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EX-SRF-Direktorin kritisiert Absetzung von «Gesichter und Geschichten»

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Ehemalige SRF-Direktorin kritisiert Absetzung von «Gesichter und Geschichten»

Das Ende von «G & G» sorgt für Unruhe bei SRF. Ein Podcast zweier Moderatoren über das Aus erreicht ein grosses Publikum.
06.05.2025, 20:4706.05.2025, 20:47
Francesco Benini / ch media
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Es kommt nicht oft vor, dass eine vormalige Direktorin des Schweizer Fernsehens ihre Nachfolgerin kritisiert. Ingrid Deltenre tut das nun. Sie äussert ihr Unverständnis über die Absetzung des Gesellschaftsmagazins «Gesichter und Geschichten».

Deltenre war SRF-Direktorin von 2004 bis 2009. Sie betont, dass «G & G» kulturellen und gesellschaftlichen Veranstaltungen eine Plattform biete, die es in anderen SRF-Sendungen nicht gebe. «Die Sendung leistet einen echten Service public», meint Deltenre.

SRF müsse sparen und wolle sich auf Sendungen in der Primetime konzentrieren. Das sei grundsätzlich nicht falsch, erklärt die ehemalige Fernsehchefin.

«Allerdings ist ‹G & G› eine relativ günstige tagesaktuelle Sendung, die einen wichtigen Programmauftrag von SRF erfüllt. Deshalb stellt sich schon die Frage, ob es nicht andere und bessere und wesentlich grössere Sparhebel geben würde.»

Die Produktion der Sendung kostet jährlich 2 Millionen Franken; das Budget von SRF beträgt rund 600 Millionen.

Deltenre SRF Wappler Teaserbild
Ingrid Deltenre (links) findet das Ende von «G & G» falsch.
Nathalie Wappler hat es angeordnet.
Montage: chm, Bilder: Keystone / SRF

Ärger unter Schweizer Kulturschaffenden

Die Kritik an Nathalie Wappler kann man in einem Buch lesen, das am Montagabend in Zürich vorgestellt worden ist. «Glanz & Gloria» – so der ursprüngliche Name des Vorabendformats – des Journalisten Thomas Renggli war fast fertiggestellt, als Wappler am vergangenen 5. Februar verkündete: «G & G» sei nur noch bis Ende Juni im Programm. Also wurden einzelne Kapitel überarbeitet.

An der Buchvorstellung brachte Rolf Knie die vorherrschende Meinung der Anwesenden so auf den Punkt:

«Die SRG hat noch nicht realisiert, was für einen Blödsinn sie gemacht hat mit der Absetzung.»

Einerseits verliert die Schweizer Cervelat-Prominenz ihren Grill. Die Redaktoren von «Gesichter und Geschichten» besuchten aber auch die Premieren von Kabarettisten, Konzerte von Sängerinnen, Kunstvernissagen.

Schweizer Kulturschaffende sind entsprechend aufgebracht über das Ende von «G & G.» Sie verweisen darauf, dass ihre Branche 2018 gegen die No-Billag-Vorlage eine wirksame Kampagne aufgezogen habe. Ein vergleichbares Engagement dürfe man nicht erwarten, wenn es darum gehe, im kommenden Jahr die Halbierungsinitiative abzuwehren. Die Enttäuschung über die SRG sei zu gross.

Als SRF-Chefin Wappler entschied, «G & G» abzusetzen, hätte sie das wohl besser mit sofortiger Wirkung getan. Die Mitglieder der Redaktion beschreiben sich als verschworenes Team. Die Journalisten üben sich zwar nicht in offener Rebellion, sie halten mit ihrer Meinung aber nicht hinter dem Berg.

Moderatoren des Magazins sind nicht mehr gefragt

Jennifer Bosshard und Michel Birri haben einen Podcast lanciert, der vom Ende der Sendung handelt. «B & B abgsetzt» stösst auf ein riesiges Interesse – die Talkshow der beiden Moderatoren erreicht Spitzenplätze in den Apple-Charts.

Zehn Folgen sind geplant. Die beiden sprechen von einer «Selbsttherapie». Es geht aber nicht nur um eine Verarbeitung des Schocks, Bosshard hält auch ein Plädoyer für den Fortbestand der SRG.

Aushängeschild von «Gesichter und Geschichten»: Moderatorin Jennifer Bosshard.
Jennifer Bosshard, Moderatorin von «Gesichter & Geschichten» – bis Juli.

Wird das Aushängeschild von «G & G» weiter für den öffentlich finanzierten Rundfunk arbeiten? «Ich kann dazu noch nichts sagen», erklärt sie.

Offenbar hat aus dem vierköpfigen Moderationsteam niemand ein gutes Angebot für ein weiteres Engagement vor der Kamera bekommen. Am Leutschenbach können das viele nicht verstehen. Bosshard ist inzwischen eines der bekanntesten SRF-Gesichter; ihr Moderationstalent ist unbestritten.

Ein Teil der Redaktion darf bleiben und soll künftig andere Sendungen mit Gesellschaftsbeiträgen versorgen. Es gibt allerdings Zweifel, ob das funktionieren wird. «SRF will in der Information offenbar keine leichteren Stoffe – obwohl sie ideal zum Medium Fernsehen passen», sagt ein TV-Redaktor.

Das Buch über «Gesichter & Geschichten» war zum Jubiläum des 20-jährigen Bestehens geplant worden. Nun ist es ein Buch über einen Abschied. Paola Felix schreibt im Vorwort: «Mit dem Ziehen des ‹G & G›-Steckers bleibt auch ein Teil unserer kulturellen Vielfalt auf der Strecke.»

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34 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Katerchen
06.05.2025 21:12registriert März 2023
"Sie betont, dass «G & G» kulturellen und gesellschaftlichen Veranstaltungen eine Plattform biete, die es in anderen SRF-Sendungen nicht gebe."

In meinen Augen braucht auch nicht jede Hundsverlochete eine Plattform im Staatsfernsehen.
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RuediRupf
06.05.2025 21:40registriert November 2023
In der heutigen Zeit von Instagramm etc. ist eine solche Sendung schlichtweg nicht mehr notwendig, um nationalen Künstlern eine weitreichende Plattform zu bieten. Und ganz ehrlich, sonderlich spannend und innovativ wurde die Sendung nicht produziert. G&G wird wohl nicht manche Träne nachgeweint werden.
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closer2edit
06.05.2025 22:07registriert September 2023
Ein Freund von mir arbeitet bei SRF. Was abgeht hinter den Kulissen ist erschreckend. Jahrzehnte altes Fachwissen wird 'entsorgt', neue werden eingestellt, die Produktionen dauern nun doppelt so lange.

Früher als nötig wurden die FM Frequenzen eingestellt. Beliebte, wenn auch nicht mein Geschmack, Formate werden eingestellt. Die Wissenschaftsredaktion wird gestrichen. Etc...

Man könnte fast meinen, da steckt ein Plan dahinter, um die Leute für die Halbierungsinittiative zu begeistern.
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