Das Parlament kann erneut über die Abschaffung der Heiratsstrafe beraten – auf einer besseren Basis: Der Bundesrat hat am Mittwoch die angekündigte Zusatzbotschaft mit neuen Schätzungen zur Anzahl der Betroffenen vorgelegt.
Als das Stimmvolk 2016 über die Volksinitiative der CVP zur Abschaffung der Heiratsstrafe entschieden hat, lagen ihm falsche Zahlen des Bundes vor. Das Bundesgericht entschied im Mai, dass die Abstimmung deswegen aufgehoben werden muss.
Zieht das Initiativkomitee die Volksinitiative nicht zurück, wird die Abstimmung wiederholt. Ein Rückzug dürfte erfolgen, wenn das Parlament Gesetzesänderungen beschliesst. Der Bundesrat hat bereits vor über einem Jahr eine Vorlage dazu ans Parlament geleitet. Diese war sistiert. Nun können die Beratungen beginnen.
Gemäss den neuen Angaben sind rund 454'000 Zweiverdienerehepaare und 250'000 Rentnerehepaare gegenüber unverheirateten Paaren durch eine steuerliche Mehrbelastung von mehr als 10 Prozent benachteiligt.
Neben der Heiratsstrafe gibt es auch einen Heiratsvorteil: Rund 200'000 Einverdiener- und 124'000 Zweiverdienerehepaare sowie 58'000 Rentnerehepaare kommen in den Genuss einer Minderbelastung von mehr als 10 Prozent gegenüber einem Konkubinatspaar in gleichen wirtschaftlichen Verhältnissen.
Unter dem Strich leiden rund 704'000 Paare unter der Heiratsstrafe, rund 382'000 profitieren vom Heiratsvorteil. Der Bundesrat ist diesmal allerdings vorsichtig: Die Zahlen beruhten auf Annahmen und seien mit erheblichen Unsicherheiten verbunden, schreibt er.
Eine grosse Rolle bei der Heiratsstrafe spielt die Einkommensaufteilung. Bei Zweiverdienerehepaaren ohne Kinder ist eine steuerliche Benachteiligung gegenüber Konkubinatspaaren umso wahrscheinlicher, je höher das Gesamteinkommen ist und je gleichmässiger sich dieses auf beide Personen aufteilt.
Zweiverdienerehepaare mit hohen und gleichmässig auf die Eheleute aufgeteilten Gesamteinkommen sind tendenziell steuerlich benachteiligt, Zweiverdienerehepaare mit niedrigen und ungleichmässig aufgeteilten Gesamteinkommen sind tendenziell bevorteilt. Bei Zweiverdienerehepaare mit zwei Kindern ist der Einfluss der Aufteilung des Gesamteinkommens etwas komplexer.
Untersucht hat der Bundesrat ferner, ob und inwiefern Ehepaare auch bei den Sozialversicherungen benachteiligt sind. Er kommt zum Schluss, dass dies nicht der Fall ist. Zwar sind Ehepaare gegenüber gleich situierten Konkubinatspaaren durch die Plafonierung der AHV-Renten auf 150 Prozent der Maximalrente für Einzelpersonen schlechter gestellt.
Bei den übrigen Leistungen und bei den Beiträgen der AHV sind Ehepaare gegenüber Konkubinatspaaren jedoch besser gestellt. Verheiratete Nichterwerbstätige müssen keine eigenen Beiträge bezahlen, wenn die Ehepartnerin oder der Ehepartner erwerbstätig ist und pro Jahr mindestens den doppelten Mindestbeitrag an die AHV entrichtet.
Auf der Leistungsseite bestehen mit den Witwen- und Witwerrenten sowie dem Verwitwetenzuschlag Privilegien, die ebenfalls nur Ehepaaren zustehen. Auch in der beruflichen Vorsorge seien Verheiratete speziell geschützt und finanziell gegenüber Unverheirateten privilegiert, heisst es in der Botschaft.
In der Gesamtbetrachtung ergebe sich ein ausgewogenes Bild mit leichten Vorteilen der verheirateten Personen, schreibt der Bundesrat. Aus seiner Sicht bestehe deshalb bei den Sozialversicherungen in dieser Frage kein Handlungsbedarf. Die Forderung, auch bei den Sozialversicherungen Nachteile von Ehepaaren zu beheben, war im Parlament erhoben worden.
Im Steuerrecht kommt es zur so genannten Heiratsstrafe, weil die Einkommen der Ehepaare zusammen veranlagt werden. Diese tragen eine höhere Steuerlast, weil im progressiven Steuersystem höhere Einkommen zu einem höheren Satz besteuert werden.
Der Bundesrat schlägt in seiner Gesetzesvorlage vor, dass die Behörden in einem ersten Schritt die Steuerbelastung der Ehepaare im Rahmen der gemeinsamen Veranlagung berechnen. In einem zweiten Schritt würden sie diese in Anlehnung an die Besteuerung von Konkubinatspaaren berechnen. Geschuldet wäre der tiefere Betrag.
Steigen würde mit den Vorschlägen des Bundesrates die Steuerbelastung für Konkubinatspaare mit Kindern. Deren übermässige Entlastung sei eine der Ursachen dafür, dass manche Ehepaare benachteiligt seien, hiess es in der Botschaft zu den Gesetzesänderungen.
Die Reform würde bei der direkten Bundessteuer zu Mindereinnahmen von rund 1.5 Milliarden Franken führen. Davon entfielen rund 1.2 Milliarden Franken auf den Bund und rund 300 Millionen Franken auf die Kantone. Auch diese Schätzung hat der Bundesrat aktualisiert. Nun ist das Parlament am Zug. (mim/sda)
Bei einer Scheidungsrate gegen 50%, Überalterung und immer mehr Paaren die auch ohne Kinder glücklich sind, scheint mir das traditionelle Familienbild schon eher die Ausnahme als die Regel. Da macht ein System welches auf Familien aufbaut schlicht kein Sinn mehr...