Der gestrige Tag wird bei den Medizinerinnen und Pflegern in den Schweizer Spitälern schräg vorgekommen sein: An der Pressekonferenz des Bundesrates fragte ein Journalist, ob man denn nicht das Militär zur Unterstützung der überlasteten Intensivstationen in den Spitälern aufbieten könne. In Bern demonstrierten Stunden später Menschen gegen jegliche Corona-Schutzmassnahmen und insbesondere gegen die ausgedehnte Zertifikatspflicht.
Schräg deshalb, weil das Coronavirus nach wie vor Menschen erkranken lässt und zu zahlreichen Hospitalisierungen führt. Ausgebadet werden darf das von den Lebensretterinnen und Lebensrettern auf der Intensivstation: Sie kämpfen seit Tagen mit neuen Patientinnen und Patienten, um die sich jeweils ein ganzes Team kümmern muss. Das bringt sie persönlich, aber auch die Ressourcen ans Limit. Im Kanton Aargau spricht man mittlerweile bereits von einem «ethischen Dilemma».
Das Kantonsspital Baden (KSB) informierte am Mittwoch die Belegschaft transparent darüber, dass die IPS-Plätze beinahe komplett besetzt sind. «Unsere zehn IPS-Plätze sind derzeit mit acht, meist ungeimpften Covid-Patienten belegt», heisst es von der Spitalleitung in einer internen Chatnachricht, die von watson auf ihre Echtheit bestätigt werden konnte. Das Spital lehnte eine Stellungnahme ab.
Offen bleibt etwa die Frage, was es bedeutet, wenn acht Covid-Patienten zehn Plätze belegen. Das Spital wollte sich auf diese Frage nicht äussern. Eine Erklärung könnte jedoch sein, dass die Anzahl freier Betten nicht alleine darüber entscheidet, wie viele Patientinnen ein Spital zur Intensivpflege noch aufnehmen könnte. Ein leeres Bett bringt nämlich niemandem etwas, wenn das Personal oder die besonderen technischen Geräte dazu fehlen.
Trotz des offenen Punktes zeigt die deutliche Sprache auf, mit welchen Problemen das Personal zu kämpfen hat. Weil die Intensivstation mit den acht Covid-Erkrankten bereits am Limit sei, werde man «unweigerlich» vor schwierige Fragen gestellt: «Wie gehen wir mit Patienten um, die kein Covid haben, aber sich in einer lebensbedrohlichen Situation befinden?»
Glück im Unglück hatte eine Patientin: Sie litt unter einem Aneurysma und konnte bzw. musste verlegt werden. Die Spitalleitung schreibt dazu in ihrer Nachricht ans Personal: «Dies darf kein Dauerzustand werden, denn auch Nicht-Covid-Patienten haben ein Anrecht auf eine adäquate Behandlung respektive einen IPS-Platz.»
Nur ist das nicht ganz einfach: Im Kanton Aargau ist nicht nur das Spital Baden am Limit, wie aktuellste Daten zur IPS-Bettensituation zeigen. Baden will deshalb reagieren und ab kommendem Montag ein elftes Bett in Betrieb nehmen, dieses jedoch nur für «chirurgische Non-Covid-Patienten» reservieren. Im ganzen Kanton – also nicht nur fürs Spital Baden – wurden dem Bund zuletzt sieben von rund 50 freien IPS-Betten gemeldet.
Was bei den Daten aus dem Aargau auffällt, ist die steigende Anzahl an hospitalisierten Menschen im Alter zwischen 30 und 49 Jahren. Unter ihnen wird es auch Fälle geben, die nicht intensiv gepflegt werden müssen. Berichte aus anderen Spitälern zeigen jedoch, dass auch Personen aus dieser Altersgruppe in jüngster Zeit auf der Intensivstation gepflegt werden mussten.
Neuste Daten, die kürzlich von der wissenschaftlichen Taskforce publiziert wurden, bestätigen einen beachtlichen Anteil an Hospitalisierten «Reiserückkehrern». Bedeutender ist jedoch der Anteil der gänzlich ungeimpften Menschen.
Zum erkennbaren Rückgang der täglichen Anzahl der Hospitalisationen schreibt die Taskforce: «Wichtig hier ist allerdings zu erwähnen, dass selbst bei Abnahme der neuen Hospitalisierungen die IPS-Belegung längere Zeit auf hohem Niveau bleiben wird, da Patienten teils für Wochen auf der IPS behandelt werden. Weiter müssen verschobene Operationen nachgeholt werden.»