Mundschutz ist angesichts der Ausbreitung des neuartigen Virus SARS-CoV-2 seit Wochen ein knappes Gut. Schon im Januar wurden Schutzmasken in gewissen Ländern im Zuge der drohenden Coronavirus-Pandemie knapp. Das, obwohl der gängige Mund-Nasen-Schutz oder chirurgische Mundschutz Experten zufolge nicht verlässlich vor Viren schützt.
Darüber, ob die Masken Pflicht werden sollen, wiegelt der Bundesrat noch ab. Hiess es zu Beginn noch, Masken würden nichts bringen, will der Bund in Werbespots nun zumindest zeigen, wie man diese richtig trägt. Auch in den diversen Geschäften, die bald wieder öffnen dürfen, wird ein Mundschutz empfohlen. Der Branchenverband Coiffure Suisse fordert in einem Konzept gleich selbst ein Maskenobligatorium für Angestellt und Kunden. Auch viele Lebensmittelläden setzen immer mehr auf Masken.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) sieht im Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus keinen starken Nutzen im allgemeinen Tragen eines Mundschutzes. Es gebe keinerlei Anzeichen dafür, dass damit etwas gewonnen wäre, sagte der WHO-Nothilfedirektor Michael Ryan im März. Vielmehr gebe es zusätzliche Risiken, wenn Menschen die Masken falsch abnehmen und sich dabei womöglich infizieren. «Unser Rat: wir raten davon ab, Mundschutz zu tragen, wenn man nicht selbst krank ist.»
Das Robert Koch-Institut ( RKI ) und die WHO sehen in ihren Pandemieplänen keine Atemschutzmasken für die allgemeine Bevölkerung vor. Von der WHO heisst es dazu, die Masken würden nicht als Vorbeugung für Gesunde empfohlen, sondern für Patienten und Menschen, die sich möglicherweise angesteckt haben, damit sie das Virus nicht verbreiten. Deshalb sollte vor allem medizinisches Personal eine Maske tragen, um sich zu schützen.
Dass chirurgische Masken nur eine physikalische Barriere sind, die vor «einem sichtbaren Spritzen oder Sprühen von Flüssigkeit oder grossen Tröpfchen» schützt, fand auch Raina MacIntyre in ihren Untersuchungen heraus.
Die Forscherin für Infektionskrankheiten und Professorin für globale Biosicherheit an der Universität von New South Wales in Sydney hat die Wirksamkeit von Gesichtsmasken untersucht. MacIntyres Untersuchungen legen sogar nahe, dass Stoffmasken, die von den Trägern oft gewaschen und wiederverwendet werden, «tatsächlich schädlich sein können», weil die Stoffmasken zu einem Nährboden für Krankheitserreger werden können.
Wird man von einem Mitmenschen direkt angehustet oder angeniest, können Atemschutzmasken zwar einen grossen Teil der Tröpfchen abfangen – dennoch schützen sie nicht sicher vor einer Infektion , weil an den Rändern der Maske und auch durch das Material selbst noch mit Viren angereicherte Tröpfchen eindringen können. Solche Masken können aber Schmierinfektion verhindern, da sich der Träger nicht mit schmutzigen Händen an Mund und Nase greifen kann.
Die Gesichtsschutzmaske sei aber dann sinnvoll, wenn ein Patient sich schon mit dem Erreger infiziert habe oder zumindest der Verdacht bestehe, sagte kürzlich die Virologin Prof. Dr. Melanie Brinkmann im Gespräch mit t-online.de. Dann könne ein Mundschutz helfen, das Übertragungsrisiko an weitere Menschen zu mindern, so Brinkmann, die sich an der Technischen Universität Braunschweig der Infektionsforschung widmet.
Forscher der Professur Bauphysik der Bauhaus-Universität Weimar haben bei einem Videoexperiment die Ausbreitung unserer Atemluft in verschiedenen Situationen sichtbar gemacht.
Mithilfe eines sogenannten Schlierenspiegels konnten sie zeigen, dass unsere Atemluft normalerweise eine Distanz von etwa einem Meter überwindet, beim starken Husten aber mit mehr Druck und dadurch weiter ausgestossen wird. Beim Tragen einer chirurgischen Atemschutzmaske entweicht nur wenig Luft, die nach oben hin abzieht. Damit ist die Ansteckungsgefahr für unsere Mitmenschen geringer.
«Ist jemand infiziert, reicht eine normale Atemschutzmaske nicht aus, um die Umgebung verlässlich vor einer Ansteckung zu schützen», sagt der Infektiologe Dr. Stefan Moritz vom Universitätsklinikum Halle im Gespräch mit t-online.de. Solche Masken lägen nicht eng am Gesicht an, darum könnten etwa beim Niesen und Husten Erreger nach aussen dringen.
Richtig getragen und genutzt kann das Tragen eines Mundschutzes Experten wie Stefan Moritz zufolge aber dennoch einen positiven Effekt haben: Die Maske kann das eigene Hygieneverhalten beeinflussen. Denn sie verhindere, dass wir uns an Mund und Nase fassen – verringere also das Risiko einer Schmierinfektion. Auch Patienten, die als Verdachtsfälle eingestuft sind, sollten laut RKI eine mehrlagige Mund-Nasen-Maske tragen.
Um sich verlässlicher vor einer Infektion durch Tröpfchen von Erkrankten zu schützen, sind laut Experten nur spezielle Feinpartikelmasken geeignet, auch partikelfiltrierende Halbmasken (filtering face piece, FFP) genannt. Sie bestehen ganz oder teilweise aus nicht auswechselbarem Filtermaterial und reduzieren infektiöse Aerosole in der eingeatmeten Luft. Während der SARS-Epidemie 2002/2003 hatten einige Studien für sogenannte FFP3-Masken einen gewissen Schutzeffekt nachgewiesen. Alltagstauglich sind diese Masken jedoch nicht.
