Die Gruppe war Ende vergangener Woche unterwegs im Simmental im westlichen Berner Oberland. Die 25 Wanderer trugen Uniformen der deutschen Wehrmacht. Andere Berggänger informierten die Polizei.
Die Berner Kantonspolizei bestätigt eine Recherche von Radio SRF. «Die kontrollierte Wandergruppe bestand aus rund 25 Männern aus mehreren europäischen Ländern, von Übersee und aus der Schweiz und war in deutschen Wehrmachtsuniformen aus den 30er- und 40er-Jahren gekleidet», schreibt die Kantonspolizei.
Die Ordnungskräfte nahmen die Personalien der Männer auf und wiesen sie an, Jacken mit Nazi-Symbolen auszuziehen. Es sollte damit verhindert werden, dass es zu «Auseinandersetzungen mit Drittpersonen» komme. Strafrechtliche Folgen gibt es aber keine – denn nationalsozialistische Symbole sind in der Schweiz bisher nicht verboten.
Wer sind die Männer in Nazi-Kleidung, die in den Schweizer Alpen wanderten und in einem Zeltlager übernachteten? Die Recherche führt zu einer Gruppe, die sich «Project Edelweiss» nennt. Auf der Website ist eine Wanderung angekündigt, die im Juli in der Schweiz stattfinde. Interessenten konnten sich bis zum 1. Dezember 2024 für die Exkursion anmelden.
Der englischsprachige Internetauftritt des «Project Edelweiss» verweist auf ein «reenactment». Es geht darum, historische Ereignisse möglichst authentisch nachzuspielen. In den USA sind «reenactments» von Schlachten des Bürgerkrieges (1861 bis 1865) populär.
Das «Project Edelweiss», das 2009 ins Leben gerufen wurde, gibt als Ziel an: «Wir stellen eine Hochgebirgsunterweisung österreichischer und deutscher Gebirgsjäger nach.» Die Gebirgsjäger waren spezialisierte Infanterieeinheiten der Wehrmacht, die für den Kampf im Gebirge ausgebildet und ausgerüstet wurden. Einheiten der Gebirgsjäger waren an Kriegsverbrechen und Massakern an Zivilisten beteiligt.
Adolf Hitlers erste Gebirgsdivision war auch als «Edelweiss-Division» bekannt; ausserdem trug eine Militäroperation der Nazitruppen 1942 im Kaukasus den Namen «Operation Edelweiss.». Das «Project Edelweiss» betont nun: Wer mitmachen wolle, müsse in guter körperlicher Verfassung sein und einen «apolitischen Ansatz» verfolgen. Bisher hätten 100 Personen aus 18 Ländern an den Treffen teilgenommen.
Man wandert also in Nazi-Uniformen durch die Alpen, spielt die Ausbildung von Gebirgsjägern nach – und bezeichnet sich selber als «apolitisch.» Offenbar wollen die Beteiligten keinen Ärger mit der Justiz.
Hans Stutz, Beobachter der rechtsextremen Szene, gibt aber eine zurückhaltende Einschätzung des Vorfalls ab. «Aus meiner Sicht ist das eine Kostümgruppe, die sich unter historischen Bedingungen im Hochgebirge bewegt», sagt Stutz.
Das Tragen von Uniformen von Teilen der Wehrmacht genüge nicht, um jemanden als Nazi einzustufen. «Auf der Website dieser Wandergruppe findet man weder politische Inhalte noch Aussagen, die man als rechtsextrem bezeichnen kann.» Stutz räumt aber ein: «Für Berggänger, die Wanderer in solchen Uniformen sehen, kann die Begegnung natürlich trotzdem verstörend sein.»
Die Gruppe wählte wohl die Schweiz als Ort des Ausfluges, weil hier das Tragen und Zeigen von Nazi-Symbolen nicht verboten ist. Auf Uniformen der Wanderer waren Hakenkreuze zu sehen.
Der Bundesrat wehrte sich vor drei Jahren dagegen, nationalsozialistische Symbole im öffentlichen Raum zu verbieten. Sowohl der National- als auch der Ständerat nahmen aber eine andere Haltung ein.
Darum hat der Bundesrat ein Gesetz vorgelegt, welches das Verbot von nationalsozialistischen Symbolen, Gesten und Grussformeln vorsieht. Ausnahmen sind für schulische, wissenschaftliche, künstlerische oder journalistische Zwecke vorgesehen. Wer gegen das Verbot verstösst, hat eine Geldstrafe von 200 Franken zu bezahlen.
Die Aargauer Mitte-Ständerätin Marianne Binder setzte sich erfolgreich für eine solche Bestimmung ein. Zu den Wanderern in Nazikleidung meint Binder nun: «Dieser Vorfall zeigt anschaulich, wie wichtig das Verbot nationalsozialistischer Symbole ist.» Die Schweiz könne nicht zulassen, dass in den Alpen Wanderer in Nazi-Uniformen unterwegs seien. «Wo sind wir denn? Das neue Gesetz ist ein Mittel gegen Fundamentalismus und Geschichtsvergessenheit.» (aargauerzeitung.ch)
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