Corona schien dem Homeoffice zum grossen Durchbruch zu verhelfen. Was technologisch schon zuvor möglich war, wurde damals unter pandemischem Zwang zur Normalität. Doch nun häufen sich die Meldungen, wonach grosse Arbeitgeber fixe Büro-Tage vorschreiben wollen. Novartis tut dies, Swisscom und Nestlé, die SBB und die Post oder der Berater Deloitte.
Geht es also zurück ins Büro, vielleicht nicht sofort, aber allmählich? Bis das Homeoffice wieder zur Ausnahme wird wie vor Corona? Oder findet die Rückkehr nur vereinzelt statt und das Homeoffice bleibt weit verbreitet, sozusagen als dauerhaftes Erbe der Coronapandemie?
Es gibt dazu Zahlen vom Bundesamt für Statistik. Sie zeigen eine grosse Verschiebung in Branchen, in denen Büroarbeit weit verbreitet ist. So sind es Ende 2022 in der öffentlichen Verwaltung noch immer gut 17 Prozentpunkte mehr Mitarbeitende, die gelegentlich Heimarbeit leisten als noch vor Corona. Bei freiberuflichen Dienstleistungen sind es rund 20 Prozentpunkte mehr. In der IT-Branche sind es 25 Prozentpunkte mehr und bei Banken und Versicherungen gar 30 Prozentpunkte mehr. Eine Rückkehr an die Schreibtische ist hier nicht zu erkennen. Bei den Banken beispielsweise machen gut 80 Prozent gelegentlich Heimarbeit.
Doch die Zahlen sagen nichts darüber aus, wie häufig im Homeoffice gearbeitet wird - nur einmal die Woche, drei oder gar vier Mal pro Woche? CH Media hat darum an einer Adresse nachgefragt, wo man Antworten haben sollte. Jones Lang LaSalle (JLL) ist hierzulande kein landläufiger bekannter Name, doch für den Immobilien-Berater arbeiten in über 80 Ländern rund 100'000 Mitarbeitende, von 65 in der Schweiz. Wenn jemand weiss, ob es eine grosse Rückkehr ins Büro gibt, dann wohl dieser Gigant im Markt für Büroimmobilien.
«Es wird nicht mehr wie vor Corona», sagt der Forschungschef von JLL Schweiz, Daniel Stocker. Vor 2019 habe es nahezu nur eine Form der Arbeit gegeben: im Büro. Es seien Ausnahmen gewesen, wenn jemandem ein Tag im Homeoffice zugestanden wurde. «Mir sind keine Fälle bekannt, wo es mehr war.» Heute sei ein Homeoffice-Tag das absolute Minimum. Wer dies nicht anbiete, finde nur mit grosser Mühe noch Personal. Eine «elementare Veränderung» habe stattgefunden und eine vollständige Rückkehr ins Büro sei wenig wahrscheinlich. «Die Mitarbeitenden werden auch in Zukunft weniger Zeit im Büro verbringen als vor Corona.»
Das Homeoffice bleibt somit Bestandteil des Arbeitsalltags. Doch wie viele Tage pro Woche es sein würden, müsse sich erst einpendeln. Stocker sagt dazu: «Wir sind noch in einer Zeit des Übergangs.» Derzeit würden die meisten Arbeitgeber offiziell erwarten, dass die Arbeitszeit mindestens hälftig im Büro verbracht werde, meistens dann drei Tage pro Woche. Zwei Tage wäre man im Homeoffice. Doch wie Stocker sagt, gebe es viele Arbeitgeber, die sich nicht trauen, ihre Erwartungen tatsächlich forsch einzufordern: «Sie haben Angst vor Kündigungen.»
Nicht von ungefähr. Die Arbeitslosenquote liegt in der Schweiz bei gerade einmal 1.9 Prozent. So tief lag sie zuletzt vor über zwei Jahrzehnten. Die Arbeitgeber suchen teils verzweifelt nach Fachkräften. Doch auch dieser Boom wird irgendwann enden. Und falls die Arbeitslosigkeit stark steigen sollte, kehren sich die Machtverhältnisse um. Stocker: «Es könnte dann wieder mehr Präsenztage geben, in Sichtweite der Vorgesetzten.» Doch fünf Tage die Woche im Büro - das werde die Ausnahme bleiben.
Und so müssen die Arbeitgeber herausfinden, wie sie mit der neuen Normalität umgehen. Denn viele befürchten, dass zu viel Homeoffice grosse Nachteile mit sich bringt, sagt Stocker. So könne das Gefühl von Zusammengehörigkeit leiden und die Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber sinken. Neue Mitarbeitende hätten es schwieriger, sich im Unternehmen zurecht zu finden. Neue Ideen könnten weniger gut entstehen, wenn die Mitarbeitenden nicht in Hörweit von einander arbeiten. Doch eine vollständige Rückkehr ins Büro lässt sich derzeit nicht erzwingen. Was also tun?
Stocker sagt, die Arbeitgeber müssten sich die Frage stellen, wozu jemand überhaupt ins Büro kommen solle. Die Antwort sei: für Tätigkeiten, die man dort besser machen kann. Und dies seien sich mit anderen austauschen, gemeinsame nach Lösungen suchen, miteinander spontan Ideen entwickeln. Auf Dauer sei dies für Unternehmen überlebenswichtig und im Homeoffice nicht im gleichen Masse möglich. Wenn die Mitarbeitenden also im Büro seien, müsse man sich auf solche Dinge fokussieren. Hingegen müsse niemand einen langen Pendelweg auf sich nehmen, um im Büro dann Emails abzuarbeiten oder Besprechungen abzuhalten, die ohnehin nur im digitalen Raum stattfinden können.
Oder Arbeitgeber verzichten auf Zwang und bewegen Mitarbeitende dazu, freiwillig zurück ins Büro zu kommen. Dafür müsse man jedoch mehr Qualität bieten, sagt Stocker. Das können Standorte sein, von wo aus man zu Fuss eine gute Infrastruktur erreichen kann: Läden, Cafés, gute Verkehrsverbindungen. So könne man über Mittag auch leicht Kunden treffen oder Leute aus anderen Unternehmen. Schwierig werde es dagegen mit älteren Gebäuden, die in einiger Entfernung liegen von grösseren Zentren. Stocker: «Bei solchen Gebäuden wird sich oft die Frage stellen, ob sie überhaupt weiterhin als Büros genutzt werden sollen.» (aargauerzeitung.ch)