Wenn SVP-Vordenker Christoph Blocher selber an einer Pressekonferenz erscheint, dann ist es meist wichtig. Auch heute. Zusammen mit drei Parteikollegen präsentiert er am Vormittag in Bern den Stand der Arbeiten zur Initiative «Schweizer Recht geht fremdem Recht vor». Der Verfassungsartikel ist ausformuliert, die SVP könnte ihn wohl schon morgen bei der Bundeskanzlei zur Vorprüfung einreichen.
Trotzdem wünschen sich nicht alle Vertreter der wählerstärksten Partei eine schnelle Lancierung von Blochers Initiative. Denn dann müsste die SVP ihr Projekt für eine neue Asylinitiative vermutlich zurückstellen, wie Fraktionschef Adrian Amstutz am Wochenende andeutete. «Alles zusammen ist nicht zu stemmen», sagte er. Das angekündigte Volksbegehren sorgte in den letzten zwei Wochen aufgrund seiner Radikalität für Schlagzeilen. Im Fall einer Annahme durch das Stimmvolk dürften Flüchtlinge nur noch auf dem Flugweg in die Schweiz einreisen.
Einer, der den Lancierungstermin von Blochers Initiative zugunsten der kontroversen Asylinitiative aufschieben möchte, ist Nationalrat Heinz Brand, ehemaliger Chef der Bündner Migrationsbehörden. Er äussert sich erstaunlich skeptisch gegenüber Christoph Blochers Vorhaben: «Die Arbeiten an der Initiative Landes- vor Völkerrecht sind zwar weiter fortgeschritten. Die Asylinitiative ist aber politisch eindeutig brisanter. Der Handlungsbedarf ist gegenüber der Bevölkerung einfacher zu belegen als im Bereich des Völkerrechts.» Sie sei auch im Hinblick auf die Parlamentswahlen im Herbst 2015 ein geeignetes Mobilisierungsinstrument, so Brand. Allzu viel zeitlichen Spielraum sieht er nicht: «Wann die Initiative kommt, kann ich nicht sagen. Wenn wir sie lancieren, dann spätestens vor den nächsten Wahlen.»
Welches Initiativprojekt den Vorzug bekommt, entscheidet formell die Delegiertenversammlung der SVP Schweiz. Mindestens so wichtig dürfte aber der Vorentscheid in der Parteileitung sein, wo Brand im Gegensatz zu Blocher nicht vertreten ist. Der Bündner gibt sich kämpferisch: «Ich versuche, meinen Einfluss geltend zu machen und inhaltlich einen guten Beitrag zu leisten.»
Christoph Blocher machte seine Pläne für eine Initiative zur Stärkung des Landesrechts gegenüber dem internationalen Recht vor exakt einem Jahr publik. Damals kritisierte er, das Schweizervolk könne nicht mehr souverän über Recht und Unrecht bestimmen, weil das Völkerrecht zunehmend über die Verfassung gestellt werde. In Zukunft solle nur noch das zwingende Völkerrecht – etwa das Verbot von Folter und Sklaverei – über der Verfassung stehen und somit die einzige inhaltliche Schranke für Verfassungsänderungen darstellen. Den Anstoss zur SVP-Offensive gab unter anderem ein Urteil des Bundesgerichts im Oktober 2012: Die Richter kamen damals zum Schluss, dass die Ausschaffungsinitiative der SVP aufgrund der europäischen Menschenrechtskonvention nicht direkt anwendbar sei.