Schweiz
Bundesrat

Wie zwei Frauen die Regierung verändern – und die Männer unter Druck setzten

Viola Amherd, links, und Karin Keller-Sutter, freuen sich ueber ihre Wahlen zu den 118. und 119. Mitgliedern des Bundesrates waehrend der Ersatzwahl in den Bundesrat durch die Vereinigte Bundesversamm ...
Bild: KEYSTONE

Wie zwei Frauen die Regierung verändern – und die Männer unter Druck setzten

Viola Amherd und Karin Keller-Sutter machen die Regierung zugänglicher, erhöhen aber gleichzeitig die Gangart im Gremium.
24.03.2019, 01:45
OTHMAR VON MATT / ch media
Mehr «Schweiz»

Als sie am 11. März zur ersten Fragestunde als Bundesrätin antreten musste, stand Karin Keller-Sutter schon fünf Minuten vor Ratsbeginn im Saal. Sie begrüsste Parlamentarier persönlich per Händedruck, nutzte die Zeit für ein Schwätzchen. Und wer danach in der Wandelhalle mit ihr reden wollte, konnte das ohne Probleme tun.

Auch Viola Amherd überraschte. Im Anschluss an ihre Medienkonferenz zur Teilprivatisierung der Ruag gab sie Interviews in Pools und begrüsste jeden Journalisten per Händedruck. Das sind sie sich nicht gewohnt. Hatte einer ein Problem auf Französisch, half sie ihm mit Walliser Schalk aus der Patsche: «Ich weiss, was Sie meinen.»

Knapp drei Monaten sind die neuen Bundesrätinnen im Amt und sie fallen mit ungewöhnlicher Zugänglichkeit auf. Aber auch mit inhaltlichen Pflöcken, die sie einschlagen. Keller-Sutter fällte den Entscheid, dass radikale Schweizer Dschihad-Reisende nicht zurückgeholt werden. Und Amherd brachte das Ruag-Geschäft aufs Tapet.

Bundesraetin Viola Amherd, links, und Gerhard Pfister, Parteipraesident CVP Schweiz, rechts, lachen anlaesslich der Nominationsveranstaltung der CVP des Kantons Bern zu den Nationalratswahlen 2019, am ...
Gerhard Pfister mit Bundesrätin Viola Amherd. Bild: KEYSTONE

«Die beiden neuen Bundesrätinnen bringen frischen Wind in die Regierung. Sie tun ihren Departementen gut», urteilt CVP-Präsident Gerhard Pfister. «Sie waren sehr schnell vertraut mit dem Job des Bundesrats.» Lob gibt es auch von der SP. Beides seien «glaubwürdige Persönlichkeiten, die gesprächsoffen sind», sagt SP-Nationalrätin Edith Graf-Litscher. «Sie arbeiten lösungsorientiert und nicht ideologisch.»

Die Frauen mischen sich ein

Nach nicht einmal hundert Tagen im Amt scheint eines klar: Keller-Sutter und Amherd dürften die Geometrie in der Regierung verändern. Die beiden Frauen knien sich in ihre Dossiers, sind stets gut vorbereitet, haben in den Departementen klar die Führung übernommen, betreiben sachlich-konstruktive Politik. Sie mischen sich auch ein in die generellen Bundesratsgeschäfte. «Ja, natürlich» sagt Keller-Sutter dazu. «Dafür wurde ich ja gewählt.»

