WOZ gegen Weltwoche: Die Meldung machte am Montag in Windeseile die Runde: Die linke Wochenzeitung schickt ihren Bundeshausredaktor Andreas Fagetti ins Rennen um den einzigen Nationalratssitz des Kantons Nidwalden. Der bisherige, Weltwoche-Journalist Peter Keller, kann somit nicht in einer stillen Wahl wieder ins Bundeshaus einziehen.
Andreas Fagetti kandidiert für den Nationalrat: http://t.co/Cs28z6CgIr
Mehr dazu am Donnerstag in der @wochenzeitung #Demokratieermöglichen
— WOZ (@Wochenzeitung) 31. August 2015
Die Chancen des WOZ-Reporters sind nicht gering, sie sind inexistent. «Fagetti», schreibt die NZZ, «tritt nicht einmal mit Aussenseiterchancen an.» Was sind die Gründe des Woz-Redaktors, sich in einem aussichtslosen Wahlkampf der Nidwaldner Bevökerung als Nationalrat zu empfehlen? Er kandidiere aus demokratiepolitischen Überlegungen, erklärte Fagetti gegenüber der NZZ. Die Nidwaldner sollten eine Wahl haben.
Möglicherweise entwickelt sich der Wahlstunt aber zu einem krassen Eigengoal. Wie der Politikwissenschafter Michael Hermann in einem Tweet am Mittwoch schrieb, könnte die SVP durch die Kandidatur von Fagetti auf nationaler Ebene satte 0.4 Prozent Plus machen.
Mit Kandidatur in NW schenkt @woz der @svp satte 0,4% Wähleranteil national (sonst wäre P. Keller ohne Stimmen gewählt.) Krasses Eigengoal
— Michael Hermann (@mhermann_) 2. September 2015
Wie das? «Wäre Peter Keller der einzige Kandidat gewesen, so wäre er in einer stillen Wahl ohne Stimmen nach Bern gewählt worden. So aber werden die Stimmen in Nidwalden ausgezählt», erklärt Hermann. SVP-Mann Keller werde mindestens 10'000 Stimmen machen, so die moderate Schätzung von Michael Hermann. «Das bedeutet auf nationaler Ebene 0.4 Prozent Wählerzuwachs.» Das würde der SVP zwar keine zusätzlichen Sitze im Bundeshaus bescheren, allerdings könnten die 0.4 Prozent darüber entscheiden, ob die SVP als Siegerin aus den Wahlen hervorgeht.
Anders hätte es freilich ausgesehen, wenn Fagetti nicht für die Vereinigung «Demokratie ermöglichen» angetreten wäre, sondern für eine Partei, die ebenfalls auf nationaler Ebene antritt, zum Beispiel die SP.
«Der Woz war es wichtiger, sich in einem medialen Schlagabtausch mit der Weltwoche als Hüterin der Demokratie zu inszenieren.» Dass die linke Zeitung nicht gewusst hätte, welche Vorteile sie der SVP mit der Aktion zuschanzte, kann sich der Polit-Analyst nicht vorstellen. «Der Verfasser der Wahlen-Reihe
WOZ-Redaktor Fagetti reagiert gelassen auf Hermanns Eigengoal-Vorwurf: Es gehe um eine Grundsatzdiskussion, so der 55-Jährige. «Plädiert Hermann generell für stille Wahlen? Wenn ich politisiere, dann nicht für Wähleranteile, sondern für Menschen. Ich argumentiere demokratiepolitisch. Es kann nicht sein, dass ein Kandidat für ein gewichtiges Amt im Schlafwagen nach Bern fährt», sagt Fagetti.
Und was ist mit den 0.4-Prozent Zuwachs an Wähleranteilen? «So what», wichtiger sei, dass auf die Misstände in Nidwalden aufmerksam gemacht werde.
Die drohende stille Wahl ist Fagetti aber nicht der einzige Dorn im Auge. Auch, dass mit Peter Keller ein Journalist in der Legislative sitzt, stösst dem WOZ-Journalist sauer auf. «Keller übt eine problematische Doppelrolle aus. Einerseits sitzt er im Nationalrat und anderseits arbeitet er für die Weltwoche.» Damit verstösse Keller gegen den Grundsatz der Gewaltenteilung, die den Medien die Aufgabe als Watchdog der Demokratie zuteilt.
Und wie sieht es bei ihm selber aus? Immerhin ist Fagetti auch Journalist. «Während des Wahlkampfs bin ich von der WOZ freigestellt. Abgesehen von Kolumnen schreibe ich nichts.» Und sollte es zur Wahl in den Nationalrat kommen? «Dann werde ich Politiker sein und nicht Journalist», sagt Fagetti lachend, im Wissen, dass seine Kandidatur chancenlos ist.
Tief in die Schatulle greift die WOZ denn auch nicht für den Wahlkampf. «Wir haben ein Budget von 15'000 Franken, damit werden wir einige Aktionen veranstalten», so Fagetti. (wst)
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Ob Peter jetzt ein paar Tausend Stimmen mehr macht oder nicht ist mir auch relativ egal, solange ich meine demokratischen Rechte ausüben kann.