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Die verschiedenen juristischen Schauplätze bei den Corona-Leaks

Bundesrat Alain Berset, rechts, schreitet mit seinem Kommunikationschef Peter Lauener zur Medienkonferenz, an welcher er im Anschluss an die Sitzung des Bundesrates die Eroerterungen der Regierung zur ...
Im Gegenwind: Ex-Kommunikationschef Peter Lauener und Bundesrat Alain Berset.Bild: keystone

Das sind die verschiedenen juristischen Schauplätze der Corona-Leaks – ein Überblick

Crypto und Corona, Untersuchung hier, Verfahren da, versiegelte Dokumente und zwei Sonderermittler: die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Corona-Leaks.
18.01.2023, 09:4728.03.2024, 14:01
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Bundesrat Alain Bersets Ex-Kommunikationschef, Peter Lauener, gab vertrauliche Informationen zur Coronapolitik an Ringier-CEO Marc Walder weiter. Die von der «Schweiz am Wochenende» publik gemachten E-Mails beherrschen seit Tagen die Schlagzeilen. Die Geschäftsprüfungskommission (GPK) des Parlamentes wird nächste Woche entscheiden, ob und wie die neu aufgetauchten E-Mails in die laufende Untersuchung zu Indiskretionen aus dem Bundesrat einfliessen werden.

Klar ist, dass die GPK dabei die Gewaltenteilung berücksichtigen muss. Denn neben der politischen Aufarbeitung laufen diverse juristische Verfahren.

Ein Überblick über die juristischen Schauplätze rund um die Corona-Leaks:

Weshalb läuft ein Strafverfahren gegen Peter Lauener?

Während zehn Jahren war Peter Lauener einer der wichtigsten Mitarbeiter von Bundesrat Alain Berset. Der Berner war zunächst als persönlicher Berater für Berset tätig, ab 2019 leitete er die Kommunikation des Departements des Innern (EDI). Lauener hatte bereits im Bundesratswahlkampf von Berset eine wichtige Rolle gespielt. Er gilt als enger Vertrauter des Bundesrates.

Die «NZZ am Sonntag» bezeichnete den Spindoktor einst als den «heimlichen Star unter den Kommunikationschefs».

Doch im letzten Juni erfolgte der Knall: Lauener verliess das EDI. Erst später wurde publik, dass ein Strafverfahren gegen Lauener wegen Verletzung des Amtsgeheimnisses läuft – ursprünglich wegen der Crypto-Affäre.

Crypto-Affäre? Was war da schon wieder?

Die Zuger Firma Crypto AG stellte Chiffriergeräte zur Übermittlung geheimer Informationen her. In den 1970er-Jahren kauften der amerikanische Geheimdienst CIA und der deutsche Bundesnachrichtendienst BND das Unternehmen. Es stellte sich heraus, dass die Firma nicht nur sichere Geräte verkaufte, sondern auch schwache, deren Verschlüsselung leicht zu knacken war. Die beiden Geheimdienste kamen so einfach zu vertraulichen Informationen verfeindeter Staaten.

Der Schweizer Nachrichtendienst war ein stiller Teilhaber; auch er konnte mithören. Verschiedene Medien machten dies 2019 publik. Die Frage stellte sich, ob Schweizer Behörden von den manipulierten Geräten wussten. Neutralitätspolitisch waren die Vorgänge heikel. Die Geschäftsprüfungsdelegation (GPDel) startete in der Folge eine Untersuchung. Die kleine Delegation aus National- und Ständeräten ist für höchst geheime Angelegenheiten bei Staatsschutz und Nachrichtendienst zuständig.

HANDOUT - Die mechanische Rotor-Chiffriermaschine CX-52 IMG wurde ab 1952 durch den schwedischen Erfinder und Unternehmer Boris Hagelin von seiner im selben Jahr in der Schweiz gegruendeten Crypto AG  ...
Die mechanische Rotor-Chiffriermaschine CX-52 IMG.Bild: RAMA/Lizenz Cc-by-sa-2.0-fr

Das Problem: Noch bevor die Ergebnisse der Inspektion publiziert worden sind, berichteten verschiedene Medien über den vertraulichen Bericht. Die GPDel erstatte Anzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung bei der Bundesanwaltschaft (BA). Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) setzte den Sonderermittler Peter Marti ein – weil die BA befangen war.

Denn sie hatte ebenfalls Teile des Inspektionsberichts zur Stellungnahme erhalten. Der ehemalige Zürcher Obergerichtspräsident Marti machte sich auf die Suche nach dem Leck und eröffnete drei zusammenhängende Verfahren betreffend Amtsgeheimnisverletzung. Nebst Peter Lauener läuft auch je ein Verfahren gegen zwei nahe Mitarbeiter von Bundesrat Ignazio Cassis: Generalsekretär Markus Seiler und Medienchef Michael Steiner. Für alle drei gilt die Unschuldsvermutung.

Kommissar Zufall: Wie wurde aus den Crypto-Leaks die Corona-Leaks?