Im Bundeshaus am Tag der Bundesratswahlen:

1 / 28
Im Bundeshaus am Tag der Bundesratswahlen
Die beiden neuen Bundesrätinnen Karin Keller-Sutter und Viola Amherd bei der Vereidigung.
quelle: keystone / anthony anex
Auf Facebook teilenAuf X teilen

Die beiden Frauen erhöhen die Gangart in der Regierung und setzen, indirekt, die Männer unter Druck. Sie stellen Fragen, wollen zeitnahe Entscheide, wenn die Geschäfte reif sind. Keller-Sutter führte das im Fall der Dschihad-Reisenden vor. Monatelang hatte der Sicherheitsausschuss die Frage hin und her gewälzt. Doch kaum war die Ostschweizerin im Amt, gehörte die Schweiz weltweit zu den ersten Ländern, die Dschihad-Reisende nicht zurückholen wollen. «Das Geschäft lag auf dem Tisch, war nicht entschieden», sagt sie. «Doch die Behörden wie Fedpol, Nachrichtendienst und Konsulardienst im EDA wollen Leitlinien. Dann muss man einen Entscheid fällen.»

Beobachter trauen es Keller-Sutter zu, in kurzer Zeit zur starken Frau der Regierung zu werden. Sie bringt alles mit: Erfahrung als Regierungs- und Ständerätin. Und als Ex-Justizdirektorin des Kantons St. Gallen hat sie Anknüpfungspunkte im Justizdepartement (EJPD). «Eine etwas neue Welt», sagt sie, «ist für mich der Nationalrat.»

Es ist die Scharnierfunktion, die Keller-Sutter zusätzliches Gewicht gibt. Unter ihrem Vorgänger Johann SchneiderAmmann nutzten FDP und SVP ihre Mehrheit oft, um Geschäfte in der Regierung durchzuboxen. Das wird sich mit Keller-Sutter ändern. Zwar gilt auch sie in migrations-, wirtschafts- und finanzpolitischen Fragen als klar bürgerlich. Doch in ihrer Zeit als Ständerätin bewies sie, dass sie Mehrheiten in wichtigen Geschäften auch mit links schmieden kann – wie etwa bei der Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative oder beim Steuer-AHV-Deal.

Bundesrat Guy Parmelin spricht waehrend der Fruehlingssession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 21. Maerz 2019 im Nationalrat in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex)
Guy ParmelinBild: KEYSTONE

Doch auch Guy Parmelin (SVP), der neue Wirtschaftsminister, wird weniger dogmatisch auftreten als sein Vorgänger. Er sei «glücklich» im neuen Departement, sagt er. Und die Beziehungen zu den neuen Bundesrätinnen seien «sehr gut», wie schon mit den Vorgängern.

Keller-Sutter kommt auch entgegen, dass sie eine grössere Distanz zur eigenen Partei hat als Ignazio Cassis, Ex-Fraktionschef der FDP. Dennoch wird sie gut mit ihrem Parteikollegen zusammenarbeiten.

«Die Frauen spüren, dass sie in der Regierung eine wichtige Rolle haben müssen.»
NATIONALRATSPRÄSIDENTIN MARINA CAROBBIO

Amherd selbst beeindruckt im Verteidigungsdepartement (VBS) militärische wie zivile Spitzen als juristische Schnellleserin. Bereits nach nur knapp drei Monaten weiss die Newcomerin, in welche Richtung sie das VBS steuern will. In einem Vortrag vor der Offiziersgesellschaft nannte sie ihre Prioritäten: Erneuerung der Luftwaffe, Stärkung der Cyberabwehr, Totalrevision des Bevölkerungs- und Zivilschutzgesetzes und Entflechtung der Ruag. Ein besonderes Anliegen ist der ersten Schweizer Verteidigungsministerin die Förderung der Frauen in der Armee.

Amherds Lernkurve

Wie lernfähig Amherd ist, bewies sie bei ihren Medienauftritten. An der Medienkonferenz zur Armeebotschaft war Journalisten aufgefallen, dass Armeechef Philippe Rebord die Chefin mit langer Redezeit ein wenig in den Schatten stellte. Das passierte Amherd beim Ruag-Auftritt nicht mehr. Offenbar gut gebrieft, dirigierte diesmal die Walliserin die vier Männer an ihrer Seite, Vizekanzler André Simonazzi inklusive.

