Niemand liebt Lärm. Doch besonders stört sich daran die Lärmliga Schweiz. Aus diesem Anlass hat die Non-Profit-Organisation am Dienstag eine nationale Tagung durchgeführt mit dem Thema: «Tags gestresst, nachts ohne Schlaf: Lärm ist mehr als ein Ärgernis».
Nebenfiguren im Tagesprogramm waren etwa ein deutscher Doktor, der aufzeigte, «wie Lärm Herz und Seele beeinflusst». Oder eine Bundesangestellte des UVEK, die über Lärmschutzmassnahmen referierte.
Doch der am meisten herbeigesehnte Star der Tagung war ein neuartiger Lärmblitzer aus Frankreich. «Hydra» heisst das Radarsystem, welches lauten Motorfahrzeugen den Kampf ansagen soll.
Der Lärmblitzer besteht aus zwei Teilen: dem Lautstärkesensor namens «Medusa» und dem Radar namens «Hydra». Ursprünglich hatten die französischen Hersteller nur den Sensor entwickelt, der in der Lage ist, den Schallpegel und den Herkunftswinkel des Lärms zu berechnen. Erst nachdem dieser in dem Radar verbaut wurde, entstand der 170 Zentimeter grosse Lärmblitzer. Ausgerüstet ist «Hydra» auch mit einer 180 Grad Weitwinkelkamera, um ein Foto der gesamten Szene zu machen. Zudem hat der Radar zwei weitere Kameras für die automatische Kennzeichenerfassung von vorn und hinten oder in beiden Fahrtrichtungen.
Der Sensor fokussiert sich auf heranfahrende Fahrzeuge und erfasst durch die Mikrofone die dominierende Lärmquelle. Falls mehrere Autos gleichzeitig die Strasse befahren, wird alle zwei bis drei Sekunden ein nächstes Fahrzeug fokussiert, um herauszufinden, welches das lauteste ist.
Ein eingebauter Rechner analysiert als Nächstes, ob gewisse Dezibel-Grenzwerte überschritten werden – in Frankreich sind es 86 Dezibel –, und löst dann durch den Radar ein Foto aus. Das Nummernschild wird anschliessend zur Verzeigung an die Behörden geschickt.
Wenn zwei Fahrzeuge gleichzeitig unterwegs sind, deren Lautstärken sich nicht um mehr als ein Dezibel unterscheiden, sei das System überfordert, gesteht der Hersteller. In dieser Situation könne man nicht exakt feststellen, welches nun lauter sei. Angesprochen auf ältere Fahrzeuge, welche die Grenzwerte aktuell überschreiten, aber von den Behörden zugelassen wurden, meint der Hersteller: «Der Fahrzeugausweis ist zentral. Die Behörden müssen bei der Bussenverteilung schauen, ob ein Fahrzeug die Werte überschreitet, die auf dem Fahrzeugausweis stehen.»
Der Radar könne das nicht unterscheiden. Dieser blitze einfach, sobald die Grenzwerte überschritten würden. Wie laut ein Fahrzeug sei, hänge auch mit der Fahrweise zusammen.
Ebenfalls sei es theoretisch möglich, dass auch zu laute Musikanlagen geblitzt werden. Man würde jedoch auf dem Foto erkennen, dass nicht der Motor die Lärmquelle sei, sondern ein Lautsprecher.
Aktuell wird das System in Frankreich noch getestet. Dieses Jahr wurden bereits drei Städte analysiert, wobei herauskam, dass vor allem Motorräder Lärmverursacher sind. Ab 2023 sollen in einer zweiten Testrunde Bussen von 135 Euro bezahlt werden, wenn man vom Lärmradar geblitzt wird. Auch andere Destinationen zeigen Interesse, wie Kuwait oder Dubai. In Europa hat Spanien Interesse am Lärmradar: In Barcelona sollen durch den Blitzer keine Bussen verteilt werden, sondern eine Art Erinnerungsmail, die Fahrer ermahnt, den Auspuff in einer Garage reinigen zu lassen.
