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Entweder Psychiatrie oder freilassen: Warum der flüchtige Mörder von Boi nicht im Gefängnis sass

Entweder Psychiatrie oder freilassen: Warum der flüchtige Mörder von Boi nicht im Gefängnis sass

30.05.2016, 16:0730.05.2016, 16:27
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Auf der Flucht: Bois Mörder.
Auf der Flucht: Bois Mörder.

Ein 22-jähriger Mörder, der in der Nacht auf Samstag aus der psychiatrischen Klinik Königsfelden in Windisch AG ausgebrochen ist, befindet sich noch immer auf der Flucht. Die Fahndung nach dem 22-jähriger Schweizer dauerte am Montag an. Der Kanton Aargau rechtfertigte die Unterbringung in der Klinik.

Die Fahndung dauere an, sagte Bernhard Graser, Mediensprecher der Aargauer Kantonspolizei, am Montagnachmittag auf Anfrage. Die weiteren Ermittlungsschritte würden nicht kommentiert. Am Wochenende hatte die Polizei in der näheren Umgebung der Klinik nach dem Entwichenen und an möglichen Aufenthaltsorten von Bezugspersonen gefahndet.

Psychiatrische Klinik Königsfelden.
Psychiatrische Klinik Königsfelden.
Bild: wikimediacommons

Das kantonale Departement Volkswirtschaft und Inneres (DVI) rechtfertigte, dass der Mann in der geschlossenen forensischen Station der psychiatrischen Klinik untergebracht war. Es gebe keine Spezialplätze für solche Sonderfälle, sagte DVI-Generalsekretär Hans Peter Fricker am Montag im «Regionaljournal Aargau/Solothurn» von Radio SRF.

Die Alternative zur Klinik wäre die Freilassung des Täters gewesen, hielt Fricker fest. Dieser hatte die Freiheitsstrafe wegen Mordes von vier Jahren, die Maximalstrafe gemäss Jugendrecht, abgesessen. Der Aargauer war zur Tatzeit 2009 erst 16 Jahre alt gewesen.

Boi, das Opfer.
Boi, das Opfer.

Er war in der Nacht auf Samstag aus der geschlossenen forensischen Station der psychiatrischen Klinik Königsfelden ausgebrochen. Die erste von drei solcher Stationen war 2010 eröffnet worden.

Kein Hochsicherheitstrakt der Klinik

Die forensische Station ist gemäss den Psychiatrischen Diensten Aargau (PDAG) keine Verwahrungsstation und auch kein Hochsicherheitstrakt für gefährliche Personen. Es handle sich nicht um Gefängniszellen.

Gemäss PDAG ist eine Flucht ohne Gewaltanwendung und ohne Hilfe oder Hilfsmittel jedoch nur schwer möglich. In der gesicherten Abteilung gebe es zum Beispiel ein Doppelschleusensystem.

Nach einem Rechtsstreit bis vor das Bundesgericht war das Aargauer Verwaltungsgericht im Februar zum Schluss gekommen, dass der Mann bis auf weiteres in der fürsorgerischen Unterbringung bleibt. Die Voraussetzungen für diese Art der Unterbringung seien nach wie vor erfüllt.

Es stützte sich dabei massgeblich auf ein aktuelles Gutachten der Universitären Psychiatrischen Kliniken Basel. Der Mann leidet gemäss Gutachten an einer schweren psychischen Störung, die mittels intensiver, langfristiger Psychotherapie zu behandeln ist.

Der Aargauer hatte 2009 als Minderjähriger in Sessa TI eine 17-jährige Vietnamesin mit einem Holzscheit erschlagen. Das Jugendgericht Baden verurteilte ihn 2013 wegen Mordes zur Höchststrafe im Jugendrecht. Er wurde zu einem Freiheitsentzug von vier Jahren und zu einer geschlossenen Unterbringung verurteilt.

Weil die jugendstrafrechtlichen Massnahmen bis zum Erreichen des 22. Altersjahres befristet sind, wurde der Mann im Frühling 2015 auf Antrag der Jugendanwaltschaft fürsorgerisch untergebracht. Dagegen wehrte sich der Mörder auf dem Rechtsweg bis vor das Bundesgericht.

Junger Dirnen-Mörder sitzt in Lenzburg

Im Kanton Aargau beschäftigt ein zweiter, ähnlicher Fall wiederholt die Justizbehörden und Politik. Es geht um einen heute 26-jährigen Mann aus Rupperswil, der als Minderjähriger 2008 in Aarau eine Prostituierte ermordet hatte.

Das Jugendgericht Lenzburg verurteilte ihn 2011 wegen Mordes, sexueller Nötigung und Vergewaltigung zu einem Freiheitsentzug von vier Jahren. Es ordnete eine Behandlung der psychischen Störung an.

Seit der Verbüssung der Strafe ist der Prostituierten-Mörder in der Justizvollzugsanstalt Lenzburg fürsorgerisch untergebracht. Das ordneten die Behörden im Juni 2012 an. Das Bundesgericht lehnte es zuletzt im November 2015 ab, den jungen Mann freizulassen. Dieser sei gefährlich und müsse weiterhin therapiert werden.

Die frühere Wohngemeinde Rupperswil muss die Kosten von mehr als einer halben Million Franken für die fürsorgerische Unterbringung des Mannes bezahlen. Das entschied das kantonale Verwaltungsgericht. Die Gemeinde gab Mitte Mai bekannt, sie werde den Fall nicht weiterziehen.

Auch der Dirnenmörder war einmal ausgebrochen – allerdings noch vor seiner Verurteilung. Im Sommer 2008 hatte sich der damals 17-Jährige aus dem Jugendheim Aarburg durch eine enge Schiessscharte sieben Meter tief an einem Elektrokabel abgeseilt. Einen Tag nach der Flucht wurde er am Bahnhof Zürich festgenommen. (sda)

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