Ihre Enttäuschung war bodenlos: Am 12. November 2023 wurde die 35-jährige Lisa Mazzone im zweiten Wahlgang aus dem Ständerat abgewählt. Die Abfuhr durch das Genfer Stimmvolk kam unerwartet. Als gefährdet galt ihr «Mitstreiter» Carlo Sommaruga (SP). Doch der 64-Jährige setzte sich zusammen mit Mauro Poggia vom rechtspopulistischen MCG durch.
Mazzone fehlten bloss 1323 Stimmen. Eine Erklärung für ihr Scheitern war schwer zu finden, denn eigentlich hatte sie nichts falsch gemacht. Im Gegenteil: Die junge Grünen-Politikerin hatte sich in der von distinguierten älteren Herren dominierten kleinen Kammer als Dealmakerin mit den Bürgerlichen profiliert, etwa beim «Solarexpress».
In Bern war Lisa Mazzone bestens vernetzt. Noch in der Stunde der Niederlage machte sie kein Geheimnis daraus, dass sie sich zu höheren Aufgaben berufen fühlte, bis hin zur ersten grünen Bundesrätin der Schweiz. Sie kündigte ihren vorläufigen Rückzug aus der Politik an. Nun aber bietet sich früher als erwartet die Chance auf ein Comeback.
Anlass ist der Rücktritt von Balthasar Glättli als Parteipräsident der Grünen. Der Zürcher Nationalrat zog die Konsequenzen aus den Verlusten bei den Wahlen. Glättli hatte vollmundig angekündigt, die Grünen zur drittstärksten Kraft machen zu wollen. Sie kamen auf den fünften Platz und verloren zwei von bisher fünf Sitzen im Ständerat.
Glättlis Nachfolge wird im April geregelt. Das Nachfolge-Karussell dreht sich kräftig, und als einer der ersten Namen ploppte jener von Lisa Mazzone auf. Die Spekulationen um ihre Person reissen nicht ab, wie die Tamedia-Zeitungen berichteten. «Lisa Mazzone ist für mich im Fokus», sagte etwa die Baselbieter Nationalrätin Florence Brenzikofer.
Andere Exponenten und vor allem Exponentinnen äusserten sich ähnlich, was einiges aussagt über den Status der Ex-Ständerätin in ihrer Partei. Die Genferin selbst hält sich bislang bedeckt. Anfangs schloss sie eine Kandidatur noch aus. Nun scheint sie interessiert zu sein, laut Tamedia allerdings nur an einer alleinigen Parteiführung.
Das ist nachvollziehbar, denn im Co-Präsidium mit einer aktiven Parlamentarierin oder einem Parlamentarier wäre sie fast automatisch im Nachteil. Sie müsste quasi die «zweite Geige» spielen, und das ist mit dem Ehrgeiz der Genferin kaum vereinbar. Wie schwierig ein Parteipräsidium ohne Parlamentsmandat wäre, zeigt ein Beispiel aus der Vergangenheit.
Im Juni 1997 wurde die Zürcher Stadträtin Ursula Koch zur Präsidentin der SP Schweiz gewählt. Sie setzte sich gegen den Bündner Nationalrat Andrea Hämmerle durch. Er war der Favorit der «Nomenklatura», doch nach dem Walliser Realpolitiker Peter Bodenmann sehnte sich die SP-Basis nach einer Person, die die «reine» linke Lehre verkörperte.
Koch war dafür prädestiniert, doch das Unheil kündigte sich schon am Tag der Wahl an. Unvergessen sind die Tränen der damaligen SP-Generalsekretärin Barbara Haering. Die Zürcherin weinte nicht aus Freude über den Erfolg der einstigen Mitstreiterin Ursula Koch, sondern aus Enttäuschung über das Scheitern ihres Nationalratskollegen Hämmerle.
Wenige Monate später trat Haering als Generalsekretärin zurück – mit der Begründung: «Der Funke hat nicht gesprungen.» Es ging im gleichen Stil weiter: Ursula Koch hatte ständig Zoff mit den «Alphatieren» in Bundesbern. 1999 wurde sie in den Nationalrat gewählt, doch kurz darauf trat sie abrupt von allen Ämtern zurück und verschwand komplett von der Bildfläche.
Lisa Mazzone müsste es nicht ähnlich ergehen. Die zweifache Mutter würde anders als die gescheiterte SP-Chefin viel Zeit in Bern verbringen, auch weil ihr Lebenspartner in der Bundesverwaltung arbeitet. Sie wäre näher dran und könnte an den Fraktionssitzungen teilnehmen. Als «Ehemalige» hätte sie ohnehin einen Zugang ins Bundeshaus.
Doch mitreden heisst nicht mitentscheiden. Von wichtigen Gremien wie den Kommissionen wäre sie ausgeschlossen, was sich bei Medienauftritten als Präsidentin nachteilig auswirken könnte. Es gälte, einen Modus vivendi mit Geschäftsleitung und Parlamentsmitgliedern zu finden. Reibereien wären fast unvermeidlich, auch wegen Mazzones Selbstbewusstsein.
Sie scheint das Problem erkannt zu haben. Zwei Quellen bestätigten gegenüber CH Media, dass Mazzone – wenn sie überhaupt will – nur dann als Parteipräsidentin antritt, wenn sie bei den Wahlen 2027 einen Spitzenplatz auf der Nationalratsliste der Genfer Grünen erhält. Dennoch müsste sie fast eine ganze Legislatur ausserhalb des Parlaments verbringen.
Absehbar ist zudem, dass Lisa Mazzone kaum ohne Konkurrenz bleiben dürfte. Mit Nationalrat Nicolas Walder hat ein weiterer Genfer als einer der ersten seine Ambitionen auf die Glättli-Nachfolge angemeldet, ob allein oder im Co-Präsidium mit einer Deutschschweizerin. Andere Interessierte könnten sich bald aus der Deckung wagen.
Lisa Mazzone als Präsidentin der Grünen wäre eine spannende Vorstellung. Ihre Qualitäten sind unbestritten. Trotzdem werden sie und ihre Partei sich überlegen müssen, ob sie sich auf dieses Experiment einlassen wollen.
Das ist soweit in Ordnung, wenn es sich um die eigene Firma handelt und man gleichzeitig der Inhaber ist.
Als "Angestellter" ob nun CEO oder Parteichef, hat man die Interessen der Partei zu berücksichtigen und nicht das eigene Ego. Läuft aber bei solchen Personen meist anders, ob nun Partei oder Grossfirma: "ich komme zuerst, ich".