An einem Morgen im Juli 2018 besuchte die sechsjährige Larissa * gemeinsam mit ihrem Bruder Tim * das Nachbar-Ehepaar in einem Fricktaler Dorf. Die Kinder brachten Zwetschgen vorbei – und bekamen als Dank ein Eis. Soweit stimme der Sachverhalt, sagte der heute 71-jährige Hans * gestern vor dem Bezirksgericht Laufenburg.
Darüber, was bei der Verabschiedung von Larissa passierte, gingen die Versionen dann aber auseinander. Hans, der inzwischen auf einem Stuhl sass, habe ihr von unten in die kurze Jeanshose gegriffen und mit den Fingern auf der Unterhose im Bereich der Vagina kreisende Bewegungen gemacht, erzählte Larissa ihrer Mutter, als sie nach Hause kam.
Und sie wiederholte diese Schilderung in zwei Befragungen während des Verfahrens. «Klar und widerspruchsfrei», wie Staatsanwalt Roman Keller in seinem Plädoyer betonte. «Es gibt keine Gründe, den Schilderungen nicht zu glauben», so der Staatsanwalt weiter. Er warf dem Angeklagten vor, wissentlich und willentlich sexuelle Handlungen mit einem Kind vorgenommen zu haben.
Hans dagegen sagte, Larissa sei bei der Verabschiedung unvermittelt auf seinen Schoss gehüpft und er habe sie abgefangen, um einen Zusammenprall zu verhindern. Dass es dabei zu einer «dummen Berührung» gekommen sei, könne er nicht ausschliessen. Aber er sei die Szene vor seinem inneren Auge unzählige Male nochmals durchgegangen «und mir ist nicht bewusst, dass ich das Mädchen dort unten berührt habe».
Ob er eine Erklärung für die Anschuldigungen Larissas habe, fragte Gerichtspräsident und Einzelrichter Beat Ackle. Es müsse wohl zu einer Berührung gekommen sein, entgegnete Hans. Dass das Mädchen etwas gegen ihn gehabt habe, schliesst er aus. «Wir hatten ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis mit der Familie», betont er.
So unterschiedlich wie die Versionen des Geschehens waren auch die Anträge ans Gericht. Der Staatsanwalt beantragte wegen sexueller Handlungen mit einem Kind eine bedingte Freiheitsstrafe von acht Monaten und eine Busse von 3500 Franken. Er stützte sich dabei hauptsächlich auf Larissas Aussagen. «Aufgrund des kindlichen Alters vermag sie sich das nicht auszudenken.» Zudem habe sie, wie Hans selber gesagt habe, keinen Grund für eine Falschbeschuldigung.
Weiter habe man auf der Innenseite der Jeans eine männliche DNA-Spur gefunden, deren Profil jedoch nicht komplett erstellt und zugeordnet werden konnte. Die Glaubwürdigkeit von Larissas Aussage werde dadurch aber zumindest nicht geringer.
Hans’ Anwältin plädierte dagegen auf Freispruch. Es könne keine Rede davon sein, dass ihr Mandant wissentlich und willentlich sexuelle Handlungen an Larissa vorgenommen habe, betonte sie. Dies werde ihm «ohne jeden Beweis» vorgeworfen. Die DNA-Spur könne auch von anderen männlichen Personen, etwa dem Vater oder dem Bruder, stammen.
Beat Ackle räumte in der Urteilsbegründung zwar ein, dass diese «abstrakte Möglichkeit» bestehe. Es sei aber kein realer Hintergrund ersichtlich, weshalb es nicht für einen Freispruch im Zweifel für den Angeklagten reiche. Vielmehr seien die Aussagen des Mädchens glaubwürdig.
Er verurteilte Hans zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten bei einer Probezeit von zwei Jahren. Zudem muss er – wie von Larissas Familie gewünscht – anstelle einer Genugtuung 1500 Franken an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen.
*Namen geändert
Chabiszüüg
Das übliche Dilemma bei dieser Art von Vorwürfen/Vorfällen. Bin froh, dass ich bei diesem Entscheid nicht richten musste.
G.