Wie steht es um die Zukunft des Zertifikats? Im Abstimmungskampf herrscht Flaute
Wie gut die Gegner der Covid-Massnahmen mobilisieren können, sucht in der Geschichte der direkten Demokratie seinesgleichen. Im Nu hatten die «Freunde der Verfassung» 187'433 Unterschriften für das Referendum gegen das Covid-Gesetz gesammelt. Können die Impf- und Massnahmengegner auch Ende November gegen das Covid-Gesetz so gut mobil machen? Können sie es bodigen?
Jedenfalls steht ihnen ein derzeit schwacher Kontrahent gegenüber. Die Befürworter der Zertifikatspflicht stehen noch am Anfang. Niemand übernehme das Lead bei der Abstimmung, heisst es von verschiedenen Seiten. SP, GLP, FDP und die Mitte werden sich engagieren. Doch eine grosse Kampagne stemmen? SP-Co-Präsident Cédric Wermuth sagt, die Partei habe sich klar positioniert und sie habe einen Bundesrat, der im Dossier federführend sei. Die Kampagne müsse aus der bürgerlichen Mitte hervorgehen. Wermuth: «Aber es scheint - wenn überhaupt - sehr zögerlich vorwärtszugehen.»
Kein Kernthema und keine Ressourcen
Die Parteien sehen Handlungsbedarf. «Wir müssen alle einen Beitrag leisten und können das Feld nicht einfach den anderen Gegnern überlassen», sagt GLP-Chef Jürg Grossen stellvertretend. Nur: «Wir haben nicht die Mittel für eine grössere Kampagne.» Nationalrätin Ruth Humbel (Mitte/AG) sagt, es fehle das Geld und die Unterstützung der Wirtschaftsverbände.
Tatsächlich wollen sich diese nicht im Abstimmungskampf engagieren, wie Michael Wiesner von Economiesuisse bestätigt:
Ausserdem sei es auch eine Frage der Ressourcen. Auch die Gewerkschaften sehen keinen Grund, Geld in die Abstimmung zu investieren. «Das Covid-Gesetz hat für uns keine Priorität», sagt Adrian Wüthrich von Travailsuisse. «Das Zertifikat ist ein Element, das wir im Kampf gegen die Pandemie unterstützen. Aber wir hoffen vor allem, dass wir es möglichst bald wieder abschaffen können.»
Kampf um eine Massnahme, die keiner will
Klar, das Zertifikat ist nicht sexy, niemand will die Einschränkungen im Privat- und Wirtschaftsleben eigentlich. FDP-Vizepräsident Andrea Caroni (AR) sagt dazu: «Auch wir würden gerne auf diese Pflicht verzichten, aber es ist das kleinere Übel im Vergleich zu den anderen Massnahmen.»
Die FDP hat als einzige Partei bereits finanzielle Mittel gesprochen. «Wir haben die Abstimmung in der zweithöchsten Kategorie von vier eingestuft und werden uns dafür einsetzen», sagt Caroni. Er erwarte aber, dass andere Parteien auch mitziehen.
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Aufgeheizte Stimmung führt zu Zurückhaltung
Die Politiker sehen der Abstimmung durchaus optimistisch entgegen – fast 70 Prozent der impffähigen Bevölkerung sind geimpft. Trotzdem schätzen sie die Folgen eines Absturzes als fatal ein. Caroni: «Das Zertifikat ist die Garantie gegen Schliessungen.» Es erstaune ihn daher, dass sich die Wirtschaft nicht engagiere. Ohne sie wird eine grosse Kampagne schwierig.
Die Zurückhaltung unter Politikern hat einen weiteren Grund: «Die gereizte Stimmung macht es momentan etwas schwerer, öffentlich anzutreten. Darum ist die Motivation wohl bei einigen etwas geschmälert», sagt Grossen. Das sehen auch Caroni, Wermuth und Humbel so. Die verbreitete Hoffnung: Dass mit der häufigen Anwendung des Zertifikats nun auch dessen Akzeptanz steigt. (aargauerzeitung.ch)