Die Swiss hat genug vom temporären Teil-Grounding. Ab Mitte Juni will die Lufthansa-Tochter ihren Flugplan wieder hochfahren, auf bis zu 20 Prozent des üblichen Volumens. Zahlreiche Destinationen kehren ins Streckennetz zurück – wie Chicago, Singapur, Hongkong oder Tokio auf der Langstrecke oder Athen, Neapel und Barcelona auf der Kurzstrecke. Erst kürzlich bewarb Swiss-Chef Thomas Klühr in einem SRF-Interview die «attraktiven Destinationen». Klühr ist mit der Aufbruchsstimmung nicht allein. Auch andere Airlines fahren ihren Betrieb wieder hoch.
Bedenkenloses Fliegen sollte also wieder möglich sein – würde man meinen. Doch dem ist nicht so. In zahlreichen Ländern herrschen noch immer strikte Einreisebestimmungen, die von Einreiseverboten bis zu Zwangsquarantänen reichen. Wie lange sie in Kraft bleiben, ist oft unklar.
Das sorgt bereits jetzt für böse Überraschungen an Flughäfen. «In den letzten Tagen kam es in Zürich vermehrt zu Fällen von Passagieren, die nicht abreisen oder nicht ein- oder weiterreisen konnten», sagt eine Swissport-Sprecherin. Die Firma führt im Auftrag der Airlines das Check-in, das Boarding und den Gepäcktransport durch. Die betroffenen Passagiere, auch solche der Swiss, hätten die Einreisebestimmungen ihrer Wunschdestination nicht erfüllt. Man habe sie deshalb zurück nach Hause oder im Fall von Umsteigepassagieren an ihren Abflugort zurückschicken müssen, sagt die Sprecherin. Sowohl die Swiss als auch Swissport betonen, die Passagiere seien selber dafür verantwortlich, die Einreiseregeln zu prüfen.
Für einen Branchenvertreter, der nicht genannt werden möchte, ist klar: «Die Swiss erwartet, dass sich alle Kunden im Vorfeld selber informieren, doch das wird nicht geschehen.» Er glaubt, dass in den kommenden Tagen und Wochen zahlreiche weitere Passagiere abgewiesen werden. «Das wird für sehr unangenehme Situationen am Flughafen und für viel Frustration bei den Kunden sorgen.»
Franco Muff, Ombudsmann der Schweizer Reisebranche, bezeichnet es als problematisch, wenn Airlines Flüge in ein Land anbieten, das weder Schweizern noch anderen Europäern Zutritt gewährt. Da könne man sich fragen, inwiefern solche Angebote sinnvoll seien, sagt Muff. «Ich vermute, dass die Airline schlicht auf eine baldige Öffnung hofft.»
Swiss-Kunde Tobias S. (Name der Redaktion bekannt) ärgert sich über die Airline. «Ich komme mir verschaukelt vor.» Er wollte mit seiner Familie im Juli nach Japan reisen, um Verwandte zu besuchen. Die Tickets hatte er schon vor längerem gekauft, die Hoffnungen wegen der Coronapandemie aber praktisch aufgeben. «Als ich sah, dass die Swiss wieder Flüge nach Tokio im Sommer verkauft, wurde ich hellhörig.»
Tobias S. kontaktierte die Swiss und wollte wissen, ob sein Flug stattfinde. Die Antwort: «Zum jetzigen Zeitpunkt werden die Flüge planmässig durchgeführt.» Er könne den aktuellen Status aber «einige Tage vor Abflug» online prüfen. Finde er nicht statt, könne man das Ticket bis Ende 2021 einmalig umbuchen, wobei der Ticketpreis dann möglicherweise teurer werde. Zu den Einreisebestimmungen in Japan: kein Wort. Und das, obwohl Japan laut Branchenangaben ein Einreiseverbot für rund 120 Länder hat, darunter auch für die Schweiz.
Nach Rücksprache mit den Verwandten in Japan kamen Tobias S. Zweifel auf. Er hakte nach. Erst dann räumte die Swiss ein, dass es «jederzeit zu Änderungen» in den Einreisebestimmungen kommen könne. Er solle sich am besten an die Botschaft Japans wenden. Zudem schickte sie ihm eine Einreise-Übersicht des Branchenverbands IATA zu den einzelnen Ländern. Auf der Swiss-Website findet man den Link dazu ebenfalls, allerdings nicht sehr prominent und nur auf Englisch.
Sara Stalder, Geschäftsführerin der Stiftung für Konsumentenschutz, übt Kritik. Von einem Grossunternehmen wie der Swiss erwarte sie eine bessere Kommunikation. So könnte die Airline die englischen Reisebestimmungen übersetzen. «Schliesslich sollte ihr daran etwas gelegen sein, dass die Leute mit Vertrauen Flüge buchen», sagt Stalder. «Aber die Swiss gewichtet offenbar den ökonomischen Aspekt – Flüge verkaufen, um jeden Preis – höher als die adäquate Information der Kundschaft.»
Stalder fordert, dass vor dem Buchungsvorgang jeweils ein klarer Warnhinweis erscheint. Mit der Kritik konfrontiert, gelobt die Fluggesellschaft Besserung: Man prüfe zurzeit die Möglichkeit, aktuelle Einreisehinweise direkt in den Buchungsprozess zu integrieren, sagt eine Sprecherin. Zudem werde bei einer Anfrage auf die entsprechenden Informationsstellen verwiesen. Der Fluggast müsse sich aber selber frühzeitig über die Einreisebestimmungen informieren, «da wir hierfür keine Verantwortung übernehmen können». (aargauerzeitung.ch)
Diese Haltung, die Anderen müssen für mich mitdenken, muss echt aufhören.