Der Zugang zum Parlamentsgebäude ist mühsamer geworden. Ausweise und Badges werden genau geprüft, die Metalldetektoren wurden extra empfindlich eingestellt. Der Grund ist das aufgeheizte Klima im Land mit handfesten Drohungen gegen Bundesräte sowie die Tatsache, dass erstmals seit Beginn der Pandemie Besucher eingelassen werden.
Seit Montag läuft in Bern die Herbstsession der eidgenössischen Räte. Am gleichen Tag trat die erweiterte Zertifikatspflicht in Kraft, eine angesichts der miserablen Impfquote in der Schweiz nachvollziehbare, aber von Corona-Skeptikern heftig kritisierte Massnahme. Beim Zutritt ins Bundeshaus aber bleibt man davon verschont.
Einzige Ausnahme sind die Gastrobetriebe. Vor dem Café Vallotton oder der Galerie des Alpes werden selbst Mitglieder von National- und Ständerat gemäss 3-G-Regel kontrolliert. Ansonsten aber ist das Parlamentsgebäude eine zertifikatsfreie Zone. Dieses «Privileg» ist der Berner SP-Nationalrätin Flavia Wasserfallen ein Dorn im Auge.
Ende August forderte sie mit ihrer Aargauer Partei- und Amtskollegin Gabriela Suter eine Zertifikatspflicht für die Herbstsession. Bei den übrigen Parteien und Fraktionen stiessen sie auf wenig Gegenliebe. Selbst SP-Fraktionschef Roger Nordmann äusserte gegenüber Tamedia «grosse Zweifel», dass ein solcher Zwang rechtlich machbar sei.
Seither hat der Wind gedreht, die Parlamentarier haben regelrecht kalte Füsse bekommen. Denn in der Bevölkerung und natürlich vor allem bei den Massnahmen-Gegnern ist die Wut gross, dass man kontrolliert wird, wenn man in einem Restaurant einen Kaffee trinken will, während die «die da oben in Bern» für sich einen Sonderstatus beanspruchen.
«Das Parlament ist mit einer Grossveranstaltung vergleichbar, eine Zertifikatspflicht wäre mehr als angemessen. Es darf keine Sonderregeln geben», meinte Flavia Wasserfallen im Gespräch mit watson. Die SP-Fraktion habe das Zertifikat von sich aus eingeführt, auch für Gäste. Am Mittwoch hat die Staatspolitische Kommission des Ständerats beschlossen, die Grundlagen für eine Zertifikatspflicht im Bundeshaus zu erarbeiten.
Nötig dafür wäre eine Änderung des Parlamentsgesetzes. Im Eilverfahren könnte das Zertifikat bereits in der dritten Sessionswoche eingeführt werden. Flavia Wasserfallen hofft darauf, doch es gibt ein Problem: Eine Zertifikatspflicht darf nicht dazu führen, dass Parlamentarier von den Sitzungen und Abstimmungen ausgeschlossen werden.
Es könnte sein, dass der Nachweis erst in der Wintersession kommt. Die Zustimmung der Räte ist wohl Formsache, denn in einer Zwickmühle befindet sich einzig die SVP. Sie lehnt die Zertifikatspflicht rundweg ab, und einige Fraktionsmitglieder sind nicht geimpft. Allerdings kann die Volkspartei kaum eine Sonderregel für die «Classe Politique» unterstützen.
In einem anderen umstrittenen Punkt hat sich die SVP festgelegt: Sie ist dagegen, dass Covid-Tests wie vom Bundesrat beschlossen ab 1. Oktober kostenpflichtig werden. Auch gegen diesen Entscheid gab es in den letzten Tagen Proteste etwa von Studierenden, die um ihre knappen Finanzen bangen – obwohl sie sich eigentlich impfen lassen könnten.
Noch im August hatte sich die Gesundheitskommission des Nationalrats dafür ausgesprochen, dass der Bund die Testkosten bei Personen ohne Symptome nicht mehr übernehmen soll. Pikanterweise waren es gemäss Tamedia ausgerechnet die beiden SVP-Bundesräte, die sich für das Ende der Gratis-Tests eingesetzt hatten.
Finanzminister Ueli Maurer, der gerne mit den Massnahmen-Gegnern flirtet, wollte demnach die Testkosten nicht mehr aus der Bundeskasse bezahlen. Nun stellt sich die eigene Partei gegen ihn. Auch in anderen Fraktionen bröckelt die Zustimmung. Die Grünen waren stets für die Beibehaltung der Gratis-Tests. Nur die FDP unterstützt die Kostenpflicht weiterhin.
Oberstes Ziel sei es, die Impfquote zu erhöhen, sagte Fraktionschef Beat Walti gegenüber SRF. Die FDP fordere den Bundesrat deshalb auf, neben den umstrittenen mRNA-Vakzinen weitere Impfstoffe zu beschaffen. Mit dem Konzern Johnson & Johnson, dessen Impfstoff von Swissmedic bereits zugelassen wurde, ist der Bund «intensiviert» in Verhandlungen.
Eine direkte Mitsprache hat das Parlament in der Kostenfrage nicht. Gesundheitsminister Alain Berset war jedoch stets skeptisch gegenüber der Abschaffung der Gratis-Tests. Parlamentarier äusserten im Gespräch die Erwartung, dass der Bundesrat bereits am Freitag auf seinen Entscheid zurückkommen und die Kostenpflicht zumindest aufschieben könnte.
wollt ihr ewig massnahmen haben?