Schweiz
Coronavirus

Emma Hodcroft: Die Virenjägerin bangt um ihren Job

Die Virenjägerin bangt um Job und Wohnung – wie viele junge Wissenschafter

28.04.2022, 09:2728.04.2022, 13:06
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Das Problem ist altbekannt, aber darum für die Betroffenen nicht weniger belastend: Zeitlich begrenzte Forschungsverträge – und damit zusammenhängend nur auf wenige Jahre befristete Arbeitsverträge an Universitäten.

«Die Virenjägerin!»: Hodcrofts Profilbild auf Twitter.
«Die Virenjägerin!»: Hodcrofts Profilbild auf Twitter. Bild: twitter

Diese belastende Job-Unsicherheit trifft Forschende in allen Disziplinen. Und auch die bekanntesten Gesichter ihres Faches sind nicht davor gefeit, plötzlich ohne Arbeitsvertrag dazustehen: So bangt aktuell die «Virenjägerin» Emma Hodcroft um Job, Wohnung und die Schweizer Aufenthaltsbewilligung:

Auf Twitter macht Hodcroft ihre Situation öffentlich und kritisiert das System. Sie habe seit 2020 kurzfristige Verträge. Damit einhergehend habe sie Angst ihre Wohnung zu verlieren, denn: «Kein Job = keine Wohnung.» Eine weitere Sorge sei, dass ihre Aufenthaltsgenehmigung bald auslaufe – da diese ebenfalls an einen Job gebunden sei.

Hodcroft ist genomische Epidemiologin und arbeitet zurzeit an der Universität Bern. Zuvor war die britisch-US-amerikanische Forscherin an der Universität Basel tätig. Daneben hat sie die Open-Source-Plattform Nextstrain mitgegründet, um wissenschaftliche Ergebnisse zugänglich zu machen.

Virenjägerin und Pionierin

Die 35-Jährige hat bereits beachtliche Erfolge in ihrem Forschungsgebiet vorzuweisen. 2021 ernannte sie die «New York Times» zu einer von zehn Frauen, die in ihrer Disziplin Pionierarbeit leiste sowie den Weg für die nächste Generation ebne.

Mit ihrem Twitteraccount erreicht Hodcroft gegen 80'000 Menschen – und findet weltweit Beachtung: Ihre Tweets über ihre Forschung, die in verständlichen Worten verfasst waren, wurden in vielen Medien zitiert, zum Beispiel im amerikanischen Traditionsblatt «New York Times» oder hier bei watson. Eigentlich ein Positivbeispiel für Kommunikation zwischen Wissenschaft und Bevölkerung.

Doch gerade dies hindere die Wissenschaftlerin nun an der Jobsuche, wie sie auf Twitter weiter erläutert: «Sie haben öffentlich zugegeben, dass (die Öffentlichkeit auf Twitter) prekär ist und wahrscheinlich nicht gut für Wissenschaftler oder die Forschung.»

Die Virenjägerin legt am Donnerstagmorgen nach: «Ich mache mir Sorgen, dass die Leute denken, ich twittere, um Mitleid zu erregen (...). Aber ich tue es, um das Bewusstsein zu schärfen.» Die vielen Reaktionen auf ihre Tweets unterstreichen: Viele junge Forschende sind in dieser Situation – und machen sich Sorgen. Sorgen um die Zukunft ihrer Forschung und der persönlichen Existenz.

(yam)

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101 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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KarinaN
28.04.2022 09:55registriert Juli 2017
Ich kann alles in diesem Artikel bestätigen, zumindest im Bereich Biologie/Medizin. Dazu kommt, dass das Gehalt auch nicht so toll ist, wenn man davon ausgeht, dass es um Angestellte geht, die meist schon einen PhD haben und man min schon Ende 20 ist bis man bis dorthin ausgebildet ist. Da verdient die festangestellte Laborantin im selben Team oft gleichviel oder mehr. Es bräuchte für die guten Köpfe an den Unis wieder mehr Festanstellungen ausserhalb der Professur. Durch die jetzige Situation verlieren die Unis die guten Leute an die Privatwirtschaft.
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Dirty Sanchez
28.04.2022 09:41registriert Mai 2019
Das ist mit der Unsicherheit ist leider normal im akademischen Umfeld und kann sehr zermürbend sein. Nur die wenigsten schaffen es, eine relativ permanente Position zu bekommen. Man muss frühzeitig abschätzen können, ob es für eine Professur reichen könnte und andernfalls zeitig in die Industrie wechseln.
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MrBlack
28.04.2022 10:16registriert September 2016
Als kinderloser Single kann man einigermassen gelassen mit der Situation umgehen. Natürlich ist es trotzdem belastend und bei Weitem nicht ideal. Sobald man aber Verantwortung oder Verpflichtungen für andere Menschen hat, wird es sehr problematisch und ich kann mir gut vorstellen, dass man einen sicheren, gut bezahlten Job in der Industrie bevorzugt, obwohl man eigentlich geren in der akademischen Forschung bleiben würde.
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