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Land gegen Stadt: Wie die SVP die Schweiz spalten will

Marco Chiesa bei seiner Rede anlaesslich einer SVP Feier zum Ende des EU-Rahmenabkommen am Samstag, 26. Juni 2021 in Morschach. (KEYSTONE/Urs Flueeler).
Marco Chiesa bei der SVP-Feier zum Ende des Rahmenabkommens am 26. Juni in Morschach.Bild: keystone
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Land gegen Stadt: Wie die SVP die Schweiz spalten will

Die SVP will die Landbevölkerung gegen die «Luxus-Linken» in den Städten aufwiegeln und so die nächsten Wahlen gewinnen. Der Trumpismus ist definitiv in der Schweiz angekommen.
02.08.2021, 15:3803.08.2021, 19:29
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Am Nationalfeiertag pflegen Politiker salbungsvolle Reden zu schwingen und den nationalen Zusammenhalt zu beschwören. SVP-Präsident Marco Chiesa hatte anderes im Sinn. Seine online veröffentlichte Kurzansprache war eine jovial vorgetragene Hasstirade gegen die linksgrünen «Schmarotzer-Städte» mit ihren «Luxus-Linken» und «Bevormunder-Grünen».

Spalten statt einen, den Stadt-Land-Graben vertiefen – man könnte die Kampfansage des Tessiner Ständerats als verzweifelten Versuch interpretieren, seinen in der Deutschschweiz nach wie vor geringen Bekanntheitsgrad zu pushen und sein schwammiges Profil zu schärfen. Aber es geht nicht einfach um Marco Chiesa, sondern um wesentlich mehr.

Die Mobilisierung

Seit 2016 ging es für die SVP fast nur bergab. Für die erfolgsgewohnte Partei, die selbst Niederlagen in Siege umdeuten konnte, war es eine elend lange Durststrecke. Dann kam der 13. Juni mit der Abstimmung über die Trinkwasser- und die Pestizidinitiative. Sie wurden von vielen Bauern als Provokation empfunden und versetzten die Landwirtschaft in Aufruhr.

Die Folge war eine Mobilisierung der ländlichen Bevölkerung, wie sie die Schweiz seit Jahrzehnten nicht erlebt hat. Sie trug auch dazu bei, das CO2-Gesetz zu bodigen. Bei der SVP witterte man Morgenluft. «Lassen wir uns von den Städten nie wieder überstimmen!», twitterte Nils Fiechter, Strategiechef der Jungen SVP, noch am Abstimmungssonntag.

Dieses Potenzial will die Volkspartei nun gezielt bewirtschaften und auch im Hinblick auf die Wahlen 2023 auf ihre Mühlen lenken. Der Zürcher Nationalrat (und Banker!) Thomas Matter wurde gemäss dem «Blick» zum Dossierverantwortlichen ernannt. Schon Anfang September soll national und kantonal eine Kampagne gegen die Städte starten.

Das Feindbild

Die linksgrüne Dominanz in den Städten ist kein neues Phänomen. Die SVP aber hat das Problem, dass ihre Feindbilder nicht mehr ziehen. Zum Beispiel die Ausländer: Das Thema Zuwanderung hat an Brisanz verloren, die Asylzahlen sind tief. Auch bei der Europäischen Union ist die Luft draussen, nachdem der Bundesrat das Rahmenabkommen versenkt hat.

Er tat dies mit breiter Unterstützung von links bis rechts, womit auch die Classe politique, das liebste Hassobjekt von Christoph Blocher, als solches nicht mehr funktioniert. Also sind nun die «Schmarotzer» in den Städten an der Reihe. Umgekehrt bedeutet dies, dass die SVP faktisch die Hoffnung aufgegeben hat, dort wieder verstärkt Fuss zu fassen.

Das ist nicht ohne Risiko. So tendierten die Agglomerationen lange politisch in Richtung Landschaft. Mit der zunehmenden Urbanisierung hat eine gewisse Trendwende eingesetzt. Auch mittelgrosse Zentren wie Luzern oder St.Gallen sind nach links gerutscht. Und die Anziehungskraft des städtischen Lebens ist nach wie vor gross.

Das Vorbild

epa09321856 Former US President Donald J. Trump (R) speaks during a rally at the Sarasota County Fairgrounds in Sarasota, Florida, USA, 03 July 2021. Former US President Donald J. Trump has taken to t ...
Donald Trump mobilisiert nach wie vor die Massen, hier am 3. Juli in Sarasota (Florida).Bild: keystone

Die SVP hat oft von den Republikanern in den USA abgekupfert. Dort ist die Polarisierung der Gesellschaft grösser und der Graben zwischen den linken Städten und der konservativen Landschaft wesentlich tiefer als bei uns. Mit Donald Trump hat sich diese Entwicklung verschärft. Seine Hardcore-Fans leben überwiegend auf dem Land.

