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Coronavirus

SVP-Regierungsräte stellen sich gegen Partei-Parole zum Covid-Gesetz

«Absurd»: Diese SVP-Regierungsräte stellen sich gegen die Partei-Parole zum Covid-Gesetz

In vielen Kantonen sind die Gesundheitsdirektionen in SVP-Hand. Wie reagieren die Regierungsräte auf die Nein-Parole ihrer Partei zum Covid-Gesetz? Der Tenor ist eindeutig, nur ein SVP-Exekutivmann kneift.
22.08.2021, 21:2223.08.2021, 07:18
Patrik Müller / ch media
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Die SVP ist, wenn es um die kantonale Gesundheitspolitik geht, die Regierungspartei schlechthin. In nicht weniger als sieben Kantonen besetzt sie die Gesundheitsdirektion.

Diese sieben Regierungsräte tragen im Kampf gegen die Pandemie Verantwortung – und reagieren nun wenig erfreut auf die Nein-Parole ihrer Partei zum Covid-Gesetz, das am Samstag mit 181 zu 23 Stimmen beschlossen wurde. Das zeigen Rückfragen von CH-Media bei den SVP-Regierungsräten am Sonntag.

Die Regierungsraetin Michele Bloechliger waehrend der Nidwaldner Landratssitzung vom Mittwoch, 2. Februar 2021 im Kollegium St. Fidelis in Stans waehrend der Corona-Pandemie. (KEYSTONE/Urs Flueeler)
«Nötige Rechtsgrundlage»: Michèle Blöchliger ist SVP-Regierungsrätin in Nidwalden.Bild: keystone

Die Nidwaldner Regierungsrätin Michèle Blöchliger sagt, «als Exekutivmitglied und Juristin sehe ich es anders als die Delegierten.» Das Gesetz schaffe die nötige Rechtsgrundlage für das Covid-Zertifikat. «Es ist ein wichtiger Baustein, um aus der Pandemie herauszukommen.» Gleicher Meinung ist der Baselbieter Gesundheitsdirektor Thomas Weber: «Ich befürworte das Gesetz.»

Thomas Weber, Regierungsrat Basel-Landschaft und Vorsteher der Volkswirtschafts- und Gesundheitsdirektion, im Impfzentrum Feldreben in Muttenz, am Montag, 4. Januar 2021. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
Thomas Weber, SVP-Gesundheitsdirektor in Baselland.Bild: keystone

Der Aargauer Gesundheitsdirektor Jean-Pierre Gallati hält es für «fahrlässig», auf das Zertifikat zu verzichten, nur schon deshalb, weil man es zum Reisen brauche:

«Das Zertifikat ist auch darum ein sinnvolles Instrument, weil es Schliessungen und Veranstaltungsverboten vorbeugen kann, die niemand mehr will.»
Jean-Pierre Gallati

Gallati weist zudem auf die steigenden Spitaleinweisungen hin. «In einer solchen Situation das Gesetz abzulehnen, ist absurd.» Er hätte die SVP-Delegierten gern von einem Ja überzeugt, hatte aber eine lange abgemachte Verpflichtung an einem Ärztekongress.

Gegen Quarantäne-Verkürzung: Der Aargauer Regierungsrat Jean-Pierre Gallati.
Jean-Pierre Gallati, Vorsteher Departement Gesundheit und Soziales im Aargau.Bild: ch media

Auch die Natalie Rickli (Zürich) und Pierre Alain Schnegg (Bern) befürworten das Gesetz. Christian Arnold ebenfalls, er ist Gesundheitsdirektor im Kanton Uri, der bei der ersten Covid-Volksabstimmung eine Nein-Mehrheit hatte (national kam die Vorlage mit 60 Prozent durch).

Er sagt: «Bei uns könnte es sicher wieder knapp werden.» Er hoffe, dass nicht Emotionen vorherrschen würden, sondern die Sache. Arnold weiter:

«Irgendwie müssen wir diese Pandemie bewältigen, mit dem Zertifikat, das auf Impfen und Testen beruht, können wir zum normalen Leben zurückkehren.»
Christian Arnold
Der Urner Gesundheitsdirektor und Regierungsrat Christian Arnold anlaesslich einer Medienkonferenz zur aktuellen Coronalage und Corona Massnahmen im Kanton Uri vom Montag, 12. April 2021 in Altdorf. ( ...
Christian Arnold, SVP-Gesundheitsdirektor in Uri, rechnet mit einem knappen Ergebnis.Bild: keystone

Nun gelte es, noch diesen Winter durchzustehen. Von den angefragten SVP-Gesundheitsdirektoren mag sich einzig der Thurgauer Urs Martin noch nicht öffentlich äussern. «Wir haben in der Regierung noch nicht über das Gesetz gesprochen», sagt er. Auf die Frage, wie er persönlich dazu stehe, mag er sich nicht äussern. Dass er ein heimlicher Gegner des Gesetzes ist, ist jedoch nicht anzunehmen.

SVP-Präsident Chiesa war erst anderer Meinung

Manche SVP-Regierungsräte sind auch darum verärgert über die Nein-Parole, weil die Fraktion im Bundeshaus noch anders argumentiert hatte und auch für das Zertifikat war. In der Schlussabstimmung des Nationalrats zum Covid-Gesetz hatte die Fraktion mehrheitlich ja gestimmt.

SVP-Präsident Marco Chiesa selbst war damals wenig erfreut über die Referendumspläne, die zuerst in der Jungpartei Unterstützung fanden. Auf nau.ch sagte er, er werde mit Jung-SVP-Präsident David Trachsel das Gespräch suchen. Denn das Epidemien- und nicht das Covid-Gesetz sei das Problem. Offenbar hat nun der Jung-SVP-Chef den Präsidenten der Mutterpartei überzeugt, und nicht umgekehrt. (aargauerzeitung.ch)

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199 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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kusel
22.08.2021 21:55registriert Januar 2015
Hier zeigt sich einmal mehr der Unterschied zwischen Menschen mit Verantwortung, welche als Direktbetroffene die Notwendigkeiten erkennen und jenen, welche aus dem Stübchen heraus eine Parole fassen, ohne wirklich Ahnung von der Materie zu haben.
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Chumitze
22.08.2021 21:48registriert Februar 2019
Immer wieder schön zu sehen, dass, sobald sie in der Regierung Verantwortung übernehmen (müssen), auch die SVP-Vertreter vernünftig werden und nicht Wahlkampfrethorik betreiben.
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R10
22.08.2021 21:51registriert Juli 2016
Danke an die SVP-Gesundheitsdirektoren die die Verantwortung eines Exekutivamtes annehmen und sich nicht auf die billigen Parteispielchen der SVP-Führung einlassen.

PS: Chiesa ist so dermassen schwach und profillos, da lässt er sich doch tatsächlich von seinem Jung-Parteipräsident die Butter vom Brot nehmen😂
52019
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