Laura Dodsworth setzt auf «Bare Reality»: Die Britin hat 100 Frauen getroffen, ihre Brüste fotografiert und ihnen zugehört. Sie will aufzeigen, wie sehr Medien und Marketing unsere Wahrnehmung des Busens beeinflusst haben – und zeigt deshalb blanke Realität.
Die Modelle von Fotografin Laura Dodsworth könnten unterschiedlicher nicht sein. Die Damen, die die Britin fotografiert, sind zwischen 19 und 101 Jahre alt und haben BH-Körbchengrössen zwischen AAA und K. Das ist wichtig, denn Busen steht bei Dodsworth im Fokus: In ihrem Projekt «Bare Reality» präsentiert sie 100 Frauen, ihre Brüste und ihre Geschichte.
Auf der Fundraising-Site Kickstarter sammelt Dodsworth Geld, um «Bare Reality» als Buch herausgeben zu können. Seit zwei Jahren interviewt Dodsworth anonym Frauen und macht Aufnahmen ihrer Oberkörper – von Stripperinnen über Karrierefrauen bis hin zur buddhistischen Nonne oder einer Priesterin ist alles dabei. Auch Frauen, die Brustkrebs überlebt haben.
Damit dürfte auch klar sein, dass es hier nicht um Pornographie geht. Im Gegenteil: Das schockierende an Dodsworths Arbeit sei, dass sie uns bewusst macht, dass «Bilder von unretuschierten, unförmigen Brüsten so rar» sind, schreibt der Guardian. Und tatsächlich: Die Auswahl kleiner, grosser, hängender oder unförmiger Busen fällt aus der Rolle, weil wir Zuschauer uns schon so an das gewöhnt haben, was uns die Medien und die Werbung vorsetzen.
«Wir sehen überall Fotos von Brüsten, aber sie sind irreal», erläuterte Dodsworth ihr Projekt. «Sie führen zu unvorteilhaften Vergleichen, aber auch zu einem unerreichbaren Ideal. Ich wollte Frauen durch ehrliche Fotografie wieder menschlicher machen.»
«Der Gegensatz zwischen dem Leben der Frauen und ihrer Darstellung in den Medien hat mich schon immer fasziniert.»
Auch Themen wie Körpergefühl, das Altern oder Partnerschaften kommen bei «Bare Reality» auf den Tisch. Heraus kommt dadurch ein ehrliches Menü, an dem jeder zu kauen hat, dessen Geschmacksnerven durch den Mainstream schon völlig versaut sind.
«Ich mag meine Brüste. Sie sind ziemlich gross, aber nicht so schlaff. Es ist nicht das beste Paar, das ich je gesehen habe, aber auch nicht das schlechteste. Mein Vater ist Türke und Muslim, meine Mutter jüdisch. Ich bin Atheistin, habe aber diese verrückte ethische Mischung. Wenn ich bei meinen muslimischen Grosseltern bin, überlege ich mir genau, was ich anziehe.»
Eine 21-Jährige ohne Kinder, das ganze Interview im Guardian
«Vor meiner Brustverkleinerung habe ich eine Mischung aus Ekel und Scham empfunden. Ich hatte viele physische Probleme, die der Hauptgrund für die Verkleinerung waren. Am Ende entnahmen sie meinen Brüsten zwei Kilo Fett. Ich fühle mich jetzt viel besser mit ihnen.»
«Meine Brüste sind kleiner als noch vor ein paar Monaten. Als meine Tochter ein Jahr alt wurde, habe ich mit dem Stillen aufgehört. Ich bin darüber nicht traurig, aber die Kleidung hat sich verändert. Sachen, die vorher nett aussahen, hängen jetzt herunter. [...] Als Priesterin [...] fühle ich mich völlig wohl mit dem Stillen in der Kirche und ich ermuntere Frauen, das zu tun.»
«Ich schwärme für meine Brüste. Ich denke, sie sind fantastisch. Ich habe ein grossartiges Paar Melonen! Ich mag, dass sie frech sind und dass eine grösser als die andere ist. Letztes Wochenende stellte ich vor dem Spiegel mit Schrecken fest, dass sie anfangen leicht durchzuhängen. Ich frage mich, ob es daran liegt, dass ich Gewicht verloren habe oder ob es einfach altersbedingt ist? Jetzt berühren sie meinen Bauch und ich mag das Gefühl nicht.»
«Meine Tochter wurde eine Woche vor Hitlers Einmarsch geboren, und die Milch blieb aus. Es war der Schock. Wir waren jüdisch. Ich wollte sie stillen, aber schlussendlich wuchs sie auch ohne das gut auf. [...] Mit 52 Jahren hatte ich einen Knoten in der Brust. [...] Ich sagte zu meinem Mann: Hättest du ein Problem damit, eine Frau mit nur einer Brust zu haben? Er sagte: Hättest du ein Problem, wenn ich ein Bein verliere? Ich sagte: Natürlich nicht! Na also. Wir haben über alles geredet und darum hatten wir 52 glückliche Jahre.»
Unter den 100 Frauen, die für «Bare Reality» ihre Bluse wie ihre Herzen öffnen, ist auch die Fotografin selbst. Laura Dodsworth ist die Einzige, die nicht anonym ist. «Ein Freund sagte mir, ich könne das nicht tun, weil die Geschäftspartner meines Mannes es sehen würden», erinnert sie sich. Ein anderer Kerl fragte, wie ihre beiden Söhne das fänden. «Aber bei beiden ging es um die Männer in meinem Leben – und ich dachte, dass das nicht Grund genug sei, um mich als Künstlerin, Frau und Feministin zu stoppen.»
Dass noch viel zu tun ist, bis das Bild weiblicher Sexualität wieder gerade gerückt ist, zeigt die Reaktion von Dodsworths Ehemann auf die Fotos. Seine ersten Worte waren: «Aber die sehen ja gar nicht aus wie in den Magazinen!»
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