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Analyse

Betrügerische Werbung bei WhatsApp und Instagram bringt Milliarden ein

Facebook-CEO Mark Zuckerberg, 2019. Betrügerische Promi-Werbung bei Facebook und Co.
Facebook-Gründer Mark Zuckerberg verdient auch bei Fake-Promi-Werbung mit.Bild: imago-images.de / Facebook
Analyse

Recherche zeigt: So verdient der Facebook-Konzern mit betrügerischer Werbung Milliarden

Der Nachrichtenagentur Reuters wurden brisante interne Unterlagen des Meta-Konzerns zugespielt. Dessen Umgang mit gefälschter Promi-Werbung und anderen illegalen Aktivitäten lässt aufhorchen.
08.11.2025, 08:1808.11.2025, 10:18

Interne Untersuchungen von Meta legen nahe, dass der US-Konzern zu einer tragenden Säule der globalen Online-Betrugswirtschaft geworden ist. Im Fokus sind die marktbeherrschenden Social-Media-Plattformen Facebook und Instagram, aber auch WhatsApp.

Recherchen der Nachrichtenagentur Reuters zeigen zudem, dass Betrüger auf den Meta-Plattformen ein leichteres Spiel haben als beim Konkurrenten Google, respektive dem Alphabet-Konzern, zu dem unter anderem die Videoplattform YouTube gehört.

In einem ausführlichen Bericht deckt Reuters die fragwürdigen Praktiken und Versäumnisse von Meta während der letzten fünf Jahre auf. watson fasst die aus Schweizer Sicht wichtigsten Erkenntnisse zusammen.

Wie schlimm ist es?

Der Social-Media-Konzern von Mark Zuckerberg geht gemäss internen Unterlagen davon aus, dass täglich 15 Milliarden betrügerische Anzeigen auf seinen Plattformen angezeigt werden. Dies verrät die Recherche der Nachrichtenagentur Reuters (siehe Quellen).

Gemäss internen Dokumenten, die Reuters-Journalisten einsehen konnten, stammen rund 10 Prozent des gesamten Jahresumsatzes von Meta aus Werbung für Betrugsmaschen und verbotene Waren. Im laufenden Jahr nehme der Techkonzern so rund 16 Milliarden Dollar ein.

Aus den bislang unveröffentlichten Meta-Dokumenten gehe ausserdem hervor, dass der Social-Media-Riese mindestens drei Jahre lang nicht in der Lage gewesen sei, eine Flut von betrügerischen Anzeigen zu erkennen und wirksam zu bekämpfen.

Die Folge: Milliarden Nutzerinnen und Nutzer von Facebook, Instagram und WhatsApp seien betrügerischen E-Commerce- und Investitionssystemen ausgesetzt worden, aber auch Werbung für illegale Online-Casinos und den Verkauf verbotener Medizinprodukte.

«Laut einem Dokument vom Dezember 2024 zeigt das Unternehmen seinen Plattformnutzern durchschnittlich täglich schätzungsweise 15 Milliarden betrügerische Anzeigen mit hohem Risiko an – also solche, die eindeutige Anzeichen von Betrug aufweisen.»

Interessant: Der Konkurrenzvergleich von Meta ergab, dass es Betrüger auf den eigenen Plattformen deutlich einfacher haben als beim Konkurrenten Google.

Warum wurden die betrügerischen Anzeigen nicht gestoppt?

Ein Grossteil des Betrugs ging gemäss Reuters-Bericht von Inserenten aus, die sich dermassen verdächtig verhielten, dass sie von Metas internem Warnsystem automatisch erfasst wurden. Aber: Der US-Techkonzern ging daraufhin nicht etwa entschieden gegen verdächtige Inhalte vor, sondern kassierte weiter ab.

«Laut den Dokumenten sperrt das Unternehmen Werbetreibende jedoch nur dann, wenn seine automatisierten Systeme mit mindestens 95-prozentiger Wahrscheinlichkeit Betrug vorhersagen.