«Ich bin sehr überzeugt, dass es bald Lärmblitzer in der Schweiz geben wird», sagt Martin Looser, Vizepräsident der Lärmliga Schweiz. Die Voraussetzungen, die es dafür brauche, seien weitgehend schon gegeben. So gebe es die Grundlage im Strassenverkehrsgesetz, welche die Verursachung von unnötigem Lärm verbiete.
«Bisher musste die Polizei die Lärmsünder aber praktisch in flagranti erwischen, um festzustellen, dass sie ihr Auto manipuliert haben», erklärt Looser. Mit dem Lärmblitzer werde es nun einfacher, die Gesetzesverstösse mit einer technischen Lösung zu ahnden. Man könne damit im Strassenverkehr eruieren, welcher Verkehrsteilnehmer die Limite überschreite. Was es noch brauche, um die Lärmblitzer einzuführen, sei die Festsetzung eines Grenzwertes. «Der Bundesrat hat den Auftrag vom Parlament, diesen Wert festzulegen. Wir gehen davon aus, dass 2023 der Vorschlag dazu präsentiert wird», sagt Mooser. Eine Volksabstimmung benötige es aus seiner Sicht definitiv nicht, um bald schweizweit Lärmblitzer einzuführen.
Höchstens für Zukunftsmusik hält die Lärmblitzer der Solothurner SVP-Nationalrat Walter Wobmann, der auch als Präsident des Schweizerischen Motorradverbandes FMS amtet. «Aktuell würde dieses Radarsystem überhaupt keinen Sinn ergeben», sagt Wobmann auf Anfrage.
Ihn stört vor allem der Umstand, dass rückwirkend bereits zugelassene Fahrzeuge tangiert würden: «Zwar überschreiten einige ältere Autos und Motorräder mögliche neue Grenzwerte leicht, aber sie wurden früher amtlich zugelassen und sind somit legal im Strassenverkehr unterwegs».
Bei neuen Modellen, welche die gesetzlichen Werte einhalten, spreche etwas anderes gegen die Lärmblitzer, meint der Politiker. Das Hauptproblem liege für ihn darin, dass die Fahrer «nicht exakt feststellen» könnten, wie laut ihr Fahrzeug wirklich sei. Konkret stellt sich Wobmann eine Art Tacho für den Lärmpegel vor: «Erst wenn eine Anzeige die Lautstärke des Fahrzeugs sichtbar macht, kann man das eigene Fahrverhalten richtig analysieren».
Der Politiker weist zudem darauf hin, dass enorm laute Autos oder Motorräder, die manipuliert wurden, aktuell bereits von der Polizei geahndet würden. Er spreche sich klar für Lärmschutzmassnahmen aus, appelliere aber auch an die Vernunft. «Lärmblitzer sind zurzeit definitiv keine umsetzbare Lösung», findet Walter Wobmann und ergänzt: «Wenn der Bund das innert kürzester Zeit umsetzen will, dann werde ich schnell 50’000 andere Motorfahrer finden, die dagegen auf dem Bundesplatz demonstrieren würden.
Zurückhaltend zeigt sich der Touring Club Schweiz (TCS) zu den Lärmblitzern. «Es ist noch nicht abschliessend geklärt, ob und unter welchen Umständen Lärmradare einwandfrei funktionieren», schreibt eine Sprecherin auf Anfrage. Bis konkrete Resultate vom Bund vorliegen würden, möchte der TCS keine konkrete Position beziehen. Der Verein verweist auf andere Massnahmen gegen übermässige Lärmbelastung wie eine angepasste Fahrweise oder den Einsatz leiser Reifen.
Alle schauen, dass sie Lärm reduzieren können. Flugzeugindustrie, Elektroautobauer, ÖV,... aber die Verbrennerfahrer machen ihre Rückständigen Fahrzeuge noch lauter. Höchste Zeit, dem einen Riegel zu schieben.