Schweiz
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Die Mieten steigen – jetzt will der Bundesrat die Kosten dämpfen

Eine Interessentin waehrend einer Wohnungsbesichtigung in einer Wohnung der Liegenschaften Stadt Zuerich (LSZ) am Dienstag, 28. Maerz 2023 in Zuerich. (KEYSTONE/Michael Buholzer)
Wohnungsbesichtigung in Zürich, Archivbild vom März 2023.Bild: keystone

Der Bundesrat will die Mietzinsexplosion stoppen – doch es gibt einen Haken

Der Bundesrat will gegen die steigenden Mieten vorgehen. Er schlägt vier Massnahmen vor und will das grundsätzliche Mietzinsmodell unter die Lupe nehmen.
22.11.2023, 11:4122.11.2023, 15:22
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Worum geht's?

Der Bundesrat will gegen die steigenden Mietzinsen vorgehen. Das Wirtschaftsdepartement schrieb am Mittwoch in einer Mitteilung folgendes: «Der Bundesrat beschloss, mit gezielten, kurzfristig umsetzbaren Massnahmen einen Beitrag zu leisten, um diese Entwicklung etwas zu dämpfen.»

Die Regierung erwartet, dass die Mietzinse innerhalb von relativ kurzer Zeit um etwa 15 Prozent steigen. Das Wirtschaftsdepartement soll bis im Sommer eine Vernehmlassungsvorlage ausarbeiten.

Der Bundesrat will die Verordnung über die Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen anpassen, wie er weiter mitteilte. Die Massnahmen sollen in seinen Worten «eine gewisse mietzinsdämpfende Wirkung erzielen» und die Transparenz im Mietmarkt erhöhen.

Wo ist der Haken?

Ganz so kurzfristig sind die Massnahmen allerdings nicht. Denn der Massnahmenkatalog muss zunächst mal im kommenden Sommer in die Vernehmlassung. Bis es dann zu einer Umsetzung kommt, könnte es sicherlich bis Ende 2024 dauern, schreiben die Zeitungen von CH Media.

Bis dahin könnte der Referenzzinssatz sogar noch einmal angehoben werden. Die Mietpreise dürften so innerhalb zweier Jahre um rund 15 Prozent steigen.

Dazu kommt: Übermässig in Vertragsverhältnisse eingreifen oder gar Investitionen im Wohnungsmarkt hemmen will der Bundesrat indes nicht, wie er zur geplanten Verordnungsanpassung festhält.

Wieso steigen die Mieten?

Bei bestehenden Mietverhältnissen habe der Referenzzinssatz, der den Hypothekarzinsen folge, eine wichtige Rolle, schreibt der Bundesrat. Der 2008 eingeführte Referenzzinssatz sei in den letzten Jahren zwar laufend gesunken, aber am 1. Juni ein erstes Mal angehoben worden, von 1,25 auf 1,50 Prozent.

Bei einer Erhöhung um 0,25 Prozentpunkte dürfen Vermieter den Mietzins um 3,0 Prozent anheben – sofern sie auch die vorherigen Senkungen weitergegeben haben. Weitere Anhebungen des Referenzzinssatzes seien zu erwarten, schrieb der Bundesrat.

Wie hoch könnte der Mietzins steigen?

Die Mieten nach oben treiben können auch weitere Kostenfaktoren wie die allgemeine Teuerung. Sie könnten innert relativ kurzer Zeit zu Mietzinserhöhungen von etwa 15 Prozent führen, begründet der Bundesrat die vier angedachten Anpassungen.

Welche Massnahmen schlägt der Bundesrat vor?

Der Bundesrat hat bereits recht konkrete Vorstellungen, was er gegen die steigenden Mieten unternehmen will. Folgende Massnahmen schlägt die Regierung vor:

  • Zunächst sollen allgemeine Kostensteigerungen nicht mehr pauschal auf die Mieterschaft überwälzt werden dürfen. Neu soll das effektive Ausmass nachgewiesen werden müssen.
  • Weiter will der Bundesrat das Formular für die Mitteilung des Anfangsmietzinses mit dem zuletzt und neu geltenden Stand des Referenzzinssatzes und der Teuerung ergänzen.
  • Beim Anfechten von Mietzinserhöhungen sollen auch absolute Kostenkriterien wie ein übersetzter Ertrag oder die Orts- und Quartierüblichkeit vorgebracht werden können. Das Formular für die Mitteilung einer Mietzinserhöhung soll deshalb mit einem entsprechenden Hinweis versehen werden.
  • Und schliesslich soll der Satz für den Teuerungsausgleich auf dem Eigenkapital reduziert werden, von bisher 40 Prozent auf den Wert gemäss Mietzinsmodell (28 Prozent).

Entspricht das Mietzinsmodell noch den heutigen Realitäten?

Das Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) soll zudem das geltende und über 40-jährige Mietzinsmodell unter die Lupe nehmen. Es soll mit einer wissenschaftlichen Studie überprüfen, ob es noch den heutigen Realitäten der Immobilienfinanzierung entspricht. Das Mietzinsmodell ist Grundlage für die Regeln der Mietzinsgestaltung und -anpassung.

Welche Reaktionen gibt es?

Der Mieterinnen- und Mieterverband zeigte sich in einer Medienmitteilung gar nicht zufrieden. Der Präsident des MV, Ständerat Carlo Sommaruga wird folgend zitiert:

«Die Vorschläge des Bundesrates, um die aktuelle Mietzinsexplosion zu bremsen, sind völlig untauglich. Sollten sie tatsächlich umgesetzt werden, hätten diese Vorschläge nur eine sehr marginale Wirkung und würden erst viel zu spät greifen, ohne Auswirkungen auf die anstehenden Mietzinserhöhungen»

Der MV fordert stattdessen vom Bundesrat, «die Überwälzung der Referenzzinssatz-Erhöhung sofort vorübergehend auszusetzen und Vorschläge zur Verhinderung missbräuchlicher Mietzinserhöhungen zu präsentieren.»

(jaw/sda)

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263 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Christian Mueller (1)
22.11.2023 11:48registriert Januar 2016
debei würde es reichen, wenn sich die vermieter an bundesrecht halten müssten und nicht überrissene Renditen abschöpfen dürften. im urteil steht hypozins plus 2% das wären zZ 3.5% mehr nicht. abeg was interessiert unsere politische mehrheit bundesrecht, wenn es ihre sponsoren anders sehen?
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Tilman Fliegel
22.11.2023 12:17registriert Februar 2014
Mich würde ja interessieren, was passiert, wenn die PK vom Immobilienmarkt verschwinden. (Indem 2. Säule abgeschafft und 1. ausgebaut wird). Was nützt mir der Ertrag in der 2. Säule, wenn ich ihn letztlich selber finanziere mit meinen Wohnkosten?
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VeganerApfelstrudel
22.11.2023 15:08registriert Mai 2022
Gerne finanziere ich Yachten und Champagner mit meiner Miete. Wo kämen wir nur mit staatlichem Wohnen hin? Ich finde, wir als Gesellschaft haben da eine gewisse Verpflichtung für genügend Luxus für die reichsten 1% zu sorgen.
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