Die Polizei kam gerade noch rechtzeitig. Sie konnte den Standort der gefährdeten Person dank Signalen des Handys eruieren und einen Suizid verhindern. Beim beschriebenen Fall handelt es sich um eine sogenannte Notsuche. Sie kann gemäss dem Gesetz zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs dann veranlasst werden, wenn jemand vermisst wird und es begründete Anhaltspunkte gibt, dass Gesundheit und Leben schwer gefährdet sind.
«Notsuchen sind in diesem Rahmen von allergrösster Wichtigkeit», sagt Jean-Louis Biberstein, stellvertretender Leiter des Dienstes Überwachung Post- und Fernmeldeverkehr. Der Dienst ÜPF untersteht dem Justizdepartement und hat unter anderem den Auftrag, sicherzustellen, dass der Staat nicht missbräuchlich Smartphones ausspioniert. Das ist nur zur Verfolgung von schweren Straftaten zugelassen.
Ausserhalb des Strafrechts kann die Polizei bei Notsuchen auf dieses Mittel setzen - falls sich die vermisste Person mit anderen Massnahmen kaum lokalisieren lässt. Es geht etwa um Wanderer, die sich verirrt haben oder irgendwo abgestürzt sind, oder um Kinder, die mutmasslich entführt wurden. Die Zahl der Notsuchen hat im letzten Jahr mit 912 einen neuen Höchststand erreicht. Noch 2012 ordnete die Polizei weniger als die Hälfte an (412). Aus seiner Erfahrung weiss Jean-Louis Biberstein, dass Notsuchen in den meisten Fällen wegen Suizidgefährdung lanciert werden. Auch die Zunahme dürfte auf diesen Grund zurückzuführen sein.
Die Polizeien führen zwar keine Statistik über die Gründe für Notsuchen. Einige Korps bestätigen aber Bibersteins Beobachtung, zum Beispiel die Luzerner Polizei. Sprecher Urs Wigger ergänzt, Notsuchen seien neben anderen Massnahmen ein wichtiges Mittel, das die Polizei bei vermissten oder suizidgefährdeten Personen einsetze.
Die Kantonspolizei Aargau teilt mit, etwa zwei Drittel der Notsuchen würden wegen Suizidgefahr durchgeführt. Wenn eine Notsuche eingeleitet werde, stünden üblicherweise parallel bereits andere Mittel im Einsatz wie Helikopter, Drohnen, Personensuchhunde oder Suchtrupps. «Abklärungen zur aktuellen Situation oder zum Umfeld der vermissten Person liefern ebenfalls wichtige Erkenntnisse, welche zum Auffinden der Person führen können», erklärt Sprecher Daniel Wächter.
Wie viele Leben dank der modernen Überwachungstechnologie gerettet werden, ist nicht bekannt. Statistiken fehlen. Wächter sagt aber, die Kantonspolizei Aargau finde erfahrungsgemäss mehr als die Hälfte der vermissten Personen lebend auf.
Die wachsende Bedeutung von Notsuchen bei Suizidgefährdung bedeutet erfreulicherweise nicht, dass die Zahl der Suizide im langjährigen Vergleich steigt. Im Jahr 2020 (972) sank sie in der Schweiz sogar erstmals seit 1964 auf unter 1000. Im Jahr darauf hingegen stieg sie wieder auf 1005.
Neue Höchstwerte haben in den letzten Jahren und vor allem seit der Coronapandemie hingegen die Telefonberatungen wegen Suizidalität erreicht. Die Dargebotene Hand (143) führt mittlerweile täglich 18 Beratungen durch, etwa 10 mehr als 2019. Bei Pro Juventute hat sich die Zahl der Beratungen im gleichen Zeitraum auf etwa 7 bis 8 pro Tag verdoppelt.
Für diese Entwicklung gibt es mehrere Erklärungen. Einerseits sehen sich die Menschen mit sich überlagernden Krisen wie Corona, Ukraine-Krieg oder Klima konfrontiert; das kann auf die Psyche schlagen. Andererseits haben die Notfallnummern gemäss Umfragen deutlich an Bekanntheit gewonnen.
Zugenommen hat auch die Zahl (2022: 161; 2019: 57) der Kriseninterventionen, die Pro Juventute auslöste, von 57 im Jahr 2019 auf 161 im letzten Jahr. Krisenintervention bedeutet, dass Pro Juventute die Polizei oder Sanität aufbietet, damit diese Jugendliche mit Suizidabsicht aufsuchen. Die Berater warten am Telefon, bis die Rettungskräfte bei den Betroffenen eintreffen. Der gestiegene Aufwand treibt Pro Juventute an seine Grenzen. Die Stiftung fordert von der öffentlichen Hand mehr finanzielle Stützung. (aargauerzeitung.ch)
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Da kann man nur psychisch krank werden…