In der vergangenen Woche fand eine Bundesratswahl statt. Sie hat eine intensive Diskussion über die Konkordanz und ihre Weiterentwicklung ausgelöst, die noch lange nicht zu Ende ist. Ebenfalls in dieser Woche kam die Überbrückungsrente für ältere Arbeitslose in den Ständerat – ein emotionales Thema, das die Bevölkerung weit über die Betroffenen hinaus bewegt.
Und worüber wurde in der SRF-«Arena» am Freitag debattiert? Über die Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot», besser bekannt als Burka-Initiative.
Der Nationalrat hat sie in dieser Woche behandelt und einen indirekten Gegenvorschlag beschlossen. Die parlamentarische Beratung ist längst nicht beendet, die Volksabstimmung wird nicht vor 2021 stattfinden. Objektiv gab es keinen Grund, in der «Arena» darauf herumzureiten. Aber bei der Burka geht es nicht um objektive Fakten, sondern um Emotionen.
Der frühere EDU-Nationalrat und Initiativ-Befürworter Markus Wäfler hatte vor dem Start der Sendung die Hoffnung geäussert, die Sendung werde «umfangreicher» sein und sich nicht auf den islamischen Gesichtsschleier konzentrieren. Moderator Sandro Brotz tat ihm den Gefallen nicht. Über Hooligans und vermummte Demonstranten wurde höchstens ansatzweise diskutiert.
Immerhin unterliess Brotz die plumpen Gags, die Vorgänger Jonas Projer in der letzten Burka-«Arena» verwendet hatte: Keine verhüllte Schaufensterpuppe, keine Telefoneinschaltung der Nervensäge Nora Illi, Konvertitin und bekannteste Nikab-Trägerin der Schweiz. Trotzdem ging es fast ausschliesslich um den Islam, eine Religion mit gelinde gesagt beschädigtem Image.
Vielleicht blieb Laura Zimmermann, Co-Präsidentin der Operation Libero, deswegen eher blass. Sie betonte, dass sie die Burka als Symbol für die Unterdrückung der Frau betrachte («ich habe heute angezogen, was ich will»), sich aber gegen Kleidervorschriften in der Verfassung wehre. Auch mit dem Gegenvorschlag tut sich Zimmermann schwer, er sende «ein falsches Signal».
Weniger Mühe damit hatte ihr Mitstreiter auf der gegnerischen Seite, der Zürcher SP-Nationalrat Fabian Molina. Für ihn ist der Gegenvorschlag ein Mittel, um etwas für die Frauenrechte und die Gleichstellung zu tun – ein Aspekt, der im Nationalrat zu reden gab und den er weidlich betonte. Mit sichtlicher Streitlust attackierte er den Solothurner SVP-Nationalrat Walter Wobmann.
Die Burka sei «ein wirkungsmächtiges Symbol für eine Hetzdebatte gegen den Islam», sagte Molina an die Adresse des Co-Präsidenten des Initiativkomitees und beschuldigte ihn, er wolle «auf dem Rücken der Muslime und Musliminnen Politik machen». Wirklich entkräften konnte Wobmann den Vorwurf nicht. Für ihn steht die Initiative unter dem Motto «Wehret den Anfängen».
Die Tatsache, dass es in der Schweiz nur wenige vollverschleierte Frauen gibt, konnte der Co-Präsident des Initiativkomitees nicht widerlegen. Folglich verwies er auf die Verhältnisse in anderen Ländern, etwa Frankreich. Dort könne das geltende Burkaverbot teilweise gar nicht umgesetzt werden, weil es zu viele solche Frauen gebe, «etwa in gewissen Quartieren in Marseille».
Zu einem lockeren Moment kam es, als Sandro Brotz ihn mit als SVP-Sünneli verkleideten Tänzern konfrontierte und fragte, ob dies auch verboten werden müsse. Wobmann geriet ein wenig aus dem Konzept und meinte, dies könne bei der Ausarbeitung der Gesetze geregelt werden. «Dann nehmen Sie also einen Sünneli-Paragrafen hinein?» fragte Brotz zur allgemeinen Gaudi.
Nicht zum Lachen fand es die Aargauer CVP-Nationalrätin Marianne Binder-Keller. Die dezidierte Burka-Gegnerin versuchte, die Debatte auszuweiten: «Es geht nicht um den Islam, sondern um den Fundamentalismus.» Binder warf der Frauenbewegung vor, das Thema unter den Tisch zu wischen und «Hemmungen zu haben, wenn es um Frauen in Parallelgesellschaften geht».
Von den Gästen aus der zweiten Reihe kam nur vereinzelt Substanzielles. Die neu gewählte St.Galler FDP-Nationalrätin Susanne Vincenz-Stauffacher stammt aus einem der beiden Kantone (neben dem Tessin), die bereits ein Burka-Verbot haben. Dennoch lehnt sie die Initiative aus «einer liberalen Grundhaltung» ab. Sie warnte davor, Frauen «in die Isolation zu drängen».
Für das Highlight der Sendung sorgte die Basler Gymnasiallehrerin Jasmin El Sonbati, die einzige muslimische Frau in der «Arena». Die Tochter eines Ägypters, die seit 1971 in der Schweiz lebt, ist eine Verfechterin eines fortschrittlichen Islams. Der Gesichtsschleier sei ein «Degradierungssymbol», räumte sie ein: «Nichtsdestotrotz bin ich gegen die Initiative.»
Sie habe sich mit 30 Jahren einbürgern lassen und zu diesem Land und seiner Verfassung bekannt, sagte El Sonbati in ihrem Votum: «Die Verfassung ist zu wertvoll, um Partikularinteressen von Parteien zu regeln.» Dafür gebe es Gesetze, denn gewisse Dinge müsse man regeln: «Für mich als Lehrerin wäre es nicht akzeptabel, wenn eine Frau im Nikab unterrichten würde.»
Solche differenzierten Argumente gehen in der Burka- und Islam-Debatte zu oft unter. Letztlich wird sie von Angst bestimmt, worauf die «Arena» kaum einging. Das gilt auch für den Fall einer Schule in der Ostschweiz, die mehrere Weihnachtslieder auf den Index gesetzt hat, aus Rücksicht auf Schülerinnen und Schüler aus anderen Kulturen.
Marianne Binder fand die Debatte «etwas aufgebauscht». Einmal mehr würden Religion und Kultur vermischt. Farhad Afshar, Präsident der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz (KIOS) verwies darauf, dass in vielen islamischen Ländern Weihnachten gefeiert werde. Und Jasmin El Sonbati meinte: «Alle sollen Weihnachtslieder singen, alle sollen Hanukka-Lieder singen.»
Womit kurz vor den Feiertagen fast schon ein versöhnlicher Schlusspunkt gesetzt war. Und die nächste Burka-«Arena» kommt bestimmt.
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