Schweiz
Coronavirus

Corona: Erste Wirte führen Zertifikatspflicht ein

Gaeste posieren im Restaurant daizy, aufgenommen am Montag, 31. Mai 2021 in Zuerich. Ab heute duerfen die Restaurants auch die Tische im Innenbereich wieder besetzen. (KEYSTONE/Ennio Leanza)
Kommt bald die Zertifikatspflicht für Restaurants? Bild: keystone

Zertifikatspflicht oder nicht? Wirte werden langsam ungeduldig

Viele Beizerinnen und Beizer fordern eine Zertifikatspflicht. Nun eilen Restaurants - zum Beispiel in Basel - dem Bundesrat voraus.
06.09.2021, 21:2206.09.2021, 21:31
Nina Fargahi / ch media
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Die Mühlen mahlen langsam. Für einige Wirte zu langsam. Während Bundesrat Ueli Maurer soeben noch sagte, dass eine Zertifikatspflicht in den Restaurants «schwierig umzusetzen» sei und es «ein Puff gebe», führen die ersten Beizen das Covid-Zertifikat bereits selbstständig ein. In einigen Bars ist der Impfnachweis sogar schon seit längerem Alltag. Viele Wirte warten nur noch, bis der Bundesrat grünes Licht gibt. Zum Beispiel der Zürcher Gastronom Michel Péclard. Er verweist auf das Ausland: In Frankreich, Italien, Österreich oder in Monte-Carlo werde die Zertifikatspflicht bereits problemlos durchgesetzt:

«Dort machen Beizen vielerorts sogar mehr Umsatz, weil sich die Kundschaft sicher fühlt und sitzenbleibt.»

Der Aufwand sei überschaubar: Die Gäste setzen sich hin, danach kommt der Kellner und überprüft kurz den QR-Code auf dem Telefon. «Das dauert keine zehn Sekunden», sagt Péclard. Das sei doch viel einfacher, als mit den Zetteli die Daten und Unterschriften der Kundschaft einzusammeln, wie das bis jetzt der Fall gewesen sei. Péclard kann nicht nachvollziehen, dass sich Wirtinnen und Wirte gegen eine Zertifikatspflicht sträuben. «Das Schlimmste wäre ein erneuter Lockdown.»

Würden die Vermieter nochmals ein Auge zudrücken? Würden die Mitarbeitenden einen zweiten Lockdown psychisch verkraften? Würde der Staat nochmals so grosszügig in die Taschen greifen? «Wer wirtschaftlich denkt, tut alles, um einen Lockdown zu verhindern», sagt Péclard, der in Zürich 15 Restaurants und Bars betreibt. Er zeigt sich dankbar, dass Stadt, Kanton und Bund den Beizern unter die Arme gegriffen haben. Sonst würde es von Konkursen nur so wimmeln, und das sei nicht der Fall.

Basler Restaurant will nicht mehr warten

Das Restaurant l'Ambasciatore in Basel führt die Zertifikatspflicht schon ab dieser Woche ein. Man wolle nicht länger auf den Entscheid des Bundesrates warten, wie die Restaurantleitung mitteilt. «Mit einer Zertifikatspflicht können wir unseren Gästen endlich wieder ein normales Restauranterlebnis anbieten und dabei sicherstellen, dass in unserem Betrieb die nötige Sicherheit herrscht.» Dies sei die einzige Lösung, um potenzielle Schliessungen zu verhindern.

Auch der Gastronom Stefan Ruprecht von der Berner Dampfzentrale setzt die Zertifikatspflicht bereits zweimal wöchentlich für bestimmte Anlässe um. «Das ist keine grosse Sache, die meisten haben die App auf ihrem Telefon, die Kontrolle ist in Sekundenschnelle erledigt und dann erhält man ein Armband und kann den Anlass geniessen.» Ruprecht erwartet vom Bundesrat, dass er in dieser Frage endlich Führung zeige:

«Zehn Mal lieber Zertifikatspflicht statt Lockdown.»

Ruprecht musste seinen Betrieb schon einmal für sieben Monate schliessen. Wieso man in der Dampfzentrale die Anordnung der Regierung abwarte? «Weil wir nicht Polizei spielen wollen, sondern gerne der Politik folgen würden, die wiederum ihre Aufgaben erfüllen sollte.» Es gehe darum, dass die Leute wieder etwas Normalität zurückgewinnen können, dass die Wirtinnen und Wirte ihrer gewohnten Arbeit nachgehen können, dass Erkrankte ihre Operationen nicht verschieben müssen, dass die Kundschaft bei einem Restaurantbesuch etwas Sicherheit hat und die Trennwände verschwinden könnten.

Ruprecht weist darauf hin, dass von den 30 bis 70-Jährigen rund 75 Prozent geimpft sind. «Wir sollten nicht den lautesten Stimmen folgen, sondern den vernünftigsten.» Zu den lauten Stimmen gehört Gastrosuisse. In einer Umfrage bei den rund 20'000 Mitglieder-Betrieben zeigten sich 3000 Restaurants besorgt. Sie fürchteten massive Umsatz-Einbussen, falls sie von ihren Gästen ein Zertifikat verlangen müssten. Allerdings stammt die Umfrage vom letzten Mai.

In Österreich ist das Covid-Zertifikat längst Gewohnheit

In einigen Lokalitäten ist der Impfnachweis schon länger obligatorisch. Zum Beispiel in der Badener Bar «Henry's». Dort gilt am Freitag und am Samstag die Zertifikats-Pflicht. Dies, um eine Betriebsschliessung zu verhindern, wie die Betreiber im Badener Tagblatt sagen. Eine Zertifikatspflicht gilt auch in der Olé Olé-Bar oder in der Sportbar Calvados in Zürich.

In Österreich, wo die Zertifikatspflicht in der Gastronomie seit mehr als drei Monaten gilt, sind die Erfahrungen mehrheitlich positiv. Auch dort wurde im Vorfeld der Teufel an die Wand gemalt, doch nun scheint die neue Regelung zur Normalität geworden zu sein. Das sagt jedenfalls der österreichische Fachverband Gastronomie auf Anfrage: «Der Impfnachweis hat sich in Österreich mittlerweile gut etabliert und ist in der Gastronomie zur Gewohnheit geworden.» Da sich die Menschen vor einem Besuch in der Gastronomie über die genauen Zutrittsregeln informieren würden, seien Abweisungen am Eingang eine Seltenheit.

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154 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Haarspalter
06.09.2021 21:34registriert Oktober 2020
Habe heute mit einem Wirt darüber gesprochen (Restaurant mit viel Mittagsmenus):

Er würde die Zertifikatspflicht sehr begrüßen.

„Aus Respekt vor den Mitmenscchen“
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Liebu
06.09.2021 21:48registriert Oktober 2020
«Dort machen Beizen vielerorts sogar mehr Umsatz, weil sich die Kundschaft sicher fühlt und sitzenbleibt.»

Schön das zu lesen. Vorgestern wurde man für solche Vermutungen noch weggeblitzt.
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Wurstbrot
06.09.2021 21:38registriert Juni 2018
Die Zertifikatspflicht muss kommen. Und weil der Ueli meint, dass das nicht umsetzbar sei, dann soll der doch mal im Luzerner Hinterland bei einem Motocross Organisator nachfragen. Die konnten das nämlich.
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