Besteht weniger Gewissheit – hält das Unternehmen den Werbetreibenden aber dennoch für einen potenziellen Betrüger –, erhebt Meta höhere Anzeigentarife als Strafe.»
quelle: reuters.com

Für ahnungslose User, die betrügerische Werbeanzeigen anklickten, kam es wegen der Empfehlungs-Algorithmen noch schlimmer, wie Reuters herausgefunden hat: In den internen Dokumenten werde darauf hingewiesen, dass den Betroffenen daraufhin wahrscheinlich noch mehr solcher Inhalte angezeigt wurden.

Die Details der vertraulichen Selbsteinschätzung von Meta stammen laut Reuters aus Unterlagen, die zwischen 2021 und 2025 erstellt wurden.

Promi-Betrüger im Fokus

Interne Dokumente aus dem Jahr 2022 belegten, dass Meta seine Angestellten anwies, sich hauptsächlich auf Betrüger zu konzentrieren, die sich in Postings als Prominente ausgeben und grosse Marken missbrauchten.

Denn solche Identitätsdiebstähle würden die Gefahr bergen, Werbetreibende und Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens zu verärgern. Und dies könnte den User-Interaktionen und den Einnahmen schaden.

SRF berichtete 2024 über betrügerische Werbespots bei Social Media. Nachfolgend ein Deepfake-Video eines SRF-Moderators:

Laut Reuters entliess Meta zudem 2023 alle Mitarbeiter jenes Teams, das sich um die Anliegen von Werbetreibenden bezüglich Markenrechten kümmerte. Die mit Sicherheitsbelangen betrauten Angestellten seien angewiesen worden, die Nutzung von Rechnerkapazität des Unternehmens einzuschränken, um mehr Ressourcen für Virtual Reality (VR) und KI bereitzustellen.

Aber selbst wenn Betrüger auf frischer Tat ertappt werden, sind die Regeln von Meta laut den Dokumenten «mitunter nachsichtig». Einem Dokument aus dem Jahr 2024 zufolge müsste ein kleiner Werbetreibender mindestens achtmal wegen der Förderung von Finanzbetrug gemeldet werden, bevor Meta ihn sperrt. Andere Dokumente belegten, dass einige Grosskunden – sogenannte «High Value Accounts» – mehr als 500 Verstösse ansammeln konnten, ohne dass Meta reagiert.

Was muss sich ändern?

Die Reuters-Journalisten haben einen unabhängigen Fachmann zur Problematik befragt, der früher selbst als Sicherheitsermittler für Meta tätig war. Heute ist der amerikanische Betrugsexperte Sandeep Abraham selbstständiger Unternehmer, der eine Beratungsfirma namens Risky Business Solutions leitet. Er kritisiert den offensichtlichen Mangel an staatlicher Aufsicht über die Online-Werbebranche und die Techkonzerne.

«Wenn die Aufsichtsbehörden es nicht tolerieren, dass Banken von Betrug profitieren, sollten sie es auch im Technologiesektor nicht tolerieren.»

Wie verteidigt sich der Facebook-Konzern?

In einer Stellungnahme erklärte ein Meta-Sprecher, die von Reuters eingesehenen Dokumente würden «eine selektive Sichtweise vermitteln», die Metas Umgang mit Betrug und Täuschungsmanövern verzerrten.

Der Konzernsprecher widersprach auch der eigenen internen Schätzung des Unternehmens, wonach 10 Prozent des Umsatzes im Jahr 2024 aus Betrug und anderen verbotenen Anzeigen stammten. Man habe später festgestellt, dass die tatsächliche Zahl niedriger sei. Allerdings lehnt er es ab, eine andere Zahl zu nennen.

Und weiter:

«Wir bekämpfen Betrug und Abzocke mit aller Entschlossenheit, weil weder die Nutzer unserer Plattformen noch seriöse Werbetreibende oder wir selbst solche Inhalte wollen.

In den vergangenen 18 Monaten haben wir die Meldungen von Nutzern über betrügerische Anzeigen weltweit um 58 Prozent reduziert und im Jahr 2025 haben wir bisher mehr als 134 Millionen betrügerische Anzeigen entfernt.»
Meta-Sprecherquelle: reuters.com

Wie geht es weiter?

