Für einige Eltern dürfte der Start ins neue Jahr mit grosser Erleichterung verbunden gewesen sein: Seit dem 1. Januar 2022 können sich in der Schweiz auch Kinder zwischen fünf und elf Jahren impfen lassen. Dies, nachdem der Impfstoff von Pfizer für diese Altersgruppe Mitte Dezember zugelassen und kurz darauf von der Eidgenössischen Impfkommission empfohlen wurde.
Jetzt, fünf Wochen nach dem Start der Kinderimpfungen, zeigt sich: Die Nachfrage ist tief. Zwar habe es zu Beginn des Jahres viele Anmeldungen gegeben, inzwischen seien diese allerdings deutlich eingebrochen, heisst es von Seiten des Verbands der Kinder- und Jugendärztinnen: «Aktuell besteht kaum noch eine Nachfrage nach neuen Impfterminen in dieser Altersgruppe. Wer sein Kind impfen lassen wollte, hat das mit der Verfügbarkeit der Impfstoffe Anfang Januar gemacht.»
Tatsache ist: Von den über 600'000 Kindern im Alter von fünf bis elf Jahren sind hierzulande lediglich 7.4 Prozent mindestens einmal geimpft, also etwas mehr als 40'000, zwei Mal geimpft sind nur gerade 0.8 Prozent dieser Altersklasse. Zum Vergleich: In Deutschland hat bereits jedes fünfte Kind zwischen fünf und elf Jahren mindestens eine Dosis erhalten.
Die tiefe Impfquote bei den Kindern stellt den Bund und sein Beschaffungsteam vor Herausforderungen: Auf Anfrage teilt das Bundesamt für Gesundheit (BAG) mit, dass «bisher 500'000 Kinderimpfstoffdosen in die Schweiz geliefert» worden seien. Davon wurde nicht einmal ein Zehntel verimpft. Und es sieht nicht danach aus, dass sich das sobald ändern würde.
Heisst also, dass der Bund ? selbst wenn nun noch einige tausend Kinder geimpft werden ? auf etwa 400'000 Kinderimpfdosen sitzen bleiben wird. Eine totale Fehlkalkulation also? Das BAG rechtfertigt die grosse Beschaffungsmenge damit, dass die Schweiz genügend Impfstoffe bestellt habe, um allen Kindern in diesem Alter eine Impfung zu ermöglichen. Weiter heisst es: «Die Planung des Bundes hat zum Ziel, dass keine Impfdosen verfallen oder vernichtet werden müssen.» Deshalb passe der Bund laufend die Liefermengen an und prüfe eine «Weitergabe von Impfstoffen an andere Länder, sollten diese in der Schweiz nicht benötigt werden».
Immerhin hat er dafür bei den Kinderimpfungen noch etwas Zeit: Bis Sommer 2022 laufen keine angelieferten Dosen des Kinderimpfstoffs ab.
Grund für die tiefe Impfquote dürfte einerseits die bereits hohe Immunität der Kinder sein. Weil das Virus an vielen Schulen bereits rege zirkulierte, weisen mittlerweile viele Schülerinnen und Schüler durch eine Infektion Antikörper auf.
Das bestätigt auch eine kürzlich erschienene Studie der Universität Zürich: Gemäss dieser hat die Hälfte aller Schülerinnen und Schüler Antikörper gegen Corona im Blut - entweder durch eine Impfung oder durch eine Infektion. Und weil den genesenen Kindern, die weder unter Vorerkrankungen leiden noch besonders häufig Kontakt haben zu vulnerablen Personen, grundsätzlich keine Impfung empfohlen wird, lassen viele Eltern ihre Kinder nach einer Infektion nicht impfen.
Einen weiteren Grund ortet das BAG bei den meist milden Verläufen und der tiefen Zahl der Hospitalisationen von Kindern:
Diese Einschätzung teilt auch die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie: «Da Kinder meistens leichte Verläufe haben, wird der individuelle Nutzen von den Eltern als klein angesehen.»
Deshalb geht der Verband der Schweizer Kinder- und Jugendärztinnen momentan nicht von einer Zunahme der Nachfrage aus: «Die Nachfrage nach der Kinderimpfung ist gering, jene nach neuen Impfterminen faktisch gleich null.» Momentan gebe es keine Hinweise, dass sich das ändern sollte.
Jetzt wäre wichtig: Gebt die Impfdoesen denjenigen, die sie jetzt brauchen, und nicht erst 10 Tage vor Ablaufdatum.