Das BAG erhielt letztes Jahr einen ganzen Ordner voll mit Einsichtsgesuchen für Corona-Dokumente. Transparenz wollten nicht nur Journalisten – sondern auch einige Bürgerinnen.
14.02.2021, 10:1515.02.2021, 07:17
Der Bund und seine Ämter arbeiten für uns Bürgerinnen und Bürger. Eine sehr lange Zeit taten die Behörden dies, ohne sich konsequent für ihre Arbeit rechtfertigen zu müssen. Das änderte sich vor 15 Jahren, als das Öffentlichkeitsprinzip beim Bund eingeführt wurde. Bedeuten tut dies: Jedes Dokument muss veröffentlicht werden, sofern es keine Ausnahmeregel dafür gibt. Ermöglicht wurde das durch das neue Öffentlichkeitsgesetz (BGÖ).
Die Politik wollte so Vertrauen schaffen – was besonders jetzt in der Corona-Krise zu Tragen kommt: In den vergangenen zwölf Monaten meldeten sich über 130 Bürgerinnen, Journalisten und Aktivistinnen beim Bundesamt für Gesundheit (BAG) und wollten ein Dokument im Zusammenhang mit der Pandemie einsehen.
Dies geht aus der «Sammelmappe Gesuche 2020» hervor, die der Datenschutz-Aktivist Paul-Olivier Dehaye an die Öffentlichkeit brachte. Darin finden sich 134 Anfragen im Umfang von 184 Seiten (PDF, 14,2 MB) – viele davon gingen digital ein, manche per Briefpost. Sie zeigen auf, welche Dokumente im letzten Jahr vom BAG angefordert wurden. Darunter sind einige spannende, einige skurrile Anfragen.
Die erste Anfrage
Das erste Einsichtsgesuch zur Pandemie wurde Mitte März 2020 von watson verschickt. Unsere Motivation war: Während der besonderen Lage kann der Bundesrat Covid-Massnahmen beschliessen, wenn er zuvor die Kantone anhört. Eine solche öffentlichen Feedback-Runde gibt's seit jeher auch bei normalen Gesetzesänderungen. Wenn diese transparent sind, dann müssten auch diese Anhörungsdokumente veröffentlicht werden.
Wir hatten Erfolg. Wenige Tage später kamen die Dokumente bei uns an, anhand dieser man detailliert aufzeigen konnte, wie uneinheitlich die Meinungen zur Pandemie beim Bund und den Kantonen waren. Wer sich nicht mehr an den letzten Frühling erinnert: Kurz vor dem Ausbruch der ersten Welle stellte sich mit dem Kanton Aargau tatsächlich ein Kanton gegen ein striktes Veranstaltungsverbot.
Die Swisscom-Daten
Zu Beginn der Krise war auch der Datenschutz ein viel diskutiertes Thema. Das BAG gab Ende März 2020 bekannt, dass Swisscom anonymisierte Datenanalysen liefere. Der Bund wollte so erfahren, ob diese Massnahme zum Schutz vor Infektionen mit dem Coronavirus eingehalten werden.
Wir berichteten darüber kritisch und stellten die technische Aspekte in den Vordergrund: Mobilfunk-Daten seien insbesondere fürs Contact Tracing zu ungenau – eine App müsse her. Andere Journalistinnen und Journalisten, sowie der Digitalisierungsexperte und Jurist Martin Steiger gingen weiter: Sie wollten gestützt auf das BGÖ die rechtlichen Details und die Verfügung zwischen dem Bund und der Swisscom einsehen.
Die Covid-Leugner und die Wut
Das Öffentlichkeitsgesetz wurde nicht nur von Medienschaffenden genutzt. In den 184 Seiten finden sich einige Gesuche von Forschenden und neugierigen Personen. Zwei fielen besonders auf
- Ende März 2020 verlangte ein Bürger per Mail das «Drehbuch» der Corona-Krise, «respektive einem Ablauf- und Pandemieplan, wann was zu geschehen hat». Er wusste selbst nicht, bei wem dieses Dokument liege. Es könne sein, dass es von der «WHO oder vom Bundesrat» vorgegeben wurde. Seine Vermutung: Dort sei ersichtlich, «wann welche Opferzahlen und wann welche erfundenen Fakten der Öffentlichkeit vermittelt werden sollen».