Der Chef Armee, Philippe Rebord anlaesslich der Delegiertenversammlung der Schweizerischen Offiziersgesellschaft SOG vom Samstag, 16. Maerz 2019 im Kloster Einsiedeln. (KEYSTONE/Urs Flueeler)
Philippe RebordBild: KEYSTONE

Amherd und Keller-Sutter teilen mit Simonetta Sommaruga ein gemeinsames Anliegen: jenes der Frauen. Am 11. Dezember waren die drei Frauen zur Vernissage der neuen Parlaments-Website «Politfrauen» anwesend, die Nationalratspräsidentin Marina Carobbio angeregt hatte. Und am Tag der Frau hatten die drei Bundesrätinnen 30 Frauen zum Gespräch geladen. «Das war symbolisch sehr wichtig», sagt Carobbio. Die drei Frauen seien Dossier-orientiert und könnten deshalb in der Regierung «starke Positionen zu wichtigen Problemen» vertreten. «Die Frauen spüren, dass sie in der Regierung eine wichtige Rolle haben und auch haben müssen», betont sie. «Gerade von Frauenseite her gibt es grosse Erwartungen im positiven Sinne.»

Keller-Sutter weiss das. Das zeigt ihre Rede vor den FDP-Delegierten im Januar. Sie spüre den Erwartungsdruck, der mit der Wahl zweier Bundesrätinnen verbunden sei. «Alles muss nun besser werden: mehr Leadership im Bundesrat, das Ende der Alleingänge.» Sie werde alles tun, um die Erwartungen zu erfüllen. «Weil sie meinen eigenen Überzeugungen entsprechen.» (aargauerzeitung.ch)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Bundesratswahlen 2018: So titeln die Tageszeitungen
1 / 10
Bundesratswahlen 2018: So titeln die Tageszeitungen
Die Bundesratswahlen dominieren heute die Frontseiten der Schweizer Zeitungen. Für den «Blick» ist heute der «Tag der Frauen».
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Ein historischer Tag für Frauen
Video: srf
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
19 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
malina2
24.03.2019 07:26registriert Dezember 2018
Scheint als wären die zwei richtigen Personen gewählt worden. Lächerlich, dass man daraus jetzt wieder ein Geschlechterthema machen muss.
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
Holzkopf
24.03.2019 09:39registriert November 2017
Toll, dass die neuen Bundesrätinnen einen guten Job machen!
Ich frage mich nur, ob allen Weiblein und Männlein geholfen ist, wenn daraus ein Geschlechterkampf gemacht wird...
00
Melden
Zum Kommentar
avatar
N. Y. P.
24.03.2019 06:22registriert August 2018
So geht Bundesrat.

Also, ich muss schon sagen. Viola Amherd liest sich innerhalb kürzester Frist in ihre Dossiers ein und setzt Leitplanken.

Ich traue ihr zu, dass sie in Sachen Kampfjets uns Bürgern die ganze Materie einmal so erklärt, dass auch der Hans von Zweisimmen nachher weiss, worauf es ankommt, bei der Anschaffung der neuen Flieger.

Toll, diese zwei Frauen im Bundesrat.

#wirzweihabenlust
00
Melden
Zum Kommentar
19
Er hinterlässt Schulden und unfertige Baustellen – das ist der Verwalter der Sugus-Häuser
Sugus-Haus-Erbin Regina Bachmann hat 105 Mietparteien die Wohnung kündigen lassen. Von Unternehmer Goran Zeindler. Das soll kein Zufall sein. Zeindlers Ex-Geschäftspartner packt aus.

«Wir sprechen von Goran», sagt Luka Babic* zum Arbeiter, der sich gerade zu ihm an den Tisch gesetzt hat. Hier, in den Tiefen des Kantons Glarus, in einer Raucherbar. «Pha!», ruft der Arbeiter aus und schüttelt den Kopf. «Der Zeindler? Ein Elender ist das!», sagt der Arbeiter. Keucht. Dann zündet er sich eine Zigarette an und verstummt. Ihm fehlen offenbar die Worte.

Zur Story