Geht es nach dem Willen des Bundesrates, so wird es in der Eidgenossenschaft in naher Zukunft kein Schweizer Pendant zum deutschen 9-Euro-Ticket geben. Dies erklärte das Verkehrsdepartement unter SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga am Dienstag in der Fragestunde des Nationalrates.
Die Antworten der Landesregierung erwähnen jene Punkte, die bislang in Deutschland als grösste Kritikpunkte geliefert wurden: Befürchtet wird, dass ein solches Angebot hierzulande auch zu zu überfüllten Bussen und Zügen und damit unzufriedener Kundschaft führen könnte.
Überlastung und Unzufriedenheit seien aber nicht das einzige Risiko, das ein mögliches helvetisches 9-Euro-Ticket mit sich bringen würde: Hinzu käme ein «Imageverlust» für den öffentlichen Verkehr der Schweiz sowie das Risiko, dass ein Teil der bisherigen Bahn- und Bus-Nutzerinnen und -Nutzer temporär aufs Auto umsteigen. Sprich: Der Bundesrat befürchtet, dass sich die Schweiz in den eigenen Schwanz beissen würde, wenn die Sparticket-Idee aus Deutschland kopiert wird.
Damit dürfte klar sein, dass in der Schweiz alles beim Alten bleibt und kein 9-Euro-Ticket kommt. Eine solche Forderung lag zwar nicht konkret im Raum, der Berner SP-Nationalrat Matthias Aebischer fand die Idee jedoch «super» genug, um die Haltung des Bundesrates anfragen zu wollen. Er selbst äusserte sich nicht zur Frage, mit was für Angeboten der öffentliche Verkehr konkret gefördert werden soll. Gegenüber SRF erklärte er lediglich, dass er sich auch eine «Tageskarte für den Sommer» vorstellen könnte.
Diesen Pragmatismus begründete Aebischer unter anderem auch mit den Kosten. Wie hoch diese mit einem Schweizer Pendant zum 9-Euro-Ticket hätten sein können, bezifferte der Bundesrat in der Antwort auf Aebischers Vorstoss nicht. Oberflächlich wird darauf hingewiesen, dass das «Kosten-Nutzen-Verhältnis» ein solches Angebot nicht rechtfertigen würde.
Für Aebischer und seine Parteikolleginnen und -kollegen sind die Bedenken des Bundesrates aber kein Grund, die Idee einer «öV-Aktion» ganz fallen zu lassen. Aus den Reihen der SP wurden deshalb gleich vier Vorstösse eingereicht, um mögliche Ideen zu evaluieren, «welche das Portemonnaie der Bürgerinnen und Bürger entlastet und zum Umsteigen auf den öffentlichen Verkehr animiert».
So könne etwa mit einer «10-Franken-Tageskarte» oder speziellen Angeboten für Familien, Jugendlichen, Rentnerinnen und Sozialhilfebeziehern auf allfällige Risiken Rücksicht genommen werden, die bei einer Eins-zu-eins-Übernahme der deutschen Lösung aufkommen könnten. Andere Vorstösse zielen darauf ab, dem öffentlichen Verkehr mehr Gelder zu geben.
In Deutschland sah man zumindest die finanziellen Aspekte ähnlich wie die SP: Die Regierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz investierte über 2,5 Milliarden Euro für die Einführung des deutschlandweiten Sparangebots. Dieses kostet neun Euro, kann für einen Monat erworben werden und ermöglicht die freie Fahrt auf allen Regionalzügen.
Die Erfahrungen vom Pfingstwochenende deuten auf einen grossen Erfolg hin: Im ganzen Land wurden gut ausgelastete Züge gemeldet. Kritik und Häme gab es wegen des Chaos bei besonders beliebten Ausflugsstrecken. Die Deutsche Bahn versprach zwar, 50 zusätzliche Züge einsetzen und das Personal verstärken zu wollen – sie verhinderten aber zahlreiche Verspätungen und die Frustration bei manchen Kundinnen und Kunden nicht.
Zu evaluieren wären nun, wieviel mehr Frustration es gegenüber dem Alltag ohne 9-Euro-Ticket gab. Ob die Frustration ev gar nicht dem 9-Euro-Ticket geschuldet ist.