Céline Pfister, eine 13-jährige Bezirksschülerin aus Spreitenbach AG, nahm sich im Spätsommer 2017 das Leben. Zuvor war sie auf Social-Media-Plattformen blossgestellt und diffamiert worden. Ihr Schicksal löste schweizweit Bestürzung aus. Die traurige Geschichte ging danach um die Welt als abschreckendes Beispiel für die Folgen von Cybermobbing. Es war der erste öffentlich thematisierte Fall dieser Art in der Schweiz.
Jetzt hat die Jugendanwaltschaft Limmattal/Albis die Strafverfahren abgeschlossen, wie diese auf Anfrage bestätigt. Einen männlichen Jugendlichen aus Dietikon ZH hat sie per Strafbefehl wegen Nötigung verurteilt. Eine weibliche Jugendliche, ebenfalls aus Dietikon, hatte sie zudem bereits vor Monaten wegen versuchter Drohung und Beschimpfung sanktioniert. Die Strafe ist in beiden Fällen dieselbe: eine persönliche Leistung. In der Regel handelt es sich dabei um gemeinnützige Arbeitseinsätze von wenigen Tagen.
Sarah Reimann, Sprecherin der Jugendanwaltschaft, sagt: «Gemäss den Erkenntnissen der Jugendanwaltschaft kann der Suizid in beiden Fällen nicht auf das Handeln der Jugendlichen zurückgeführt werden.»
Nadya Pfister, die Mutter von Céline, wurde durch den Fall zu einer Aktivistin gegen Cybermobbing. Sie plant, in den nächsten Tagen eine politische Kampagne zum Thema zu lancieren. Deshalb äussert sie sich jetzt zum ersten Mal mit ihrem vollen Namen und befürwortet den Abdruck eines unverpixelten Bildes ihrer Tochter.
Nadya Pfister sagt: «Die Jugendanwaltschaft sieht keinen Kausalzusammenhang zwischen dem Mobbing und dem Suizid, weil sie zwei getrennte Strafverfahren durchgeführt hat.» Das sei ein Fehler. Denn die beiden Verfahren hingen zusammen: «Die eine Tat wäre ohne die andere nicht passiert.»
Zudem kritisiert sie die Kommunikation: «Ich bin ein trauerndes Mami. Doch ich wurde im Dunklen gelassen.» Die Strafverfolgungsbehörde habe die Informationen über die Verfahren immer zurückgehalten.
Und sie fordert die Politik zum Handeln auf: «Als das Jugendstrafrecht geschrieben wurde, gab es Cybermobbing noch nicht. Deshalb braucht es dafür einen neuen Straftatbestand.»
In der Mobbing-FalleUm die Vorwürfe zu verstehen, muss man die Vorgeschichte kennen. Zur Eskalation kam es wegen einer Intrige. Céline verliebte sich in einen Jugendlichen, der zuvor mit einer früheren Kollegin von ihr zusammen gewesen war. Diese wurde eifersüchtig. Der Junge nutzte die Konstellation für ein perfides Doppelspiel aus.
Es begann mit einem Foto aus Célines Kinderzimmer. Sie sass in Shorts und T-Shirt auf ihrem Bett und machte ein Selfie in einer freizügigen Pose. Es war kein pornografisches Bild, doch es war nicht für fremde Augen bestimmt. Nur für ihren Angehimmelten. Dieser leitete es jedoch seiner Ex-Freundin weiter. Zwei Wochen bevor sich Céline das Leben nahm, hatte die Ex das Bild auf Snapchat verbreitet. Der Junge setzte Céline danach unter Druck, ihm weitere Fotos von ihr zu schicken – sonst würde er seine Ex mit weiterem Bildmaterial beliefern.
Zuerst eskalierte der Streit online. Dutzende Jugendliche, die sich in der realen Welt teilweise noch nie begegnet waren, heizten den Konflikt auf Social-Media-Plattformen an.
Am zweitletzten Tag in Célines Leben fand die Badenfahrt statt, ein Volksfest. Der Streit verlagerte sich vom Internet auf die Strasse. Céline wurde von ihrer Ex-Kollegin mit Sprüchen über ihre Affäre vor einer Gruppe blossgestellt.
Die Folgen von Cybermobbing sind weitreichender als jene von herkömmlichem Mobbing. Online ist die Verletzung der Intimsphäre schmerzhafter, weil sie vor einem grösseren Publikum stattfindet. Im Fall Céline kam beides zusammen.
Sarah Reimann, die Sprecherin der Jugendanwaltschaft, sagt: «Untersuchungen in solch tragischen Fällen sind bei allen Beteiligten mit vielen Emotionen verbunden und gestalten sich dementsprechend aufwendig und herausfordernd.» Das Jugendstrafrecht sei ein Erziehungsstrafrecht und habe das Ziel, weitere Delikte zu verhindern. Reimann: «Diese Grundausrichtung führt dazu, dass allfälligen Wünschen nach Sühne und Vergeltung, so nachvollziehbar sie auch sein mögen, kaum entsprochen werden kann.» (aargauerzeitung.ch)
Der richtige Umgang mit sozialen Medien muss unbedingt zu Hause und in den Schulen thematisiert werden - denn aufhalten kann man diese Entwicklung nicht, indem man es einfach totschweigt.
Generell wünsche ich mir, dass jungen Menschen mehr Gehör verschafft und ihre Anliegen ernster genommen werden. Sie sind unsere Zukunft und ihre Probleme/Ängste haben genauso eine Daseinsberechtigung wie die unseren.