Das ist nicht bekannt.

Die jüngsten Enthüllungen kommen zu einem kritischen Zeitpunkt, konstatiert Reuters. Aufsichtsbehörden weltweit drängten das US-Unternehmen, mehr für den Schutz der User vor Online-Betrug zu tun.

  • In den USA ermittle die Börsenaufsichtsbehörde SEC gegen den Meta-Konzern wegen der Schaltung von Werbung für Finanzbetrug, wie aus den internen Dokumenten hervorgehe.
  • In Grossbritannien habe eine Aufsichtsbehörde letztes Jahr informiert, dass Metas Plattformen im Jahr 2023 an 54 Prozent aller Verluste durch Zahlungsbetrug beteiligt waren – mehr als doppelt so viel wie alle anderen Social-Media-Plattformen zusammen.

Aus den internen Dokumenten geht gemäss Reuters ausserdem hervor, wie Meta abwägte, ob es mehr Geld für die Betrugsbekämpfung ausgeben will. Bekanntlich hat Mark Zuckerberg eine KI-Offensive gestartet und will mit Milliardeninvestitionen gegen andere US-Techkonzerne antreten, die ebenfalls Rechenzentren bauen.

Die gesichteten Dokumente verdeutlichten, dass Meta seine illegalen Einnahmen reduzieren wolle. Das Unternehmen befürchte jedoch, dass «abrupte Einbrüche bei den Einnahmen aus betrügerischer Werbung seine Geschäftsprognosen beeinträchtigen».

Aus Schweizer Perspektive ist anzumerken, dass sich die Landesregierung schwertut, gegen die marktbeherrschenden US-Techkonzerne zu agieren. Der zuständige Bundesrat, Medienminister Albert Rösti (SVP), setzt auf Eigenverantwortung bei den Konsumenten und scheut sich vor strengen Regeln für Meta und Co.

Immerhin könnte ein öffentliches Werberegister, zu dem der Bundesrat die grossen Techkonzerne verpflichten will, etwas mehr Transparenz schaffen.

Dieses Vorhaben deckt sich mit den Erkenntnissen von Brancheninsidern wie Rob Leathern, der früher bei Meta die Abteilung für Geschäftsintegrität leitete.

«Ich wünsche mir mehr Transparenz. Ich möchte, dass Dritte – Forscher, Wissenschaftler, gemeinnützige Organisationen, einfach alle – beurteilen können, wie effektiv diese Plattformen Betrug und Täuschung verhindern.»

Ein weiterer sinnvoller Schritt wäre laut Leathern, dass die Plattformbetreiber die User benachrichtigen und warnen, wenn festgestellt wurde, dass sie auf eine betrügerische Anzeige geklickt haben – anstatt sie mit weiteren betrügerischen Anzeigen zu überhäufen.

Ausserdem sollten die Plattformen ihre durch betrügerische Werbung erzielten Gewinne an gemeinnützige Organisationen spenden, die sich dem Kampf gegen Online-Betrug verschrieben haben.

Quellen

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148 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Flexon
08.11.2025 09:05registriert Februar 2014
Endlich sagt es mal jemand laut. Und YouTube ist definitiv nicht viel besser.

Diese Konzerne zerstören Werbemärkte für lokale Medien und weil sie den Rachen nicht voll genug bekommen, setzen sie ihre Nutzer zusätzlich noch täglich Betrug aus.

Das ist eigentlich kriminell. Warum unternehmen Regierungen nichts dagegen?
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Kasimir, der einbeinige Pfützenspringer
08.11.2025 08:59registriert Mai 2023
"Besteht weniger Gewissheit – hält das Unternehmen den Werbetreibenden aber dennoch für einen potenziellen Betrüger –, erhebt Meta höhere Anzeigentarife als Strafe.»
Mehr muss man nicht wissen über das Business-Modell von Herrn Zuckerberg. Widerlich.
1321
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ThoLo
08.11.2025 08:27registriert Juli 2019
Aber von WhatsApp weg ist ja zuviel verlangt für die meisten….
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