ab.
Durchführbarkeit: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hält bereits die heutige Praxis für zu restriktiv: Eine gesetzliche Wartefrist von drei Jahren sei zu lang, hielt er in einem Grundsatzurteil zu Dänemark fest. Der Bundesrat hat kürzlich vorgeschlagen, die Wartefrist auf zwei Jahre zu reduzieren. Allerdings haben Länder wie Dänemark und Schweden den Familiennachzug eingeschränkt. Ein gewisser Spielraum besteht also.
Abschreckungspotenzial: Gering. Bereits heute bestehen hohe Hürden für den Familiennachzug. Unter anderem darf die Familie nicht auf Sozialhilfe angewiesen sein. Das zeigt sich auch in der Statistik: Zuletzt stellten im Durchschnitt pro Jahr 333 Personen mit vorläufiger Aufnahme ein Gesuch um Familiennachzug, bei 126 davon wurde es gutgeheissen.
Die SVP verlangt, dass an der Landesgrenze Transitzonen errichtet werden, in denen sämtliche Asylgesuche gestellt werden. Die Asylsuchenden würden sich während der Dauer des Verfahrens in diesen Zonen aufhalten. Die SVP sieht sich bei dieser Forderung durch den neuen Migrations- und Asylpaket der EU bestätigt, dessen Kernbestandteil neue, schnellere Asylverfahren an den EU-Aussengrenzen sind.
Der Bundesrat lehnt auch diesen Vorstoss der SVP ab. Er sieht darin einen «unverhältnismässigen Eingriff in die persönliche Freiheit». Zudem würden dadurch die Grenzkantone übermässig belastet.
Durchführbarkeit: Die Transitzonen müssten laut Bundesrat mit grossem Aufwand gesichert werden und dauerhaft Grenzkontrollen eingeführt werden. Auch bräuchte es zusätzliche Unterkünfte in diesen Zonen, die wohl für teures Geld erstellt werden müssten. Alles in allem ist das kaum praktikabel.
Abschreckungspotenzial: In der Theorie vorhanden, sofern die Grenzen streng kontrolliert würden. Nur ist eine Umsetzung kaum denkbar.
Zur Debatte stehen in dieser Session verschiedene Vorstösse zum Schutzstatus S. Die SVP will diesen stark einschränken, etwa auf gewisse Regionen der Ukraine. Mitte-Nationalrat Paganini fordert Anpassungen, um Missbräuche zu verhindern.
Durchführbarkeit: Die Schweiz orientierte sich beim Status S bisher stark an der EU. «Es ist in unserem Interesse, wenn wir uns mit der EU koordinieren», sagte Bundesrat Jans im Juni. Mit einem Alleingang dürfte sich die Schweiz in Europa keine Freunde machen. Angesichts des dynamischen Kriegsgeschehens wäre es auch kaum möglich, sichere Regionen in der Ukraine zu definieren.
Abschreckungspotenzial: Wohl gering. Derzeit kommen weniger Schutzsuchende aus der Ukraine als prognostiziert, wie das Staatssekretariat für Migration kürzlich mitteilte. Von Januar bis Juli waren es 9904 Personen. Gut 4800 Gesuche wurden in dieser Zeit gutgeheissen, 3500 abgelehnt oder abgeschrieben. In rund 26'700 Fällen wurde der Status S bisher beendet. (aargauerzeitung.ch)
Verwehrt euch NICHT gegen sämtliche Vorschläge!
Der Wind hat gedreht und das ist gut so. Auch bei uns in der Schweiz regnet es nicht einfach Manna vom Himmel.
Wenn die Linken nun in Fundamentaloppisition gehen, wird sich einzig die SVP bei den nächsten Wahlen freuen.
Siehe sämtliche umliegenden Länder. Dänemark sollte Vorbild sein. Sozial, progressiv aber beim Thema Asyl restriktiv. Somit können sie soziale Anliegen weiter umsetzen. Sonst sind sie weg vom Fenster. Leider traue ich soviel Weitsicht unserer SP nicht zu.