Trotz seiner offensichtlichen Unfähigkeit als Präsident war es Trump bei den Wahlen im letzten November gelungen, nochmals neue Wählerschichten zu mobilisieren und beinahe die Wiederwahl zu schaffen. Das hat in der SVP nicht nur Fans wie Roger Köppel imponiert. Mit der Anti-Stadt-Strategie ist der Trumpismus in der Schweiz angekommen.

Die Gefahren

Geschmueckte Kuehe und ihre Sennen steigen den engen und steilen Pfad von Adelboden auf die Engstligenalp hoch, am Montag, 28. Juni 2021, in Adelboden. Rund 500 Kuehe ueberwinden die 600 Hoehenmeter w ...
Alpaufzug von Adelboden auf die Engstligenalp: Ohne Subventionen geht gar nichts.Bild: keystone

Ob das Kalkül aufgehen wird, bleibt zumindest offen. Die Schweiz ist nicht die USA, bei uns ist die Spaltung (noch) weniger ausgeprägt. Es ist fraglich, ob die rurale Bevölkerung sich so einfach gegen die Städte aufwiegeln lässt. Die Mobilisierung am 13. Juni war der speziellen Konstellation zu verdanken, sie könnte ein einmaliges, heftiges Strohfeuer bleiben.

Die SVP zielt deshalb auf das Geld. Die dekadenten «Luxus-Linken» würden von der fleissigen und genügsamen Landbevölkerung subventioniert, lautet offenbar die Tonalität der Kampagne. Mit Vorstössen wolle sie die Abgeltung von Zentrumsleistungen wie Hochschulen und Kultureinrichtungen zusammenstreichen, schreibt der «Blick».

Die Begleitmusik lieferte der Ökonom Reiner Eichenberger in der «Sonntagszeitung»: «Die massive Subventionierung der Städte ist ein historisches Relikt, aber eigentlich längst überholt.» Allerdings fahren Landschäftler gerne in die Stadt, und die Steueroasen in der SVP-Hochburg Schwyz werben explizit mit ihrer Nähe zur Stadt Zürich um Zuzüger.

Man kann sich ohnehin fragen, wer wen finanziert: Landschaft und Berggebiete erhalten Milliarden an Ausgleichs- und Direktzahlungen, Wasserzinsen und weiteren Subventionen. Erwirtschaftet wird dieses Geld von den «Schmarotzern» im urbanen Raum. Sie kaufen die von den Bauern erzeugten Produkte (über die Grenze ist es häufig nicht weit), und sie haben im letzten Jahr den Tourismus in den Bergregionen gerettet.

Vielen Landbewohnern ist bewusst, dass sie auch von den Städten abhängig sind. Dennoch wäre in der urbanen Schweiz eine gewisse Selbstkritik angebracht. Ihr fehlt häufig das Gespür für die Realität auf dem Land. Etwas mehr Kompromissbereitschaft könnte einiges bewirken, etwa bei einer Neuauflage des Jagdgesetzes. Wenn der Spaltungsversuch der SVP scheitern soll, braucht es die Mithilfe der linksgrünen Städter.

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363 Kommentare
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bcZcity
02.08.2021 15:49registriert November 2016
Dass man in der Stadt etwas selbstgefällig wird ist nicht von der Hand zu weisen, man fühlt sich ja wie die Made im Speck. Aber dafür leben die Menschen auch mit den Kompromissen einer Stadt - wer das Landleben predigt soll doch auch auf das Land ziehen (Und nicht nur in die Agglo).

Aber die SVP versucht hier auf recht berechnende Weise Stimmen dort abzugreifen, wo man sonst schon viel Zuspruch erhält. Und wie bereits im Text erwähnt, wer subventioniert hier wen?

Für mich als "Städter", kann mich diese Partei nun noch mehr dort küssen wo es nicht nur auf dem Land dunkel ist.
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Thomas Melone
02.08.2021 15:54registriert Mai 2014
Man könnte ja mal ein paar Monate den Geldfluss zwischen Stadt und Land unterbrechen und dann schauen wer von wem mehr abhängig ist.
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Gurgelhals
02.08.2021 16:58registriert Mai 2015
Bezeichnend auch wieder, wie perfid der Alte aus Herrliberg seine eigenen Gefolgsleute verheizt: Da gibt er vor ein paar Tagen selber CH Media ein Interview, in dem er sich verhältnismässig vernünftig präsentiert. Aber zeitgleich geht die Stallorder an seine Marionetten Chiesa und Aeschi zu diesen schlicht aufwieglerischen 1.-Augustreden raus. Und hintenrum finanziert man dann auch noch diese lila Verschwörungsschwurblertruppe, die am Tag zuvor wieder mal in Luzern aktiv war.

Auch für einen Chiesa gilt: Wenn man so blöd ist den Giuliani zu machen, steht man am Ende mit abgesägten Hosen da.
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