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Célines Eltern geben den juristischen Kampf auf – nicht aber den politischen

Nadya und Candid Pfister vor einem Bild ihrer verstorbenen Tochter in ihrer Wohnung.
Nadya und Candid Pfister vor einem Bild ihrer verstorbenen Tochter in ihrer Wohnung.Bild: Sandra Ardizzone

Célines Eltern geben den juristischen Kampf auf – nicht aber den politischen

Das schriftliche Urteil im Cybermobbing-Fall liegt vor. Der juristische Kampf ist gescheitert, der politische beginnt.
01.06.2020, 09:1401.06.2020, 14:18
andreas maurer / schweiz am wochenende
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Céline Pfister aus Spreitenbach nahm sich mit 13 Jahren das Leben. Ohne Abschiedsbrief. Ihre Gründe erklärte sie nicht. Über Social-Media-Plattformen wie Snapchat hatten aber hunderte Jugendliche live mitverfolgt, was die Bezirksschülerin in den Monaten vor ihrem Tod erlebt hat: Eine Ex-Kollegin verbreitete ein intimes Foto von ihr und machte sich darüber lustig.

Für Céline war das doppelt schmerzhaft. Es war eine Blossstellung und ein Vertrauensbruch zugleich. Das Bild hatte sie nämlich ursprünglich an einen Jungen geschickt, in den sie verliebt war. Er wollte aber nur das eine: «Nudes», Nacktfotos. Falls sie nicht mitmache, werde er ältere Aufnahmen an seine eifersüchtige Ex-Freundin weiterleiten. Nach einem Streit setzte er die Drohung um.

Die Tragödie ereignete sich vor drei Jahren. Es war der erste öffentlich diskutierte Fall von Cybermobbing in der Schweiz, der auf diese Weise endete.

Die Strafe folgt drei Jahre nach der Tat

Für den Jungen hat die Tat erst jetzt eine Strafe zur Folge. Damals war er 14. Im Herbst wird er 18. Nun muss er eine persönliche Leistung erbringen. Dauer: vier Tage. Drei weitere Tage kämen hinzu, falls er innert sechs Monaten rückfällig würde. In der Regel handelt es sich um gemeinnützige Arbeitseinsätze. Die Jugendliche, die das Foto verbreitet hatte, musste bereits einige Tage Büroarbeit leisten.

Die Jugendanwaltschaft hatte aus dem Fall zwei separate Verfahren gemacht und mit Strafbefehlen abgeschlossen. Célines Eltern, Nadya und Candid Pfister, hatten für den Jungen eine härtere Bestrafung verlangt. Im Februar dieses Jahres kam es deshalb zur ersten Gerichtsverhandlung im Fall.

Jetzt liegt das schriftliche Urteil vor. Darin erklärt das Gericht, weshalb die Tat nur eine Nötigung, nicht aber eine sexuelle Nötigung darstellt. Die umstrittene Frage lautet: Ist die Aufnahme von erotischen Fotos eine sexuelle Handlung? Schon ein Zungenkuss zählt dazu. Im Online-Zeitalter können Bilder zwar mehr Wirkung haben als ein flüchtiger Kuss. Entscheidend ist aber, ob das Opfer zu einer körperlichen Handlung genötigt wurde. Das Gericht verneint dies. Der Junge habe Céline nicht aufgefordert, Bilder mit konkreten Posen oder sexuellen Handlungen zu senden.

Für die Bestrafung spielt diese juristische Unterscheidung keine grosse Rolle. Entscheidend ist sie aber für eine Zivilklage, also für die Forderung einer Genugtuung.

Célines Eltern sind enttäuscht und können den Entscheid nicht verstehen. Dennoch geben sie den juristischen Kampf auf. Für eine weitere Beschwerde fehlt ihnen das Geld. Die Erfolgsaussichten sind zudem gering. So tritt das Urteil nun in Rechtskraft. Nadya Pfister sagt: «Der Fall zeigt auf, dass das Gesetz nicht ausreicht. Jetzt können wir nur noch politisch etwas erreichen.»

Die Eltern fordern einen Straftatbestand gegen Cybermobbing wie in Österreich. Damit solle die Schweiz auf beunruhigende Zahlen reagieren. Gemäss einer Zürcher Studie gibt jeder vierte Jugendliche an, schon mindestens einmal online fertiggemacht worden zu sein. Die jüngste PISA-Studie hat zudem generell eine Zunahme von Mobbingerfahrungen in der Schweiz festgestellt.

SP-Nationalrätin will zum schärfsten Mittel greifen

Staenderaetin Pascale Bruderer, Parteipraesidentin Gabriela Suter und Nationalraetin Yvonne Feri, von links, am Wahlfest der SP Aargau am Samstag, 7. September 2019, in Aarau. (KEYSTONE/Alexandra Wey)
SP-Nationalrätin Gabriela Suter (m.). Bild: KEYSTONE

Über persönliche Beziehungen haben die Eltern eine Politikerin gefunden, welche die Forderung ins Bundeshaus trägt: Gabriela Suter, Aargauer SP-Nationalrätin. Sie will zum schärfsten parlamentarischen Mittel greifen: zu einer parlamentarischen Initiative. Nach Pfingsten will sie diese einreichen. Bei einer Annahme kommt das Geschäft direkt in die Rechtskommission. Suter erklärt: «Ein Strafgesetzbuch muss mit der Zeit gehen und allgemein verständliche Straftatbestände enthalten.»

Ein Cybermobbing-Straftatbestand hätte vor allem symbolische Bedeutung. Man müsste dann nicht mehr über verschiedene Formen von Nötigung diskutieren, sondern hätte einen klaren Begriff.

Härtere Strafen für Jugendliche wären aber nicht die Folge. Die Höchststrafe für unter 15-Jährige ist eine persönliche Leistung von zehn Tagen.

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24 Kommentare
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_kokolorix
01.06.2020 10:41registriert Januar 2015
Es wäre zu begrüssen, wenn Mobbing, nicht nur Cyber-mobbing, als Straftatbestand Einzug in unsere Gesetze halten würde. Es wäre die persönliche Ergänzung zu den allgemeinen Rassismus-Artikeln, welche wohl besser mit Diskriminierung betitelt würden.
Schwierig hingegen ist die Definition. Wo hört Frotzelei auf und beginnt das Mobbing?
Aber von diesen Schwierigkeiten sollten wir uns nicht aufhalten lassen. Man sollte einfach im Hinterkopf behalten, dass der erste Entwurf wohl noch nicht der Weisheit letzter Schluss sein wird, und wir das Thema in ein paar Jahren präzisieren müssen
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