Es kann bezweifelt werden, dass der Herr die bestellten Dokumente erhielt.Bild: screenshot
- Mitte November 2020 schien sich ein anderer Herr sehr darüber aufgeregt zu haben, dass das BAG einzelne Twitter-User blockiert hatte. Er wollte gestützt auf das Öffentlichkeitsgesetz wissen, «nach welchen [sic] rationalen Kriterien Accounts auf Social Media – z. B. Twitter blockiert werden».
Er störte sich der Intransparenz, weil das BAG durch Steuern finanziert werde und merkte an: «Es [ist] doch befremdlich, wenn ein Account quasi aus einer Laune gesperrt wird: Falls ein Account einmal Fake News verbreitet oder beleidigend wirkt, heisst es nicht, dass er das immer tut.»
Meistbestellte Dokumente: Protokolle und Impfverträge
Gleich mehrere Gesuche betrafen zwei Kategorien:
- Protokolle: Sie wurden besonders häufig angefragt. Medienschaffende und Bürgerinnen wollten die Sitzungsprotokolle der Kantonsärzte, der wissenschaftlichen Taskforce, Arbeitsgruppen und ad-hoc-Gremien einsehen. Eines davon betraf etwa die Sitzungen, an denen sich alle Bundesratsspercherinnen und -sprecher regelmässig ausgetauscht hatten. Anhand dieses Dokuments konnten beispielsweise rekonstruiert werden, wie die Kommunikation des Bundes während der Pandemie organisiert wurde.
- Impfverträge: Im Sommer häuften sich zudem die Gesuche für die Vereinbarungen zwischen dem Bund und den Impfstoffproduzenten. Auffällig hier: Das Interesse bei Journalistinnen und Journalisten kam auf, nachdem erste Details kommuniziert wurden. So wurde das erste Einsichtsgesuch für den Moderna-Vertrag verschickt, nachdem der damalige BAG-Chef Pascal Strupler im SRF-«Club» gesagt hatte, «man stehe wenige Stunden vor der Unterzeichnung eines Kaufvertrages».
Die Datenpanne beim BAG
Die Transparenz bei der «Sammelmappe» kam nicht ohne eine unglückliche Datenpanne seitens BAG: Wird ein Bundesdokument veröffentlicht, können aus Datenschutz-Überlegungen einige Passagen geschwärzt werden. Bei journalistischen Anfragen kommt zusätzlich das Redaktionsgeheimnis hinzu. Das BAG befolgte das und lieferte 184 Dokumente, die alle ungefähr so aussahen:

Geschwärzte Anfrage eines Journalisten.Bild: screenshot
Dumm nur: Die Anonymisierung wurde nicht überall vorgenommen. Die Mitarbeitenden des BAGs haben vermutlich sämtliche Einsichtsgesuche als Einzeldatei irgendwo abgespeichert und die Dokumente zu einer einzigen PDF-Datei zusammengeführt. Dort war auch das Inhaltsverzeichnis ersichtlich, das auch den Absender oder die Absenderin des Gesuchs verriet. So heisst es etwa auf der ersten PDF-Seite: «01-Marjanovic Gesuch um Einsicht in Akten.»

Das BAG vergass das Inhaltsverzeichnis zu schwärzen.Bild: screenshot/martin steiger
Wie verschicke ich selbst ein BGÖ-Gesuch?
Der Verein «
Öffentlichkeitsgesetz.ch» liefert auf der Webseite ein Formular, mit dem
alle Interessierte ein Einsichtsgesuch generieren können. Wir freuen uns, wenn du spannende Ideen oder Dokumente mit uns teilst. Du erreichst uns auf folgendem Weg:
– Threema: 6KUPT9C8
– Telegram: @petarmarj
– Mail: petar.marjanovic@watson.ch
– WhatsApp: Hier klickenPGP-Key für verschlüsselte Kommunikation verfügbar.
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Daten aufgrund Öffentlichkeitsgesetz anfordern und nachher beklagen, dass in einem Inhaltsverzeichnis das „Redaktionsgeheimnis“ nicht gewahrt ist.. ;)
Wenn man mich danach gefragt hätte, ich hätte tausende als Antwort gegeben.