Geht es um die AHV, ist die FDP normalerweise auf der Seite der Warner. Die Aussichten des Vorsorgewerks seien düster, denn wir lebten länger und die Babyboomer kämen in Rente, so der Tenor. Die AHV mache bis 2050 über 200 Milliarden Franken Defizit, heisst es etwa in einem Positionspapier aus dem letzten Jahr, in dem die Partei eine «enkeltaugliche Altersvorsorge» forderte.
Trotz dieser schlechten Aussichten setzt sich die FDP für zivilstandsunabhängige Renten ein. Im Klartext heisst das: Der AHV-Rentenplafond für Ehepaare soll fallen. Heute erhalten Ehepaare nämlich maximal nur 150 Prozent einer Altersrente – also höchstens 3675 Franken monatlich. Konkubinatspaare hingegen bekommen zwei separate Einzelrenten, zusammen bis zu 4900 Franken.
Diese Deckelung der Ehepaarrenten ist ein Dauerbrenner in der Politik. Die Mitte hat eine Volksinitiative eingereicht, welche die Abschaffung des Plafonds fordert. Zumindest die Stossrichtung des Volksbegehrens geniesst breiten politischen Support. In der SP gibt es grosse Sympathien dafür. Die SVP will die Ehepaarrenten erhöhen, wenn die Witwenrente reformiert wird. Und die FDP will eben die zivilstandsunabhängigen Renten. Wobei FDP-Nationalrat Andri Silberschmidt kürzlich im «Blick» sagte: «Der Systemumbau darf aber keine Mehrkosten für die AHV verursachen.»
Wie soll das funktionieren? Der Bundesrat rechnet mit Mehrkosten für die AHV von 3,8 Milliarden Franken, sollte die Deckelung der Ehepaarrenten wegfallen. Silberschmidt führt ins Feld, dass der Plafond über zehn Jahre hinweg erhöht werden könnte und auch nicht ganz wegfallen müsse.
Zudem will die FDP im Gegenzug Privilegien der Ehepaare abschaffen. Gemäss Zahlen des Bundesamtes für Sozialversicherungen belief sich der Heiratsbonus in der AHV 2023 auf 200 Millionen Franken. Die Ehepaare genossen Privilegien von 3,6 Milliarden Franken, wegen des Plafonds sparte die AHV 3,4 Milliarden Franken an Renten ein.
Konkret möchte Silberschmidt das Beitragsprivileg von Ehepartnern streichen. Heute ist eine nicht erwerbstätige Ehepartnerin bei der AHV über den erwerbstätigen Ehepartner versichert, ohne selbst AHV-Beiträge bezahlen zu müssen. Mit der Streichung könnte die AHV 200 Millionen Franken sparen.
Mehr Sparpotenzial hätte die Streichung des «Verwitwetenzuschlags», nämlich 1,4 Milliarden Franken. Nach dem Tod des Partners erhalten Witwen und Witwer einen Zuschlag von 20 Prozent auf der eigenen Rente, wobei sie aber nicht mehr als die Maximalrente bekommen. Ledige haben auf diesen Zuschlag keinen Anspruch.
Würde man zudem die Witwenrenten reformieren, wie es der Bundesrat vorschlägt, könnte man rund 350 Millionen Franken jährlich einsparen. Nimmt man die drei Punkte zusammen, beliefen sich die Einsparungen auf knapp 2 Milliarden Franken. «Das reicht zwar nicht, um die Deckelung der Ehepaarrenten ganz aufzuheben, aber immerhin für eine Erhöhung des Plafonds auf 175 Prozent», sagt Silberschmidt. Wie bei den Steuern mit der Individualbesteuerung gehe es auch bei den Sozialversicherungen darum, die Modernisierung der Gesellschaft schrittweise im Sozialversicherungssystem abzubilden, argumentiert der freisinnige Sozialpolitiker. «Beiträge und Leistungen setzen nicht mehr beim Zivilstand an, sondern bei Frau und Mann als Individuum», so Silberschmidt. Aus Akzeptanzgründen brauche es längere Übergangsfristen für die Abschaffung der Eheprivilegien, deshalb setze sich die FDP für eine schrittweise Erhöhung des Plafonds ein. Das sei eine echte Modernisierung und nicht nur eine billige neue Privilegierung der Ehepaare, wie es die Mitte fordere.
Silberschmidt arbeitet auf einen Gegenvorschlag zur Mitte-Initiative hin. Die Frage ist, wer dazu Hand bietet. SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi sagt, man werde Anträge der FDP prüfen. Er selbst lehnt aber die Streichung des Beitragsprivilegs und des Verwitwetenzuschlags ab. Die SVP möchte den Plafond zwar ebenfalls auf 175 Prozent erhöhen, ist aber lediglich zu Abstrichen bei der Witwenrente bereit. Wie die Partei dies finanzieren will, lässt Aeschi offen.
Ohnehin geht er davon aus, dass ein Gegenvorschlag zur Mitte-Initiative keine Mehrheit finden wird im Parlament: «Mitte-Links wird ihn ablehnen», ist Aeschi überzeugt. Dann kommt es zur Abstimmung über die Mitte-Initiative. «Die Wahrscheinlichkeit, dass die SVP-Delegierten der Initiative zustimmen, ist hoch», sagt Aeschi. Ist das die Lehre aus dem Ja zur 13. AHV-Initiative, das auch mit vielen Stimmen von SVP-Wählenden zustande kam? Aeschi winkt ab. Er sei schon lange für die Mitte-Initiative, habe sie auch selbst unterschrieben.
Bei der Mitte freut man sich, wie die Initiative an Bedeutung gewinnt. Das habe man vor einem halben Jahr so nicht erwarten können, sagte Mitte-Nationalrat Thomas Rechsteiner (AI). Auf die freisinnigen Avancen reagiert er aber ablehnend: «Ich bin derzeit nicht bereit, die Privilegien der Ehe auf dem Altar des Kompromisses zu opfern.» (aargauerzeitung.ch)
Sprich verheiratende Doppelverdiener zahlen weiterhin mehr Steuern und bekommen weniger AHV. Das sind schnell mehrere Hundertausend Franken über die Jahre gerechnet.