Kaum war die Niederlage eingefahren, da twitterte SP-Co-Präsidentin Mattea Meyer bereits ein «Jetzt erst recht» an ihre Anhänger. Die Partei will «das Engagement für Steuergerechtigkeit» trotz des deutlichen Volks-Neins zur 99-Prozent-Initiative weiter vorantreiben – und hat schon erste Ziele im Visier. Doch der Reihe nach: Die Schweizerinnen und Schweizer haben am Sonntag die Juso-Initiative deutlich abgelehnt, mit 35.1 zu 64.9 Stimmen. Ebenso klar ist die Vorlage am Ständemehr gescheitert.
Kein einziger Kanton sagte Ja. Auf die grösste Ablehnung stiess das Volksbegehren in Zug (76.8 Prozent Nein-Anteil), Nidwalden (77.4) und Schwyz (76.6). Am deutlichsten war die Zustimmung in Basel-Stadt mit lediglich 51.9 Prozent Neinstimmen. Einzig in Städten wie Zürich, Biel, Basel, Bern oder Lausanne gab es eine Mehrheit. Die Juso selbst zeigte sich dennoch «stolz», eine Debatte lanciert und mehr als eine Million Stimmen geholt zu haben.
Überraschend ist das Resultat nicht: Einerseits hat es die Juso mit ihren Initiativen immer wieder schwer: Das Resultat der 99-Prozent-Initiative liegt in etwa auf dem Stand der 1:12-Initiative, mit der die Juso 2013 hohe Löhne begrenzen wollte. Andererseits zeigt sich einmal mehr: Reformen im Steuerbereich haben es in der Schweiz grundsätzlich nicht einfach: Bereits in der Vergangenheit fielen vergleichbare Anliegen durch.
Das Verbot der Pauschalbesteuerung wurde ebenso abgelehnt wie die Einführung einer Erbschaftssteuer. Die Unternehmenssteuerreform III benötigte einen zweiten Anlauf und einen politischen Kuhhandel mit zusätzlichen AHV-Milliarden, damit sie angenommen wurde. Und die GLP verbrannte sich 2015 die Finger mit ihrer «Energie- statt Mehrwertsteuer»-Initiative, die 92 Prozent Nein-Stimmen einfuhr.
Trotz der Schwierigkeiten, Steuerreformen an der Urne durchzubringen, wird die Debatte um Steuern und Verteilgerechtigkeit nicht rasch vorbei sein. Im Gegenteil. Derzeit stehen gleich mehrere Vorlagen zur Debatte: Einerseits wird sich die Politik mit der Abschaffung der Heiratsstrafe und der Einführung der Individualbesteuerung beschäftigen müssen. Hier machen die Mitte und die FDP Druck. Gleichzeitig dürfte die von der OECD angedachte globale Mindestbesteuerung Änderungen im Schweizer System nötig machen.
Und zudem sind mehrere Steuersenkungsprojekte im Parlament heftig umstritten, sodass mit Referenden zu rechnen ist: Die SP hat einer beschlossenen Reduktionen bei der Stempelsteuer bereits den Kampf angesagt. Diese würde Firmen um 250 Millionen Franken pro Jahr entlasten. In dieser Session dürfte das Parlament einen Abbau bei den Industriezöllen beschliessen, der links auf Widerstand stösst. Und zuletzt wollte der Ständerat den Eigenmietwert abschaffen. Käme das Anliegen in der zweiten Kammer durch, droht ebenfalls die Volksabstimmung.
Bereits hat der Gewerkschaftsbund rhetorisch aufgerüstet. «In den letzten Jahrzehnten haben jedoch die höchsten Einkommen am meisten von Steuererleichterungen profitiert», schrieb er am Abstimmungssonntag. Einfache Bürger müssten dagegen immer mehr Krankenkassenprämien bezahlen. Und auch die Juso lässt keinen Zweifel daran, dass sie das Thema Steuergerechtigkeit weiter auf die Agenda setzen will: Im Köcher hat die Partei bereits die nächste Initiative. Wer mehr als 100 Millionen Franken besitzt, soll kräftig für Klimamassnahmen zur Kasse gebeten werden. So haben es die Delegierten im Juni beschlossen, die genauen Details sind noch offen. Unbestritten dürfte aber sein, dass die Jungpartei die Kraft hat, die Initiative erfolgreich zu lancieren.
Gelassen zeigte sich an seiner Medienkonferenz zu Abstimmung Finanzminister Ueli Maurer, der von «nicht weniger als sieben aktuellen Steuerprojekten» sprach, die unterwegs seien. Ihn stimmte positiv, dass die Bevölkerung mit der 99-Prozent-Initiative nicht einen einzelnen Punkt herauspickte, sondern offenbar das Steuersystem als gesamtes beurteilte. Und dabei, so Maurer, habe das Volk wohl den Eindruck, «dass die Umverteilung genügend ist».
So eine seichte Vorlage kommt nie durch!