Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) will weiterhin nicht preisgeben, wie viel es für die rund 61 Millionen Impfdosen der Covid-19-Vakzine bezahlt hat. Trotz einer klaren Empfehlung des Eidgenössischen Öffentlichkeitsbeauftragten (EDÖB), entscheidende Passagen der Impfstoffverträge offenzulegen, hält das Amt an den vielen Schwärzungen fest. Das erklärt das BAG in einer entsprechenden Verfügung, die es an den Solothurner Anwalt und SVP-Nationalrat Rémy Wyssmann adressierte.
Wyssmann kämpft seit bald drei Jahren für Transparenz. Konkret verlangte er die Veröffentlichung der Kosten für die Covid-Impfstoffe sowie der Haftungsrisiken, die das BAG bei der Beschaffung eingegangen ist. Er beantragte dafür Einblick in sechs Verträge von Pfizer, Moderna, Jannsen, CureVac, AstraZeneca und Novavax.
Nach zwei Schlichtungsverfahren ist er nicht viel weiter: Die Impfverträge sind zwar publiziert, aber so stark geschwärzt, dass keine wichtigen Informationen ablesbar sind. Das BAG beharrt auf dem Standpunkt, eine Veröffentlichung verzerre den Wettbewerb zulasten der Hersteller. Sie müssten sich aufgrund der Transparenz mit tieferen Preisen begnügen. Das widerspreche den Interessen der Schweiz, die sich vorab einen schnellen und sicheren Zugang zu den Impfstoffen erhoffte.
Diese Erklärung reichte dem Öffentlichkeitsbeauftragten bereits in einem ersten Anlauf nicht. Wyssmann will die Verfügung des BAG vor Gericht anfechten. Er wird noch diesen Monat Beschwerde einreichen. Dafür muss der Anwalt Geld in die Hand nehmen, einen Kostenvorschuss für die Gerichtsverhandlung von bis zu 5000 Franken. Weiter könnten hohe Parteienentschädigungen hinzukommen. Die betroffenen Pharmafirmen haben renommierte Anwaltskanzleien engagiert. Falls Wyssmann unterliegt, muss er deren Aufwand berappen. Das kann schnell mehrere zehntausend Franken kosten.
Trotzdem erklärt Wyssmann: «Ich versuche es auf jeden Fall, die Impfstoffverträge öffentlich zu machen.» Trotzdem sei er darauf bedacht, die finanziellen Risiken zu minimieren. «Ich mache das nicht für mich. Ich mache das für die Öffentlichkeit.»
Es ist dies auch eine Kampfansage gegen eine Entwicklung, die nicht nur Wyssmann Sorge bereitet. Die Ausnahmen im Öffentlichkeitsgesetz (BGÖ) häufen sich. Der Eidgenössische Öffentlichkeitsbeauftragte Adrian Lobsiger wies im vergangenen Jahr darauf hin, dass diese Zahl «beschleunigt» anwachse. Er hat darum begonnen, eine Liste zu führen. Im Tätigkeitsbericht 2022/23 zählt er dreissig wirksame oder geplante Gesetzesbestimmungen auf, die das Öffentlichkeitsprinzip einschränken.
Wyssmann taxiert das Vorgehen der Behörden als «besonders perfide». Denn die Diskussion darüber, was für die Öffentlichkeit zugänglich sein soll und was künftig verborgen bleibt, werde nicht breit geführt, sondern stückweise herausgebrochen. «Das Öffentlichkeitsgesetz verkommt schleichend zu einer leeren Hülle.»
Neueste Beispiele sind der Rettungsschirm des Bundes für die Strombranche sowie die Notverordnung zur Rettung der Credit Suisse. In beiden Fällen hat der Bundesrat entschieden, der Öffentlichkeit Informationen vorzuenthalten.
Aktuell erwägt das Parlament, der Öffentlichkeit die Beschaffung von Medizinprodukten zu entziehen. Im engeren Rahmen geht es um die Abgeltung innovativer Medikamente in der Onkologie oder für seltene Krankheiten. Der Bundesrat schreibt in der entsprechenden Botschaft: «Will die Schweiz die Wirtschaftlichkeit und die Versorgung mit hochpreisigen Arzneimitteln auch in Zukunft sicherstellen, ist das mit der Preisfestsetzung beauftragte BAG gehalten, ebenfalls solche Preismodelle umzusetzen.» Oder anders formuliert: Die ganze Welt macht das so, die Schweiz würde sich einen Nachteil einholen, wenn sie die bezahlten Medikamentenpreise transparent machen würde.
In der Praxis bedeutet das: Mit dem Hersteller wird ein Schaufensterpreis für ein Arzneimittel vereinbart, dieser zahlt dann aber einen ebenfalls ausgehandelten geheimen Rabatt zurück. Was ein Medikament kostet, weiss somit nicht einmal der Patient. Bundesrat und Parlament sind überzeugt, davon profitierten die Patienten und letztlich auch die Prämienzahler: Andere Staaten hätten bei hochpreisigen Arzneimitteln Rabatte in der Höhe von 20 bis 29 Prozent ausgehandelt, es können aber auch 60 Prozent sein.
Bereits im Frühjahr könnte das Parlament das Gesetz besiegeln. Wobei es weit über innovative Krebstherapien und Impfstoffbeschaffungen hinausgeht. Der Bundesrat hat in einem ersten Entwurf die Ausnahmen auch auf die Mittel- und Gegenständeliste im Medizinalbereich ausgeweitet. Zu welchen Auswüchsen die Intransparenz beispielsweise bei Herzschrittmachern führen kann, deckte unlängst der Tages-Anzeiger auf.
Dabei ist eine explizite Ausnahme aus dem Öffentlichkeitsprinzip gar nicht zwingend angezeigt, wie das Beispiel der neuartigen CAR-T-Zelltherapie zeigt. Ein Journalist verlangte die Veröffentlichung der Kosten für die aufwendige und teure Behandlung. Das BAG mauerte, der EDÖB erklärte, für die Geheimhaltung gebe es keine Gesetzesgrundlage. Doch das Gericht urteilte zugunsten der Pharma-Firmen: Die Zurverfügungstellung der CAR-T-Zelltherapie sei in der Schweiz «sehr wahrscheinlich gefährdet», wenn die vertraulichen Preisvereinbarungen zwischen den Spitälern und den Zulassungsinhaberinnen bekannt gegeben würden. Das Gesetz berücksichtigt heute bereits die Wahrung der Interessen des Landes und der Leute sowie schützenswerte Geschäftsgeheimnisse.
Ob ein Gericht in einem anders gelagerten Fall wie den Impfstoffen zum gleichen Schluss kommt? Jedenfalls scheinen sich nun die betroffenen Stellen und Firmen absichern zu wollen, der Gesetzestext ist geschrieben.