In der Schweiz könnten bald Züge ohne Fahrer oder Fahrerin durchs Land rattern. Was in Frankreich schon fleissig getestet wird, beginnt in der Schweiz auch langsam Fuss zu fassen.
Züge ohne Pilotinnen oder Piloten an Bord sind ferngesteuert und mit Sensoren ausgestattet. Diese können sowohl Schilder als auch ihre Route «lesen». Ein System, das bei mehreren Betreibern in der Schweiz Anklang findet.
Die Schweizerische Südostbahn (SOB) hat bereits 2017 ein Finanzierungsgesuch für einen Pilotversuch beim Bundesamt für Verkehr (BAV) eingereicht. Das BAV hat dieses angenommen – allerdings unter einer Bedingung, wie Sprecher Andreas Windlinger sagt:
Man wolle verhindern, dass solche Testprojekte im Alleingang durchgeführt würden. Der VöV ist am Ende auch dafür verantwortlich, das europäische Eisenbahnverkehrsmanagmentsystem ERTMS zu implementieren.
Die Schweizerische Südostbahn steckt mittlerweile in der Testphase. Das Projekt zum automatischen Fahrbetrieb (Automatic Train Operation – ATO) wird auf einem 20 Kilometer langen Abschnitt im St.Galler Toggenburg eingesetzt. Allerdings ist das Personal im Zug noch weiterhin anwesend.
Die SOB erklärt auf ihrer Website:
Wie das automatisierte Zugfahren funktioniert, erklären sie in diesem Film:
In der Planungsphase befinden sich die öffentlichen Verkehrsbetriebe von Lausanne (TL) und Neuchâtel (TransN). Auch die Firma Appenzeller Bahnen (AB) liebäugelt mit einem vollautomatischen Wagen. Dieser soll auf der Zahnradbahn eingesetzt werden, welche Rheineck im Kanton St.Gallen mit Walzenhausen im Kanton Appenzell Ausserrhoden verbindet.
Der Regionalverkehr Bern-Solothurn (RBS) möchte seine Züge im Bahnhof Bätterkinden selbstständig rangieren lassen. An dieser Stelle kehren einige Züge um und das Risiko sei nicht sehr hoch, erklärt der verantwortliche technische Leiter André Schweizer. 2023 sollen die ersten Tests noch mit Personal, 2024 dann erstmals ohne Personal durchgeführt werden. Vorausgesetzt, das BAV erlaube dies, so Schweizer weiter.
Mit allen gesammelten Erkenntnissen soll es dem BAV schlussendlich möglich sein, einen rechtlichen, sicherheitstechnischen und technischen Rahmen festzulegen, in dem Züge ohne Lokführer verkehren dürfen.
In Frankreich ist dieser Prozess schon etwas weiter fortgeschritten. Die staatliche Eisenbahngesellschaft (SCNF) hat in der Region Hauts-de-France bereits einige Tests durchgeführt. Im Rahmen der Tests arbeitet sie auch mit einigen Zugherstellern, darunter Alstom, zusammen. Die Tests haben sich bisher um die Signalerkennung, Geolokalisierung und teilautonome Steuerung gedreht. Stéphane Feray Beaumont, der Vizepräsident von Alstom, ist mit den bisherigen Resultaten zufrieden, wie Le Temps berichtet:
Ziel sei es, bis 2027–2028 auf alle denkbaren Situationen reagieren zu können.
Das autonome Zugfahren birgt grosses logistisches Potenzial, schwärmt Markus Scheidegger, der bei Siemens Mobility für die Thematik verantwortlich ist. Energie und Bremsen würden ökonomischer eingesetzt, das Netz sei stabiler und die Pünktlichkeit höher. Hubert Giger, der Präsident der Gewerkschaft der Lokomotivführer, blickt dieser ganzen Entwicklung allerdings mit weniger Optimismus entgegen. Die Kosten-Nutzen-Analyse spricht seiner Meinung nach gegen das autonome Zugfahren. Er befürchtet höhere Sicherheitsrisiken und bezweifelt, dass der Personalbedarf tatsächlich verringert werde.
Ob das tatsächlich so ist, wird sich zeigen – noch stehen die Erkenntnisse der laufenden Pilotprojekte aus. (saw)