Die Bürgerlichen warnen vor Milliardendefiziten bei der AHV. «Durch das Ja zur 13. AHV-Rente werden wir bereits 2026 eine defizitäre AHV haben», sagt FDP-Präsident Thierry Burkart.
Von einem «rabenschwarzen Tag für die jungen Menschen in diesem Land» spricht Matthias Müller, Präsident des Jungfreisinns. Es drohe ein gigantischer Ausbau der AHV, man werde nun schauen müssen, wie die Jungen «diese Suppe auslöffeln werden».
Gemäss Zahlen des Bundes fehlen der AHV bereits 2030 rund drei Milliarden Franken, 2033 sind es sieben Milliarden. Eigentlich gilt die Regel, dass im AHV-Fonds jeweils die Rentensumme für ein Jahr vorhanden sein muss. Voraussichtlich ab 2027 wird diese Vorgabe verletzt.
Zu den nackten Zahlen: Rund vier Milliarden Franken kostet die Einführung der 13. AHV-Rente im ersten Jahr, fünf Milliarden oder mehr in den folgenden. Wie diese Kosten konkret finanziert werden sollen, lässt der Initiativtext offen. Folgende Finanzierungsmöglichkeiten stehen im Raum.
Höhere Steuern, höheres Rentenalter oder höhere Lohnbeiträge. Wie die 13. AHV-Rente, die bereits ab 2026 ausbezahlt wird, finanziert werden soll, müssen der Bundesrat und das Parlament entscheiden.
Im Abstimmungskampf haben sich die Gewerkschaften für höhere Lohnbeiträge ausgesprochen. Was den Bürgerlichen ein Dorn im Auge ist, macht Samira Marti wenig Sorgen. Die Co-Präsidentin der SP-Bundeshausfraktion sagt im Interview mit watson: «Die mittelfristige Finanzierung durch eine moderate Erhöhung der Lohnprozente wird für die mittleren Einkommen spürbar sein. Die 13. AHV-Rente aber schützt die Kaufkraft wirksam. Das Preis-Leistungs-Verhältnis mittels Lohnabgaben ist deshalb unschlagbar.»
Wie die NZZ schreibt, ist es erforderlich, dass die monatlichen Abzüge der erwerbstätigen Bevölkerung bis 2033 voraussichtlich von 8,7 auf gut 10 Prozent erhöht werden. Die Pensionierten erhalten eine 13. AHV-Rente, müssen sich an der Finanzierung jedoch nicht beteiligen.
Die Gewerkschaften befürworten eine Erhöhung der Lohnbeiträge um 0,8 Prozentpunkte, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt. Diesen Betrag braucht es, um Mehrkosten in der Höhe von fünf Milliarden Franken zu decken.
Die eine Hälfte berappt der Arbeitnehmer, die andere der Arbeitgeber. Auf einen Monatslohn von 5000 Franken würden also je 20 Franken mehr fällig als bisher. Die Finanzierung wäre zudem progressiver Natur – je höher der Lohn, desto höher auch die zusätzlichen Abgaben.
«Es ist gut, konnten wir dieses Thema endlich aufs Tapet bringen, es wird nicht mehr verschwinden», sagt Matthias Müller von den Jungfreisinnigen. Auch wenn der erste Versuch, das Rentenalter zu erhöhen, gescheitert sei – man bleibe dran. «Die Demografie und die Finanzierung zwingen uns, das Rentenalter zu erhöhen.» Auch FDP-Präsident Thierry Burkart ist der Meinung: «Die Anzahl Beitragsjahre muss erhöht werden.»
Schaue man das gestrige Abstimmungsresultat an, sei eine Erhöhung des Rentenalters vom Tisch, sagt hingegen Samira Marti von der SP.
Die Gegner der Renteninitiative kritisierten vor allem den Automatismus der Vorlage, dass das Rentenalter an die Lebenserwartung gekoppelt wird. Diesbezüglich zeigt sich Burkart für Konzessionen empfänglich: «Wir sind bereit, andere Regelungen zu finden.»
Auch die Mitte hat sich zum Rentenalter geäussert, zum jetzigen Zeitpunkt schliesst die Partei eine Erhöhung aus.
Erst kürzlich wurde die Mehrwertsteuer bereits angehoben. Seit dem 1. Januar 2024 beträgt der Normalsatz 8,1 Prozent, zuvor waren es 7,7 Prozent.
Für die Finanzierung der 13. AHV-Rente bräuchte es eine weitere Erhöhung – die Rede ist von rund 1,5 Prozentpunkten, wie der «Tages-Anzeiger» schreibt. Im Gegensatz zu den Lohnprozenten ist die Mehrwertsteuer für alle Menschen gleich, schlechter Verdienende werden also stärker belastet.
Die politischen Hürden für eine Anhebung der Mehrwertsteuer sind im Vergleich zu den Lohnprozenten jedoch ungleich höher. Während es bei Ersteren nur eine Gesetzesänderung braucht, sind für eine Erhöhung der Mehrwertsteuer sowohl das Volks- als auch das Ständemehr notwendig.
Wie die NZZ schreibt, sind mit dem Ja zur 13. AHV-Rente zwei frühere Finanzierungsideen wieder aufgetaucht: Die eine ist eine nationale Erbschaftssteuer auf grosse Vermögen.
Ob eine solche Option mehrheitsfähig wäre, ist zum jetzigen Zeitpunkt jedoch völlig offen. 2015 hat das Schweizer Stimmvolk die Erbschaftssteuer-Initiative zur Stärkung der AHV von Linken und Gewerkschaften mit 71 Prozent Nein-Stimmen versenkt. Die zweite Frage ist, ob es zeitlich reichen würde. Die 13. AHV-Rente wird bereits 2026 erstmals ausbezahlt.
Die zweite Finanzierungsmöglichkeit ist komplex. Es handelt sich um ein Vorhaben, das Beat Rieder angestossen hat. Die Idee des Mitte-Ständerates ist es, die Finanzierung der AHV unter anderem durch eine Steuer auf Finanztransaktionen zu gewährleisten.
Auf den Handel mit Aktien und Obligationen würde eine geringe Abgabe anfallen. Das Problem: Die Kapitalmärkte operieren länderübergreifend. Führt die Schweiz eine solche Steuer ein, kann es sein, dass die entsprechenden Finanztransaktionen ins Ausland abwandern. Es braucht folglich ein koordinatives Vorgehen mit anderen Ländern, dies wiederum benötigt Zeit.