Das Coronavirus ist sich in der Schweiz wieder am Ausbreiten. 220 bestätigte Neuinfektionen in den letzten 24 Stunden meldete das Bundesamt für Gesundheit (BAG) am Donnerstagmittag.
Das ist der höchste Wert seit dem 23. April. «Die Situation verschärft sich, sie ist ernst», warnte BAG-Direktor Pascal Strupler gestern Nachmittag vor den Medien. Die im Vergleich zu Mitte Juni verfünffachten wöchentlichen Fallzahlen bedeuteten eine «epidemiologische Trendwende».
Kurz vor dem Nationalfeiertag kommunizierte die Bundesverwaltung in deutlich alarmierenderem Tonfall als noch in den vergangenen Wochen. Struplers Anwesenheit war Ausdruck der neuen Ernsthaftigkeit: Bisher überliess der Amtsdirektor die Medienauftritte meistens seinen Abteilungsleitern. Struplers zentrale Botschaft: «Wir müssen jetzt handeln und einen Gang höher schalten».
Die Pandemie könne nur unter Kontrolle gebracht werden, wenn sich die Bevölkerung solidarisch mit Mitmenschen und Risikopersonen zeige und erinnerte an die wichtigsten Verhaltens- und Hygieneregeln: Regelmässiges Händewaschen, Niesen und Husten in die Armbeuge, Abstand halten, wo dies nicht möglich ist eine Maske tragen. «Das Virus macht keine Ferien, es ist weiterhin unter uns».
Doch Strupler nahm auch Politik und Behörden in die Pflicht. Seine Worte richteten sich unüberhörbar an die Kantone. Sie tragen seit dem Übergang von der ausserordentlichen in die besondere Lage am 19. Juni die Hauptverantwortung im Kampf gegen Covid-19.
Die jüngsten Fallzahlen zeigten, dass es bei den Massnahmen Handlungsbedarf gebe. Derzeit gelten in einzelnen Bereichen je nach Kanton unterschiedlich strenge Regeln, etwa bei der Anzahl Besuchern in Clubs oder dem Maskenobligatorium in Einkaufsläden.
Dem BAG missfällt dieser Flickenteppich offenbar. Angesichts der ernsten Lage» müssten die Verhaltensregeln für die Bevölkerung «möglichst einheitlich, verständlich und widerspruchsfrei» sein, so Strupler: «Wir sind der Meinung, dass die Kantone ihre Massnahmen in gewissen Bereichen harmonisieren sollten.»
Dies habe er in Absprache mit Bundesrat Alain Berset am Donnerstagvormittag dem Vorstand der Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK) mitgeteilt. Konkret bittet das BAG, einheitliche Regelungen in folgenden Bereichen zu prüfen:
Angesichts der Fallzahlen wolle man die Kantone aufrütteln, so Strupler. Der ebenfalls anwesende Präsident der Vereinigung der Kantonsärzte, erwiderte : «Wir sind nicht am Schlafen». Strupler entschuldigte sich in der Folge für seine «semantische Überzeichnung».
Die GDK betonte hingegen in einem Communiqué, die unterschiedlichen kantonalen Regeln hätten bisher nicht für Probleme gesorgt und zog eine «positive Bilanz» nach sechs Wochen in der besonderen Lage». GDK-Generalsekretär Michael Jordi betont auf Anfrage, Massnahmen müssten bei der Bevölkerung auf Akzeptanz stossen. «Und da macht es einen grossen Unterschied, ob man in einem Kanton viele Ansteckungen hat oder keine.»
Sollten die Fallzahlen auf dem gegenwärtigen Niveau bleiben, stehe eine Maskenpflicht in Verkaufsgeschäften aber «sicher zuoberst auf der Liste». Ähnlich tönt es bei den Gesundheitsdirektionen der Kantone Bern und Zürich.
Aus dem Umfeld der Kantone heisst es, aktuell sei keine Vereinheitlichung der Massnahmen geplant. Doch bei anhaltend hohen Fallzahlen könnte das nächste Woche schon wieder anders aussehen.
Für Irritation bei den kantonalen Gesundheitsdirektoren sorgte gestern die Tatsache, dass Gesundheitsminister Berset nicht persönlich an der Sitzung teilgenommen hat. Die GDK ihrerseits stellt ebenfalls eine Forderung: Der Bundesrat solle das Verbot von Veranstaltungen mit über 1000 Personen bis Ende Jahr verlängern.
z.B. für Banken, Versicherungen, Krankenkassen, Informatik, Telekommunikation, Pharma, Behörden etc.
Also wäre eine Schweiz-weite Lösung anzustreben und zwar etwas pronto!