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Landwirtschaft

Warum mehr Pflanzen auf dem Teller für die Schweizer Bauern nicht rentieren

Bauer Urs Tellenbach auf einem seiner Felder in Pieterlen BE. Hier wollte er eigentlich Chiasamen anpflanzen. Nun spriesst Unkraut. Daneben reifen unter anderem Kichererbsen und Quinoa.
Bauer Urs Tellenbach auf einem seiner Felder in Pieterlen BE. Hier wollte er eigentlich Chiasamen anpflanzen. Nun spriesst Unkraut. Daneben reifen unter anderem Kichererbsen und Quinoa.Bild: Peter Schneider / Keystone

Warum mehr Pflanzen auf dem Teller für die Schweizer Bauern nicht rentieren

Hummus, Hafermilch und Fleischalternativen liegen im Trend, doch die Schweizer Bauern klagen: Für sie lohnt sich der Anbau von Kichererbsen oder Linsen nicht. Was sind die Gründe?
11.07.2025, 10:11
Lea Hartmann / ch media
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Ist das Unkraut, das da spriesst? Auf den ersten Blick ist nicht erkennbar, was Familie Tellenbach auf dem Feld inmitten von Pieterlen BE anbaut. Schliesslich handelt es sich um Kulturen, die man in der Schweiz nur selten zu Gesicht bekommt: Quinoa, Ackerbohnen, Kichererbsen und andere Hülsenfrüchte wachsen auf den paar Hektaren zwischen Wohnquartier und Bahnlinie.

Die Nachfrage nach diesen eiweisshaltigen Pflanzen steigt. Viele Menschen wollen mehr Pflanzliches statt Tierischem auf dem Teller – sei es wegen der Umwelt, des Tierwohls oder der Gesundheit. Trotzdem lohnt sich der Anbau dieser Kulturen nicht, sagen Bäuerinnen und Bauern. Die pflanzliche Produktion in der Schweiz ist rückläufig.

Für einmal sind die Bauern einer Meinung

Der Pflanzenbau sei ein Sorgenkind, sagt Martin Rufer, Direktor des Schweizer Bauernverbands. Gemeinsam mit den Labelorganisationen Bio Suisse und IP Suisse hat der Verband am Donnerstag auf den Hof der Familie Tellenbach geladen. Es ist eine Premiere, dass Bauernverband, IP Suisse und Bio Suisse gemeinsam vor die Medien treten. Bei agrarpolitischen Fragen gehen ihre Haltungen nicht selten weit auseinander. Doch bei diesem Thema ist man sich für einmal einig: Es besteht Handlungsbedarf.

Bio-Suisse-Präsident Urs Brändli.
Bio-Suisse-Präsident Urs Brändli.Bild: Peter Schneider / Keystone

«Gerne würden viele Bauernbetriebe ihre pflanzliche Produktion für die direkte menschliche Ernährung ausbauen – gerade Biobetriebe. Leider lassen sich solche Produkte oft nur sehr schwer absetzen», sagt Urs Brändli, Präsident von Bio Suisse.

Ein Problem: der fehlende Grenzschutz

Als eines der Hauptprobleme benennen die konventionellen wie auch die Label-Bauern den fehlenden Grenzschutz. Anders als für Kulturen wie Kartoffeln oder Weizen gibt es für Quinoa, Kichererbsen oder auch Hafer aus dem Ausland keine Zölle und Kontingente, weshalb Schweizer Produzenten gegen die billige Konkurrenz aus dem Ausland keine Chance haben.

Die Branchenvereinigung IP Suisse, der knapp 19'000 Bauern angehören, hat 2015 mit dem Anbau von Quinoa gestartet – dieses Jahr aber wieder eingestellt. Es lohne sich einfach nicht. Nebst dem fehlenden Grenzschutz sei der Pflanzenschutz ein Problem: Neue Schädlinge seien aufgetreten und es gebe keinen Wirkstoff mehr zur Unkrautbekämpfung, sagt IP-Suisse-Geschäftsführer Christophe Eggenschwiler. Hinzu kommen die Herausforderungen durch die Klimaerwärmung.

Familie Tellenbach macht trotzdem weiter

Mit dem gemeinsamen Auftritt vor den Medien wollen die Bauernvertreter Druck auf den Bund machen. Doch beim Grenzschutz besteht kaum Hoffnung. Die Regeln der Welthandelsorganisation (WTO) liessen «keinen oder nur sehr geringen Spielraum für eigenständige Grenzschutzerhöhungen», gibt das Bundesamt für Landwirtschaft auf Anfrage zu bedenken. Wolle die Schweiz einen höheren Grenzschutz, müsse man gefasst sein auf Forderungen, in anderen, geschützten Bereichen Zugeständnisse zu machen.

Dafür erhalten Bauern seit 2023 auch für Kichererbsen und andere Hülsenfrüchte, die sie für die menschliche Ernährung anbauen, Direktzahlungen. Dass die Beiträge in naher Zukunft erhöht werden, ist angesichts der Sparmassnahmen unwahrscheinlich.

Quinoa wird in der Schweiz kaum angebaut.
Quinoa wird in der Schweiz kaum angebaut.Bild: keystone

Familie Tellenbach hat trotz allem beschlossen, weiterzumachen – den Kunden zuliebe, die das einheimische Quinoa in ihrem Hofladen weiterhin nachfragen. Höchstens 50 Kilo dürfte man dieses Jahr ernten. Rentieren tue sich der Anbau nicht, sagt Bauer Urs Tellenbach – was er bedauert. «Wir würden gern eine grössere Fläche anbauen.» (aargauerzeitung.ch)

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205 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Beat_
11.07.2025 10:45registriert Dezember 2018
Wahrscheinlich besteht auch die Möglichkeit, statt mehr Beiträge vom Bund zu erwarten diese auch etwas umzuschichten?
Fleischprodukte und Futtermais weniger subventionieren und die Gelder in Pflanzen investieren, die direkt dem Menschen zu gute kommen.
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Güggel
11.07.2025 10:30registriert März 2017
Gleichzeitig wird sehr viel wertvolles Ackerland dem Anbau von minderwertigem Mais als Tierfutter geopfert. Da kann doch etwas nicht stimmen.
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Highland Sack
11.07.2025 10:50registriert Oktober 2022
Das Hauptproblem wird nicht erwähnt. Über 80% der landwirtschaftlichen Subventionen des Bundes gehen an die tierbasierte Landwirtschaft. Dann ist es kein Wunder, dass z. B. bei Hülsenfrüchten 96% des inländischen Bedarfs durch Importe gedeckt werden müssen.
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