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Täterwissen im Fall Rupperswil ausgeplaudert? Polizei-Offizier angeklagt

Täterwissen im Fall Rupperswil ausgeplaudert? Polizei-Offizier angeklagt

Die Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau hat gegen einen Polizeioffizier der Kantonspolizei Aargau Anklage erhoben. Im Zusammenhang mit den Tötungsdelikten von Rupperswil wirft sie dem Dienstchef Forensik im Aargau vor, Täterwissen ausgeplaudert zu haben.
10.08.2020, 11:41
Noemi Lea Landolt / ch media
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ZUM PROZESSBEGINN DES VIERFACHMORDES IN RUPPERSWIL STELLEN WIR IHNEN AM DONNERSTAG, 8. MAERZ 2018, FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG - Polizisten unterwegs auf der Lenzhardstrasse in Rupperswil AG ...
Bild: KEYSTONE

Die Staatsanwaltschaft wirft dem beschuldigten Polizeioffizier vor, zwei Personen aus seinem familiären Umfeld geheime Ermittlungserkenntnisse weitergegeben zu haben. Wie der Kanton mitteilt, soll der Beschuldigte versucht haben, eine Person bei einer allfälligen Befragung durch die Polizei oder die Staatsanwaltschaft zu einer für ihn entlastenden Aussage zu bewegen. Die Staatsanwaltschaft beantragt eine bedingte Geldstrafe von 270 Tagessätzen und eine Busse von 5000 Franken. Die Verhandlung findet am 31. August am Bezirksgericht Baden statt.

Rückblende: Am 21. Dezember 2015 hat Thomas N. in Rupperswil vier Menschen grausam getötet. Lange wusste die Öffentlichkeit nicht, was genau sich an diesem Vormittag im Einfamilienhaus abgespielt hatte. Wie üblich in solchen Fällen, informiert die Staatsanwaltschaft zurückhaltend. Details, die nur der Täter wissen kann, sollen geheim bleiben.

Doch im Laufe der Ermittlungen erwähnten Personen plötzlich, sie hätten gehört, dass den Opfern die Kehlen durchgeschnitten worden seien. Diese Information hätten sie von Stephan (Name geändert). Die Staatsanwaltschaft befragt Stephan. Er sagt, er habe die Information von seiner Schwiegermutter oder seiner Ehefrau, er wisse es nicht mehr genau.

Die Chronologie des Vierfachmords von Rupperswil

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Die Chronologie des Vierfachmords von Rupperswil
21. Dezember 2015: Kurz vor Mittag wird die Feuerwehr zu einem Brand in einem Einfamilienhaus in Rupperswil gerufen. Im Innern des Hauses finden die Feuerwehrleute vier Leichen. Es stellt sich heraus, dass die Opfer Stich- und Schnittverletzungen aufweisen. Der Brand wurde absichtlich gelegt. Die Polizei geht von einem Tötungsdelikt aus.


quelle: keystone / patrick b. kraemer
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Pikant: Die Schwiegermutter ist die Lebenspartnerin des Dienstchefs Forensik der Kantonspolizei Aargau. Stephan vermutet, dass seine Schwiegermutter die Information von ihrem Partner habe.

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Mit seiner Aussage belastet Stephan den Polizei-Offizier. Hat er Täterwissen ausgeplaudert? Die Staatsanwaltschaft eröffnet gegen den Polizisten ein Verfahren wegen Amtsgeheimnisverletzung. Die Ermittler befragen aber auch die Lebenspartnerin des Polizisten. Sie wollen wissen, ob sie erzählt habe, dass den Opfern die Kehlen durchgeschnitten worden seien.

ARCHIV - ZUM JAHRESTAG DES TOETUNGSDELIKTS IN RUPPERSWIL STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES BILDMATERIAL ZUR VERFUEGUNG - Kerzen an der Lenzhardstrasse in Rupperswil in Rupperswil AG, aufgenommen am Donnerst ...
Bild: KEYSTONE

Diese sagt, sie habe das nicht weitererzählt, da sie das gar nicht gewusst habe. Ihre Tochter, Stephans Ehefrau, sagt das Gleiche. Deshalb eröffnet die Staatsanwaltschaft ein Verfahren gegen Stephan. Sie wirft ihm vor, eine falsche Zeugenaussage gemacht zu haben. Das Verfahren gegen den Polizei-Offizier wird sistiert.

Spaziergang mit dem Polizisten

Im Jahr 2018 kam es vor dem Bezirksgericht Lenzburg zum Prozess. Stephan führte damals aus, er sei sich zu 100 Prozent sicher, dass er die Information von seiner Schwiegermutter oder seiner Frau gehabt habe. Eine andere Quelle als den Polizei-Offizier könne er ausschliessen.

Stephans Sohn, der als Zeuge vor Gericht aussagte, belastete den Offizier sogar zusätzlich. Dieser habe ihm auf einem Spaziergang geraten, bei der Einvernahme möglichst vage zu bleiben. Stephans Sohn sagte vor Gericht, er habe erst später begriffen, dass es dem Polizisten nur darum gegangen sei, seine eigene Haut zu retten.

Gerichtspräsident Daniel Aeschbach sprach Stephan schliesslich nach dem Grundsatz «in dubio pro reo» frei. Seine Aussagen seien glaubhaft. Inzwischen ist der Freispruch rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft hat das erstinstanzliche Urteil nicht weitergezogen.

Dieser Freispruch von Stephan hatte auch Auswirkungen auf die Ermittlungen gegen den Polizei-Offizier. Das ursprünglich sistierte Verfahren wurde bereits 2019 wieder aufgenommen und die Staatsanwaltschaft erhob Anklage. Nun findet Ende August die Verhandlung im Bezirksgericht Baden statt.

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Gerichtsverhandlung Vierfachmord Rupperswil
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Gerichtsverhandlung Vierfachmord Rupperswil
Geleitet wird die Verhandlung, die volle vier Tage von Dienstag bis Freitag dauern soll, vom Bezirksgerichtspräsidenten Daniel Aeschbach. (Bild: HO)
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14 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Der Buchstabe I (Zusammenhang wie Duschvorhang)
10.08.2020 13:10registriert Januar 2020
Sollte nicht passieren, aber dass man zur psychischen Entlastung mit jemandem über seine Arbeit spricht, finde ich persönlich nur menschlich. Vor allem, wenn es um einen solch grausamen Mord geht.
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John Henry Eden
10.08.2020 12:20registriert Januar 2014
In Sachen Grausamkeit spielt dieses Verbrechen in der höchsten Liga. Alle ermordet, den Jungen zuvor noch geschändet, danach auf mitfühlend gemacht und die nächste Tat schon geplant. Der Täter verkörpert das absolute Böse.

Man kann nicht erwarten, dass Polizisten (die auch nur Menschen sind) in diesem Fall völlig distanziert bleiben.
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kaderschaufel
10.08.2020 14:02registriert Juni 2015
Aber dieses Beispiel zeigt grad schön, warum man eben niemandem etwas erzählen soll, auch nicht der Ehefrau. Es ist halt schnell mal etwas weitergesagt, und dem nächsten, der es erfährt, ist halt vielleicht nicht so bewusst, dass das vertrauliche Information ist (Stephan scheint es mehreren Leuten weitergesagt zu haben). Und dann erfahren es Leute, die offenbar zumindest entfernt etwas mit dem Fall zu tun haben (sie wurden ja immerhin von der Polizei befragt).
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