200'000 Impfdosen weniger: 4 Gründe, warum Moderna später liefert
«Moderna hat uns mitgeteilt, dass es eine Verschiebung in den Lieferprognosen gibt. Wir werden im Mai 200'000 Dosen weniger erhalten»: Mit dieser Hiobsbotschaft wandte sich BAG-Vizedirektorin Nora Kronig am Dienstag an die Medienschaffenden.
200'000 Impfdosen werden im Mai fehlen. Moderna wolle diese im Juni nachliefern, so Kronig weiter. Sicher ist das aber nicht. Denn bei den Angaben von Moderna handelt es sich stets um Lieferprognosen. Also keine fix bestätigten Liefermengen.
Das sind die Gründe der Lieferverzögerung
- Hochkomplexer Prozess: Gemäss US-Biotechnologieunternehmen Moderna sei die Impfstoffproduktion ein «hochkomplexer Prozess». Rund 150 einzelne Komponenten aus aller Welt seien für ein Vakzin nötig, so Dan Staner, der Europachef von Moderna in einem Interview mit dem «Tages-Anzeiger».
- Probleme beim Zuliefersystem: Etwas konkreter wird Branchenanalyst Michael Nawrath gegenüber SRF. «Der wichtigste Flaschenhals liegt beim Zuliefersystem», so der Fachmann. Endhersteller Moderna wartet auf das für den Impfstoff benötigte Rohmaterial, deutet Nawrath an.
- Fehlendes Personal: Einer der Firmen, die den Wirkstoff für die Moderna-Impfung herstellt, ist Lonza in Visp VS. Doch der Firma fehlen spezialisierte Fachkräfte. 60 Stellen seien aktuell in der Schweiz ausgeschrieben, so Moderna-Europachef Staner. «Es ist eine Herausforderung, genügend qualifiziertes Personal zu finden.»
- Verzögerungen in der Produktionssteigerung: Neben den fehlenden Fachkräften, klappt auch die Inbetriebnahme von drei zusätzlichen Produktionslinien in der Lonza weniger schnell als gedacht. Eine der drei Linien produziere bereits, die zwei weiteren sollen in den kommenden Wochen in Betrieb genommen werden, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.
- Das sagt das BAG: Während einer Krise müsse man mit Unsicherheiten rechnen, so Kronig gegenüber «10 vor 10». «Die globale Produktion des Impfstoffes ist sehr komplex», so Kronig weiter. Auch die Direktorin des BAG, Anne Lévy, äusserte sich gegenüber SRF zum Lieferdebakel: «Wir sind auch empört über die kurzfristige Lieferverzögerung vonseiten Moderna. Wir haben aber sofort interveniert und konnten so wenigstens eine Teillieferung sichern.»
Warum die Impfstoffherstellung so hochkomplex ist, was es alles dazu braucht und warum man nicht einfach mehr produzieren kann, liest du auch hier.
Nicht nur die Schweiz ist von Lieferengpässen betroffen
Es ist nicht nur die Schweiz, die von Moderna weniger Impfdosen geliefert bekommt, als ursprünglich angekündigt.
Auch in Kanada musste die Ministerin für öffentliche Dienste und das Beschaffungswesen Anita Anand verkünden, dass anstatt der versprochenen 1,2 Millionen Dosen, nur 650’000 bis Ende April geliefert werden können.
Anfang April berichtete zudem der deutsche Ableger des «Business Insiders» über Moderna-Lieferausfälle, die Deutschland Ende April drohen würden. Doch Moderna dementierte den Vorwurf und versprach, dass man die vierteljährliche Liefervereinbarung mit der Europäischen Kommission und den einzelnen Mitgliedstaaten erfüllen werde.
Die Kantone sind verärgert
Nach der Hiobsbotschaft liess die Kritik nicht lange auf sich warten. Impflieferungen führen allen voran in den Kantonen zu grösseren Problemen, weil diese Impftermine umbuchen oder gar stornieren müssen. Und das wiederum könnte Einfluss haben auf die Impfbereitschaft der Bevölkerung, befürchtete Lukas Engelberger, Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektorenkonferenz GDK.
Folgend Auszüge einiger Reaktionen zur Impfverzögerung:
So geht es weiter
Obwohl die Meldung zu den Lieferverzögerungen zu einem heiklen Zeitpunkt kommt, gibt es einige Silberstreifen am Horizont.
Mit dem Impfstoff-Hersteller Curevac Swiss hat am Montag ein weiteres Unternehmen ein Zulassungsgesuch beim Heilmittelinstitut Swissmedic eingereicht. Es handelt sich um das mittlerweile fünfte Zulassungsverfahren für einen Impfstoff gegen Sars-CoV-2. Die Schweiz hat bereits fünf Millionen Impfdosen bei Curevac bestellt.
Ein Zulassungsgesuch von Astrazeneca wird derzeit ebenfalls von Swissmedic geprüft. Der Covid-19-Impfstoffkandidat von Curevac befindet sich gemäss dem Unternehmen derzeit in der finalen Phase der klinischen Entwicklung. Für die zulassungsrelevante Studie, die am 14. Dezember 2020 startete, sei die Rekrutierung von derzeit rund 40'000 Teilnehmenden in Lateinamerika und in Europa abgeschlossen worden.
Neben den bereits etablierten Impfherstellern steigen gemäss Experten viele weitere Unternehmen in den Markt ein. Kommen mehr Zulieferer und Hersteller dazu, könnten die Lieferengpässe bald überstanden sein.
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(ohe)
Mit Material der sda