Omikron gibt den Forschern Rätsel auf. Das Erbgut der neuen Virusvariante hat sich so stark verändert, dass sich im Stammbaum des Coronavirus eine grosse Lücke zeigt: Trotz der mittlerweile knapp sechs Millionen vorhandenen Sars-CoV-2-Genomen gibt es keine Zwischenstufen, die zu Omikron führen.
Diskutiert werden drei Hypothesen: Das Virus könnte sich ein Jahr lang unbemerkt entwickelt haben. Es könnte in einer immungeschwächten Person entstanden sein. Oder aber in Tieren. Das hiesse, dass Sars-CoV-2, das ursprünglich wahrscheinlich von Fledermäusen stammt, sich an den neuen tierischen Wirt angepasst hätte, und von dort wieder zurück in den Menschen gelangt wäre.
Bereits im April 2020 wurde bekannt, dass sich Nerze in den Niederlanden von Menschen angesteckt hatten. Später wurden solche Fälle auch in Dänemark, Schweden, Italien, Spanien und den USA gemeldet. Später konnte nachgewiesen werden, dass es zurück in den Menschen sprang: Sars-CoV-2 hatte in den Nerzen neue Mutationen entwickelt. Dazu sagt die Virologin Marion Koopsman vom Erasmus MC in Rotterdam:
So könne das Virus sich parallel bei Mensch und Tier verändern. Komplett neue Stämme könnten die Wirkung der Impfstoffe unterlaufen. Um dieses Risiko zu verhindern, wurden allein in den Niederlanden knapp drei Millionen Nerze gekeult.
Infiziert haben sich aber auch andere Tiere: Die Weltorganisation für Tiergesundheit (OIE) hat bis Ende Oktober 2021 Übertragungen in 14 Arten dokumentiert. Darunter Katzen, Hunde, Hamster, Kaninchen und viele Zootiere, hauptsächlich Grosskatzen und Menschenaffen. Im Lincoln Children's Zoo in Nebraska starben Anfang November drei seltene Schneeleoparden an Covid-19 und jüngst erkrankten zwei Flusspferde in Antwerpen. Dem Tierpfleger war ein dickflüssiger Nasenausfluss aufgefallen.
Einige Tiere können das Virus untereinander weitergeben - wie oft es zu Rückübertragungen auf den Menschen kommen kann, ist unbekannt. «Die einzige bestätigte Rückübertragung ist jene von Nerzen auf den Menschen», sagt die Evolutionsbiologin Sarah Otto von der Universität von Britisch-Kolumbien in Vancouver. «Möglicherweise sind das sehr seltene Ereignisse.»
Aber klar ist: Sars-CoV-2 kann die Artbarrieren leicht überspringen. So infizierten sich einer aktuellen Studie zufolge 2020 gut vier Prozent der Hauskatzen mit dem Virus. Katzen erkranken selten, können das Virus aber ausscheiden. Laut den Autoren gebe es aber keine Hinweise darauf, dass Katzen zur Ausbreitung beitragen. Einige Zoos in den USA haben begonnen ihre Tiere gegen Covid-19 zu impfen. Zoetis, ein aus Pfizer ausgegliedertes Unternehmen, hat einen Impfstoff eigens für Tiere entwickelt.
Breitet sich das Virus aber in grossen und dicht zusammen lebenden Tierpopulationen aus, sieht die Sache anders aus. Dann hat das Virus Wirte, in denen es sich massenhaft vermehren kann, was das Risiko für Virusvarianten steigen lässt.
In den USA haben Forscher nachgewiesen, dass Sars-CoV-2 sich bei Weisswedelhirschen ausgebreitet hat. 40 Prozent der beprobten Tiere hatten eine Infektion durchgemacht, berichten Wissenschafter auf der Plattform der Amerikanischen Akademie der Wissenschaften, PNAS. Wie sich die Tiere angesteckt haben, ist noch unklar, die Wissenschafter nehmen aber an über den Menschen, denn Weisswedelhirsche sind recht zutraulich und halten sich gerne in der Nähe menschlicher Siedlungen auf. Das ist heikel, denn unter Wildtiere kann sich das Virus unkontrolliert ausbreiten – Massnahmen wie Impfen oder Keulen stehen nicht zur Verfügung.
Einige Experten empfehlen daher die Überwachung potenzieller Wirte. Zumindest von solchen Tieren, die in grosser Zahl vorkommen und sich gerne in Gruppen zusammenschliessen. Die Ergebnisse einer aktuellen Studie in der Fachzeitschrift Proceedings of the Royal Society könnten dabei helfen: Forscher des Cary Institute of Ecosystem Studies in New York untersuchten, welche Tierarten besonders empfänglich sind für eine Infektion mit Sars-CoV-2 und konzentrierten sich dazu auf den ACE2-Rezeptor - Sars-CoV-2 nutzt den als Eingangstor in die Zelle. Wegen seiner essenziellen Funktion bei der Regulierung des Blutdrucks und des Wasserhaushalts besitzen wahrscheinlich alle Säugetiere (über 6000 Arten) diesen Rezeptor.
Einen ACE2-Rezeptor, der für Sars-CoV anfällig sein könnte, besitzen gemäss dem Modell der Forscher immerhin 500 Säugetierarten. Eine starke Affinität fand sich für Primaten, Nerze und Marderhunde, die in China wegen ihres Fells gezüchtet werden – und auch für die Weisswedelhirsche. Bei Schweinen lag das Modell allerdings daneben: Sie infizieren sich nicht mit Sars-CoV-2.
Viele Experten wünschen sich mehr Forschung, um besser zu verstehen, wann und unter welchen Bedingungen Viren Artbarrieren überspringen. Ob sich in diesem Zusammenhang der Ursprung von Omikron jemals erhellen lässt, ist ungewiss. Denn, um das wasserdicht zu beweisen, müsste man die entsprechende Tierpopulation finden, dazu braucht es Glück. (aargauerzeitung.ch)
Ich wusste doch, dass das irgendwann mal zu etwas nutze ist :) :) :)
Nebst den Nerzen gabs z.B. noch den Fall mit den vier Löwen im Zoo von Barcelona im Dezember 2020, bei denen Corona aber nur wie eine Erkältung verlief. Dieser Fall ist mir vorallem geblieben, weil ein Wärter gefragt wurde ob das eine Gefahr für die Besucher sei und er meinte, wenn man so nah dran sei, habe man erst mal ein ganz anderes Problem.
Intressant ist es alleweil und hoffentlich findet man jetzt auch die Zeit solches noch genauer zu untersuchen.