Für Menschen, die im Gesundheitssystem am Patienten arbeiten, empfiehlt das RKI eine persönliche Schutzausrüstung, "bestehend aus Schutzkittel, Einmalhandschuhen und direkt anliegendem mehrlagigem Mund-Nasen-Schutz sowie ggf. einer Schutzbrille“. Auch der Patient sollte einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Tue er das nicht, empfehle das RKI mindestens eine FFP2-Maske.
Der Virologe Christian Drosten erklärte kürzlich in seinem Podcast beim NDR, dass es durchaus sinnvoll sein könne, Masken in der Öffentlichkeit zu tragen, etwa beim Einkauf im Supermarkt. Sich selbst schütze man zwar weniger, aber andere bewahre man so besser vor einer unbewussten Ansteckung. Drosten empfiehlt, eine Maske zu tragen, wenn diese Maske sonst nicht den Kliniken fehle. Eine Maske selbst zu basteln – wie beispielsweise eine Bonner Designerin – oder aus Stoff zu nähen hält Drosten für sinnvoll.
Selbstverständlich. Masken sind knapp, das ist doch lange bekannt. Genau deshalb müssen sie für Berufe mit Patientenkontakt reserviert sein: denn dort wirken sie. In der Öffentlichkeit wirken Masken für den Fremdschutz. Also: selbst bauen oder durch Stoff ersetzen. https://t.co/xdMak6iG1L— Christian Drosten (@c_drosten) March 22, 2020
Doch auch der Virologe betont: Die Massnahmen zur Distanzierung und Kontaktminimierung liessen sich «auf keinen Fall durch das allgemeine Tragen von Masken ersetzen», so der Virologe. «Masken sind eine Ergänzung der Massnahmen und eine Erinnerung für Alle an den Ernst der Lage!»
Und noch etwas: natürlich lassen sich die jetzigen Massnahmen zur Distanzierung und Kontaktminimierung auf keinen Fall durch das allgemeine Tragen von Masken ersetzen! Masken sind eine Ergänzung der Massnahmen und eine Erinnerung für Alle an den Ernst der Lage! https://t.co/xdMak6iG1L— Christian Drosten (@c_drosten) March 22, 2020
Zudem könne diese Maske noch einen psychologischen Effekt haben: der Träger werde ständig an die Ansteckungsgefahr erinnert und achte so eher darauf, sich nicht unbewusst in das Gesicht zu fassen. Wegen des vermeintlichen Schutzes dürfe man allerdings nicht die üblichen Hygienemassnahmen vernachlässigen.
Beim Selbstbasteln sollten Ihnen zudem bewusst sein: Die EU-Normen schreiben vor, dass die Mund-Nasen-Schutzmaske «aus einer Filterschicht besteht, die zwischen Stoffschichten eingebettet, mit diesen fest verbunden oder in diese eingepasst ist» (EN 14683:2019+AC:2019). Ein Grossteil der Anleitungen zum Selbstfertigen hat maximal zwei Schichten vor und beinhaltet auch keine spezielle Filterschicht.
Laut dem Virologen Drosten können auch ein runder Schal oder ein Halstuch anstelle eines selbstgefertigten Mundschutzes verwendet werden. Genau wie selbst gebastelte, locker anliegende Masken schützen Sie den Träger zwar nicht vor einer Ansteckung.
Sie können aber möglicherweise das Risiko, die Menschen in der Umgebung zu infizieren, etwas senken. Denn wird ein grosser Teil der Tröpfchen beim Husten, Sprechen oder Niesen vom Schal abgefangen, gelangen weniger Viren in die Aussenwelt, die über eine Tröpfcheninfektion andere Menschen anstecken können.
Wer einen Mundschutz tragen möchte, sollte laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA ) unbedingt darauf achten, dass die Maske eng anliegt und nicht verrutscht. Bei Feuchtigkeit sollte sie gewechselt werden.
Atemschutzmasken sind prinzipiell Einmalartikel und müssen aus hygienischen Gründen nach der Benutzung korrekt entsorgt werden. Beim Abnehmen ist zu beachten, dass die äussere Oberfläche nicht mit Mund, Nase, Schleimhäuten oder ungeschützten Händen in Berührung kommt.
In den meisten Apotheken seien Atemschutzmasken bereits ausverkauft, berichtete kürzlich eine Sprecherin der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA). Zumindest für einfachen Mundschutz gilt aber: Wer seine Masken nicht selbst nähen kann oder will, kann Einweg-Atemschutzmasken aber auch bei vielen verlässlichen Händlern im Internet bestellen.
Die Vorsitzende der Ärztegewerkschaft Marburger Bund , Susanne Johna, warnte davor, professionelle Atemschutzmasken für den privaten Gebrauch zu bestellen. Es wäre fatal, wenn nun auch vermehrt Privatpersonen Schutzmasken aufkaufen würden, die für den Gebrauch in Kliniken oder Pflegeeinrichtungen gedacht seien, sagte Johna der «Rheinischen Post». Es sei aber nichts dagegen einzuwenden, sich einen einfachen Mund-Nasen-Schutz zu besorgen oder selbst herzustellen.
Verwendete Quellen:
(t-online.de/nsa/mwe/msc/pls)
Euer Fazit zur Studie: „Damit ist die Ansteckungsgefahr für unsere Mitmenschen geringer“
Fazit der Bauhaus Uni Weimar: (...) Es können auf Basis des Videos keine medizinischen Aussagen bezüglich der Wirksamkeit eines Maskenschutzes getroffen werden. Ob und wie Tröpfchen durch das Material diffundieren muss in weiteren Untersuchungen getestet werden.