Sonderermittler Marti untersuchte also die Indiskretionen in der Crypto-Affäre. Dabei stiess er jedoch, quasi als Beifang, auf die nun publik gewordenen E-Mails zwischen Lauener und Ringier-Chef Walder mit den vertraulichen Informationen zur Coronapolitik. Während der Pandemie berichteten verschiedene Medien vorab über Entscheide des Bundesrates zu den Coronamassnahmen. Darunter auch der «Blick», der zur Ringier-Gruppe gehört.

Pikant: Auch Bersets Departement selbst hat deswegen bei der Bundesanwaltschaft eine Strafanzeige wegen Amtsgeheimnisverletzung eingereicht. Die AB-BA gab Marti schliesslich die Erlaubnis, das Crypto-Verfahren auf die Corona-E-Mails auszuweiten.

Unter Juristen ist dieser Entscheid umstritten. Der «Tages-Anzeiger» befragte drei Strafrechtsexperten dazu. Das Fazit: Sie bezweifeln, dass das Verfahren gegen Lauener rechtens ist. Denn die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft (AB-BA) darf nur dann einen Sonderermittler einsetzen, wenn der konkrete Verdacht besteht, dass jemand aus der Bundesanwaltschaft ein Delikt begangen haben könnte.

Die AB-BA wiederum verteidigt den Entscheid über die Ausweitung des Verfahrens auf die Coronapapiere mit dem Grundsatz der «Verfahrenseinheit». Damit soll verhindert werden, dass verschiedene Verfahren gegen dieselben Personen geführt und widersprüchliche Entscheide getroffen werden. Gemäss Marti hängen die Verfahren Crypto und Corona zusammen.

Weshalb ermittelt ein Sonderermittler gegen den Sonderermittler?

Es ist also umstritten, ob Marti wegen der Corona-Indiskretionen ermitteln darf. Der Beschuldigte Lauener hat seinerseits eine Strafanzeige gegen Sonderermittler Marti eingereicht: wegen Amtsmissbrauch und allenfalls anderer Delikte.

Marti, als harter Hund bekannt, setzte Peter Lauener im Frühling gar in Untersuchungshaft wegen den Corona-Leaks. Auch für Marti gilt die Unschuldsvermutung.

In dieser Sache setzte die AB-BA nun den Luzerner Anwalt Stephan Zimmerli als Sonderermittler ein. Er führt das Strafverfahren gegen Marti durch. Bei Strafanzeigen gegen Staatsanwälte des Bundes muss die AB-BA einen unabhängigen ausserordentlichen Staatsanwalt ernennen – so steht es im Gesetz.

Die versiegelten Dokumente – oder weshalb dauert alles so lange?

Peter Marti startete seine Crypto-Untersuchung im März 2021. Fast zwei Jahre später ist immer noch kein Ende in Sicht. Ein Grund liegt darin, dass offen ist, ob Marti den beschlagnahmten E-Mail-Verkehr von Peter Lauener überhaupt für seine Ermittlungen verwenden darf. Dabei geht es eben auch um dessen E-Mails an Marc Walder. Lauener findet, die Daten seien auf unstatthafte Art und Weise erhoben worden – und hätten deshalb versiegelt werden müssen.

Zudem läuft beim Berner Zwangsmassnahmengericht ein sogenanntes Entsiegelungsverfahren. Das Gericht muss auch darüber befinden, ob Laueners technische Geräte, die bei einer Hausdurchsuchung sichergestellt worden sind, entsiegelt werden.

Das Gericht dürfte aber nicht entscheiden, bevor das Verfahren gegen den Sonderermittler Marti abgeschlossen ist. Und selbst wenn das Gericht dereinst zu einem Entscheid kommt, dürfte dieser an das Bundesgericht weitergezogen werden. Kurzum: Bis die juristischen Fragen geklärt sind, dürfte noch viel Zeit ins Land gehen.

Der CEO von Ringier Marc Walder anlaesslich des Swiss Media Forum vom Donnerstag, 15. September 2022 auf dem Motorschiff Diamant auf dem Vierwaldstaettersee in Luzern. (KEYSTONE/Urs Flueeler)
Der CEO von Ringier Marc Walder hat E-Mails von Peter Lauener bekommen.Bild: keystone

Und war es das?

Natürlich nicht! Gegenüber der Agentur Keystone-SDA bestätigte am Montag die Bundesanwaltschaft, dass sie prüft, wie die E-Mails von Lauener und das Einnahmeprotokoll von Bundesrat an die Öffentlichkeit kommen konnten. Damit droht ein weiteres Strafverfahren wegen Amtsgeheimnisverletzung.

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31 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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RaWi - Wir sind mehr
18.01.2023 10:25registriert Februar 2014
So, so, Crypto und Corona gehören zusammen. HÄ? Bei Crypto geht's um den Zeitraum von 1970er-2019. Bei Corona um Zeitraum 2020/21. Momol, seeeeehr plausibel. NICHT.
Statt die Crypto Leaks genauer zu untersuchen, welche wohl primä das VBS und RechtsBürgerlich dominierte Stellen düpiert und für internationale Schlagzeilen gesorgt hätte, weicht man doch lieber auf einen Nebenschauplatz aus, um einen politischen Gegner im Wahlkampf in den Dreck zu ziehen.
Dass ausgerechnet aus diesem Verfahren bei dem Leaks untersucht wurden Vernehmungsprotokolle den Medien zugespielt wurden machts komplett absurd
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