Schweiz

Polizistin in Winterthur überfahren: «Er wollte nur noch weg»

«Er wollte nur noch weg» – Prozess im Fall der überfahrenen Polizistin beendet

02.02.2022, 14:1002.02.2022, 14:10
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Der 22-Jährige, der 2019 in Winterthur eine Polizistin angefahren und lebensgefährlich verletzte, leidet an schwerer Schizophrenie. Fraglich ist nun, wo er seine nächsten Jahre verbringen soll. Das Bezirksgericht Winterthur eröffnet das Urteil am 8. März.

Er bereue, was er angerichtet habe und bitte alle um Verzeihung, sagte der junge Schweizer kurz vor Prozessende am Mittwoch. Viel hatte er während der zweitägigen Verhandlung nicht geredet, und wenn, wirkten seine Worte monoton und schleppend.

Die Schizophrenie und die Medikamente, die er nun regelmässig dagegen nehme, würden ihm verunmöglichen, Anteilnahme zu zeigen, sagte seine Anwältin. Er sei aber durchaus tief betroffen und habe immer wieder gefragt, wie es der verletzten Polizistin gehe.

Die Anwältin beantragte wegen fahrlässiger Körperverletzung und weiterer Delikte eine Freiheitsstrafe von vier Jahren, die zugunsten einer Massnahme für junge Erwachsene aufgeschoben werden soll.

Bezirksgericht in Winterthur am Donnerstag, 23. November 2017. Vor dem Richter steht ein aethiopischer Imam, der im Oktober 2016 in einer Predigt in der An'Nur-Moschee in Winterthur oeffentlich z ...
Bezirksgericht Winterthur, hier wird verhandelt.Bild: KEYSTONE

Schizophrenie möglicherweise wegen Cannabis

Eine solche Massnahme dauert maximal vier Jahre, wobei die Insassen eine Lehre absolvieren können – dann würde der junge Mann in Freiheit entlassen. Er habe die Kantonspolizistin nicht absichtlich überfahren, betonte die Anwältin. «Er bekam Angst und Panik, als ihn zivile Polizisten mit der Waffe bedrohten. Er wollte nur noch weg.» Er habe die Frau erst gesehen, als es zu spät gewesen sei.

Nach Ansicht der Staatsanwältin käme der Beschuldigte mit einer Massnahme für junge Erwachsene jedoch viel zu billig weg. «Nach vier Jahren käme ein nicht therapierter, möglicherweise gefährlicher Straftäter wieder in die Freiheit.» Das sei keine Lösung, weder für ihn noch für die Gesellschaft.

Am Dienstag, dem ersten Prozesstag, hatte sie wegen versuchten Mordes eine Freiheitsstrafe von 12 Jahren gefordert. Statt ins Gefängnis solle der Beschuldigte aber in eine stationäre Massnahme nach Artikel 59 des Strafgesetzbuches eingeliefert werden, umgangssprachlich auch «kleine Verwahrung» genannt.

Dort könne seine Schizophrenie therapiert werden. Absolvieren könnte er die «kleine Verwahrung» in der Klinik Rheinau, in der er bereits heute behandelt wird.

Ausgelöst wurde seine Schizophrenie möglicherweise durch massiven Cannabis-Konsum, dazu kamen LSD und Kokain. Gemäss Gutachter hat sich die Krankheit aber irgendwann verselbständigt, unabhängig vom Ausmass des Drogenkonsums. Eine IV-Berentung sei «mittel- und langfristig realistisch, so frustrierend das klinge».

Polizistin mehrere Meter durch die Luft geschleudert

Am 13. Oktober 2019 brach der Beschuldigte bei Winterthur in eine Garage ein und stahl einen BMW 750, in dem er dann auch schlief. Am Tag darauf raste er mit gestohlenen Nummernschildern und mit bis zu 260 km/h bis fast nach Chur und fuhr dann nach Winterthur zurück.

Dort erwartete ihn die Polizei bereits mit einer Strassensperre. Als er merkte, dass mehrere Polizistinnen und Polizisten ihre Waffen auf ihn richteten, lenkte er den Wagen aufs Trottoir, beschleunigte auf 40 oder 50 km/h und fuhr mit voller Wucht in die Polizistin.

Die damals 39-Jährige wurde mehrere Meter durch die Luft geschleudert, prallte auf dem Asphalt auf und wurde lebensgefährlich verletzt. Unter anderem erlitt sie einen Lungenkollaps und eine Verletzung der Halsschlagader mit Embolien. Noch heute leidet sie unter den Folgen des Aufpralls.

Sie arbeitet zwar wieder bei der Polizei, allerdings nur im Innendienst. Eine zweite Polizistin konnte sich mit einem Sprung in die Wiese im letzten Moment retten. Das Winterthurer Bezirksgericht wird das Urteil am 8. März eröffnen.

(yam/sda)

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