Der politische Motor der Schweiz hat nach Ansicht von Alt-Bundesrat Kaspar Villiger plötzlich Aussetzer. In einem Interview mit Tamedia rief er insbesondere den Bundesrat dazu auf, sich von den Interessen der eigenen Partei zu lösen.
Die Urbanisierung, die Zersplitterung politischer Kräfte und neue Medien führten zu einem polarisierten Land, wie der ehemalige FDP-Bundesrat Villiger in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview mit Tamedia sagte. Die Polarisierung setze das konsensorientierte System unter Druck.
«Polarisierte Systeme können nur dann funktionieren, wenn die Pole bereit sind, Kompromisse einzugehen», sagte Villiger. Die Polparteien seien dazu nicht bereit. «Deshalb haben wir Reformstatus im Europadossier, in der Altersvorsorge, der Neutralitätspolitik und der Energiepolitik», sagte der ehemalige Verteidigungs- und Finanzminister.
Zudem habe der Einfluss der Parteien auf ihre Bundesräte zugenommen. Dennoch habe er Hoffnung. Schon früher habe es Phasen grosser Polarisierung gegeben, sagte Villiger. Er hoffe darauf, dass sich die Bundesräte künftig weniger stark von den Partikularinteressen ihrer Parteien treiben lassen. «Ein geeinter Bundesrat kann Berge versetzen», sagte der 82-Jährige. Das erwarte er auch jetzt vom Bundesrat.
Villiger gehörte von 1989 bis 2003 der Landesregierung an. Er gilt als Vater der Schuldenbremse. Von 2009 bis 2012 war er Verwaltungsratspräsident der Grossbank UBS. (sda)